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»Niemand wirft dir Feigheit vor«, versetzte Tolumnius nach einem Blickwechsel mit den Kameraden. »Die Schurken können aus dem Text nichts entnehmen. Sie wissen nicht mal, wohin ihr wolltet. Der Name Tolumnius ist weitverbreitet, die Spitzel des Kaiserlichen Geheimbüros finden nicht hierher.« Er leerte seinen Becher. »Wann trifft das Salz ein?«

»Spätestens zu den Iden des Augustus. Alles ist perfekt... Bloß nach einem soll ich dich fragen, weil das niemand daheim begreift: Was willst du mit dem unnützen Mauersalz? Waffenschmiede fordern Eisen, Leder und so etwas. Aber gerade Salz?!«

Ein Lächeln huschte über die verwitterten Züge des ehemaligen Centurios. Schmunzelnd sah er die anderen an. Wenige lächelten zurück die Eingeweihten. Ratlos blickten die meisten.

»Das erscheint unsinnig, zugegeben. Doch, Freund: Hinter alledem steckt ein Geheimnis, das ich nicht zu früh lüften mag. Ein falsches Wort würde uns dem Kaiser ausliefern. Wir wären rettungslos verloren.« Um keinen Preis dürfen die Römer von meiner Mischung erfahren, dachte er und sah zum Vesuv hinüber, zu seinem verborgenen Domizil. Ihre Überzahl, der bekannte Drill... und diese schreckenverbreitende Waffe Rom würde in einem wahren Sturmlauf den Rest der Welt unterjochen. Niemand widerstünde mehr den Heeren der Cäsaren. Ich muß das Geheimnis hüten. Erst in letzter Minute... Er räusperte sich. »Vertraut mir, Brüder! Zum rechten Tag werden wir neben Schwert und Lanze etwas fuhren, was alle Legionäre entwaffnet, sie fliehen macht. Unsere Krieger werden dem Namen der Bruderschaft Ehre machen. Rom soll heller brennen als unter Nero!«

Ein Atemholen durchflog die Runde.

»Ja, noch siegen die Legionen. Doch wer führt sie? Seit einem Menschenalter wankt das Kaisertum. Claudius der Trottel, Nero der Muttermörder, Galba der Selbstsüchtige, Vitellius der Unfähige. Was für Würdenträger! Günstlingswirtschaft und Korruption allerorten. Weg mit den Ketten! Frei sollen Etrusker und Osker sein!«

»Ich bin mit unserem Subpräfekten vertraut, er rühmt sich oskischer Eltern und versteht sein Handwerk«, warf ein Jüngerer ein. Seine Decurionenuniform trug das Abzeichen der Marinesoldaten von Misenum. »Seiner Ansicht nach haben die Völker Italiens durch das römische Bürgerrecht alles bekommen. Wie er denken die meisten. Gab es seit dem Bundesgenossenkrieg größere Revolten? Kaiser Titus Flavius ist ein begabter Feldherr. In Judäa hat er gesiegt. Unterschätzen wir ihn nicht!«

»Ihn nicht. Aber jeder weiß, daß Titus Flavius nur noch ein, zwei Sommer zu leben hat die gleiche Krankheit wie sein Vater Vespasianus. Nach ihm soll Domitianus gekrönt werden. Er wird in seiner Eitelkeit gerade die alten Kulturvölker bedrücken. Auf daß er sich strahlend abhebe!«

Die Ansichten des Thronfolgers waren allzu bekannt, als daß jemand protestierte. Ein Volk, eine Sprache, ein Gesetz und ein Kaiser und wehe den Andersdenkenden! Ein zweiter Nero auf dem Palatin? Dem mußte man zuvorkommen!

»Osker und Etrusker sind die einzigen, die sich noch nicht im Schmelztiegel des Imperiums aufgelöst haben...«

»Doch die Griechen! Neapolis ist ein Paradebeispiel.«

»Sie gefallen sich in der Selbstbespiegelung ihrer Kunst und genießen es, daß sie die Nichtgriechen verachten dürfen. Sie zählen nicht. Wir aber sind stark geworden. Hier könnte man eine Kohorte aufstellen.«

»Nach verheißungsvollem Anfang auch zwei«, bemerkte einer.

»Deine Marinetruppen« Tolumnius wandte sich an den Decurio neben sich »sind kaisertreu, solange der Sold klimpert. Jede Schlappe läßt Blindgläubige aufmerken.«

»Lassen wir das, bis wir Genaueres wissen. Wie steht es oben in Etrurien, daheim?« fragte ein Alter.

»Unter den Bauern herrscht Unruhe, eine Stimmung wie unmittelbar vor dem Aufruhr. Unsere Mittelsleute plagen sich, um unkontrollierte Revolten zu verhindern. Lange geht es nicht mehr. Die Auspressungen der Steuerpächter treiben zur Empörung. Arme Leute laufen schon den Christen zu, weil sie keinen Ausweg sehen...«

»Die lehnen doch die Rache ab?«

»Bisher haben wir auch nichts gerächt! Gratha forderte mich auf, dich zu drängen, Tolumnius. Unser Aufstand muß mit deiner Wunderwaffe geführt werden, sonst ertrinkt alles in einem Meer von Blut.« Es klang wie auswendig gelernt.

Bedrückt nickte der Alte. Gratha sah die Dinge wohl richtig. »Schwerter und Lanzen sind in Arbeit, du weißt, in Pompeji. Was meine Waffe betrifft... Alles hängt an der Menge des Mauersalzes. Schafft soviel wie möglich heran!« Er rechnete an den Fingern. Wollte er nur kleine Bronzetöpfe, mit seiner Masse gefüllt, ausgeben, dann brauchte er davon, um die vielen Kämpfer auszurüsten, eine undenkbare Menge. Auch war fraglich, ob die also Ausgestatteten nicht mehr Furcht als Vertrauen hätten. Möglich war es allerdings, eine ausgewählte Schar und ein paar Feldkatapulte hinreichend zu versorgen. Für die ersten Schlachten mochte das genügen. Später konnte man im großen rüsten. Aber jetzt? Die Holzkohle zu erstehen pah! Auf jedem Markt konnte man ganze Eselslasten kaufen. Schwefel pah! Der Vesuv reckte eine Wegstunde entfernt seinen Gipfel in den Himmel. Aber das Salz, das verfluchte, großartige Salz! Und ausgerechnet davon brauchte man so viel! Seine letzten Versuche dienten dem Ziel, diesen Anteil zu drücken. Umsonst, ein Minimum blieb, und das war groß, an die drei Viertel. Er sah keinen Ausweg. Zu allem Ungemach fehlte ihm ein sachkundiges Gespräch. Niemand unter den romhassenden Freunden verstand sich auf solche Dinge. Auch galt es, vorerst den Mitwisserkreis zu begrenzen.

»Gratha befürchtet, die Rebellion könnte zu früh ausbrechen«, begann der Kurier von neuem. »Was, wenn man beispielsweise die Steuern anhebt? Oder das römische Bürgerrecht von einer Anerkennung des Kaiserkults abhängig macht? Oder wenn neue Aushebungen angeordnet werden man munkelt von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Gratha hält es für

möglich, daß die Ädilen auf unserer Spur sind. Es soll da Vorfälle gegeben haben. Man hat ja auch Apicius festgenommen. Wie sagte Gratha? >Ein Krieg macht sich gut als Vorwand zu Massenverhaftungen. Die Folter tut das übrige.<«

Die Verschwörer blickten sich an. Krieg? Die meisten am Tisch waren Veteranen; sie kannten die langen, unbefriedeten Grenzen. Ehemalige Mitkämpfer, aus dem Norden zurückgekehrt, hatten vom Bataver-Aufstand berichtet. Schon morgen konnte er von neuem ausbrechen. Allzu laut hatte sich, Prinz Domitianus auf dem Forum gerühmt, er würde Dacien erobern. Beutegierige Germanen bedrängten die Rheingrenze... Endlose, unergiebige Kämpfe.

»Ich reise bei Tagesanbruch zurück. Gratha will einen Termin hören. Was melde ich?«

Tolumnius richtete sich auf und reckte die immer noch muskulösen Arme. »Sobald ich genügend Mauersalz habe, keinesfalls früher. Ich bin kein Wundertäter.«

»Die Schiffslast ist unterwegs nach Puteoli.«

»Sie wird fürs erste ausreichen. Eine Woche danach mag Gratha die Waffen abholen lassen. Aber viel Zeit zum Üben bewillige ich nicht! Je mehr Menschen das Geheimnis kennen, desto riskanter. Spätestens Anfang Octobris müssen wir losschlagen!«

Ein Aufatmen ging durch den Kreis. »Zu den Kaienden!« sagte einer, ohne daß jemand widersprach.

»Gratha ist am einundzwanzigsten Augustus am Treffpunkt. Er reist zunächst weiter über Neapolis nach Pompeji, Maultiere mieten und die bestellten Waffen laden. Auf dem Rückweg käme er abermals vorbei.«

Die anderen schwiegen. Es gab kein Zurück. Die Lunte brannte schon zu lange, selbst ein Wunder konnte sie nicht mehr löschen.

»Unser Feuer wird Rom verzehren!« Tolumnius hieb mit der Hand durch die Luft. »Danach wird alles besser.«