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Beiderseits der Straße nach Neapolis erstreckten sich abwechselnd Obsthaine, Weingärten und Äcker voll goldenem Getreide. Solcherart setzte sich das Land noch fünf Meilen bis zur Küste fort. Man sah bisweilen einzelne Gebäude von Neapolis; und Gratha vermutete, daß von den Baumwipfeln aus auch das Meer zu sehen war.

Im Schrittempo ging es weiter, zunächst geradeaus durch das Obstgut. Dann schwang sich eine Aquäduktbrücke über den Weg, fortan wurde der Pfad schmaler und schlecht. Einigemal mußten sie die Pferde anstacheln, um besonders steile Stellen zu erklettern. Die Waldhänge waren teils schroff, immer dicht bewachsen. Schwarzkiefem, Buchen und Pinien beschatteten ein Chaos aus Unkräutern, Farnen und dornigem Gestrüpp. Zweifellos wimmelte es im Dickicht von ekligem Gewürm. Die beiden Etrusker sahen es voller Unbehagen. Manchmal

legte sich ein fremdartig fauliger Geruch auf die Brust. Gratha fluchte vor sich hin.

Bei Vanth, verdiente so etwas den Namen Weg? Immer häufiger beugten sich die beiden Fremden auf die Pferdehälse, um den Domenranken zu entgehen, die sich überall einhakten.

»Wenigstens findet uns hier selbst der diensteifrigste Legionär nicht!«

Der Jüngere gab ihm wortlos recht. Solch ein Unterholz würde ganze Kohorten ergebnislos beschäftigen. Andererseits galt es, jemanden zu treffen, nicht sich zu verbergen. Wo waren die Freunde? Man sollte den Pfad entlangreiten. Vier Meilen hatten sie hinter sich. Wie weit noch?

»Halt!«

Ihre Hand griff nach dem Schwert, ihre Augen spähten umher. »Wer spricht da? Was willst du von uns?« Der Rufer mußte unangenehm nahe sein, trotzdem verbarg ihn das Gezweig.

»Eine Flamme brannte in Tarquinia«, verkündete jemand von woandersher, so daß sich beide verdutzt umwandten. Zwei Männer also? Oder noch mehr?

Gratha öffnete als erster den Mund. »Sie verlosch im heiligen See von Volsinii.«

Ein leises Rascheln wie aus dem Boden gewachsen standen zwei Bewaffnete vor ihnen. »Kommt, Tolumnius wartet.«

Noch mißtrauisch stiegen die Gesandten ab und folgten den Führern. Nach hundert Schritten weitete sich der Weg zu einer Lichtung. Abseits des Pfades durften sich die Tiere an wadenhohem Kraut und an einem Rinnsal laben. Ein Mann blieb als Wache zurück, der andere schritt ins Hanggesträuch. Eine Kluft begann hier, Eingang zu einem Labyrinth von Felsschluchten.

Die Parole war richtig soviel wußten die beiden. Trotzdem: Der steinerne Irrgarten erregte Angst. Stand die Sonne auch

hoch am Himmel, in diesen Tiefen regierten rote und schwarze Schatten. Hier und da quoll Schwefeldampf aus dem Boden.

Der Bewaffnete wälzte einen Block beiseite und kroch in den freigelegten Stollen. »Folgt mir!« klang es aus der Finsternis. »Nachher muß ich den Stein wieder vorlegen.« Sein Latein verriet den Osker. Das beruhigte Gratha ein wenig. Wären sie in eine Römerfalle getappt und wie leicht geschah das! hätten die Beamten keinesfalls so gehandelt.

Der hindemisgespickte Weg durch den Gang ließ sie erschauern. Endlich, im großen Höhlenraum, sahen sie Tolumnius vor sich. Mit stummer Geste bat sie der ehemalige Centurio in die Nebenkammer. Im Gewölbe schallte jedes Wort so, daß eine Unterhaltung unmöglich gewesen wäre.

»Ich bin Gratha«, stellte sich der ältere Besucher vor. »Mein Begleiter wird dir gesagt haben, daß die Söhne des Feuers mich zum Führer im beschlossenen Aufstand gegen Rom gewählt haben. Du sammelst die Mutigen im Süden, wir müssen Zusammenarbeiten. Du hast uns viel versprochen zuviel, scheint mir. Darum kam ich her. Was ist wahr an deinen Worten?«

Der Alte salutierte unwillkürlich wie vor einem Legaten. Dieser hagere Graukopf mit den fast schwarzen Augen also war der Hochberühmte? Fünfzehntausend Sesterzen waren auf Grathas Kopf gesetzt, seitdem der arrogante Proprätor Servilius Casca in Tarquinia unter seinem Dolch gefallen war und trotzdem ritt er quer durch Italien? Das bewies Mut... oder aber eine Verzweiflung, die ihn selbst nach dem Strohhalm Tolumnius greifen ließ. Der Veteran gab sich keiner Täuschung hin, was der Mann ihm gegenüber wohl dachte.

»Du willst meine Wunderwaffe kennenlemen? Es sei. Vorweg muß ich dir erzählen, wie ich zu der Erfindung kam.

Als junger Mann ging ich gezwungenermaßen freiwillig zu den Legionen. Ohne Land und unwissend was glaubten wir sonst tun zu können? Wegen meiner geschickten Hände bereitete ich Brandpfeile und Feuertöpfe für die Belagerungstechnik vor und montierte die Katapulte und die Onager, die Wurfschleudem.« Er deutete auf eine Tonschale. »Daß Schwefel ausgezeichnet brennt, ist eine alte Neuigkeit; ich vermengte ihn mit Holzkohle, um das Feuer zu verbessern.«

»So etwas habe ich schon gesehen«, erwiderte Gratha vorsichtig. Seine verzweifelte Suche nach Hilfsmitteln hatte ihn zu den unmöglichsten Leuten geführt. »In Etrurien ist Schwefel aber schwer zu bekommen.«

»Allein in diesen Höhlen findet sich mehr Schwefel, als wir je brauchen werden. Es bedarf nur der Suche. Nein, mutiger Gratha«, fuhr Tolumnius trübe lächelnd hinzu, »es geht um Wirksameres. Ein Zufall gab mir das Wunder in die Hand.

Damals hatte ich Salz in die Brandmischung gelegt. Wie ihr wißt, macht das die Flamme strahlendgelb und also heißer. Eines Tages... Ich hatte gerade keines bei der Hand und benutzte darum die Kristalle, die auf gewissen Mauern ausblühen. Man nennt sie Mauersalz.«

»Ja und?« drängten die Fremden verständnislos.

»Es zischte und puffte, die Glut wurde auseinandergeschleudert und loderte doppelt hell. Ihr könnt euch meinen Schreck ausmalen. Später wiederholte ich den Versuch; insgeheim, denn ich ahnte, daß dies etwas Neues ist. Rom bietet viel für Ideen zu neuer Kriegstechnik. Man würde mir jede gewünschte Summe gezahlt haben.

Ich hatte kurz zuvor einen Sohn des Feuers kennengelemt und durch ihn erfahren, daß es eine Kraft gab, die das belastende Rom stürzen will. Daran dachte ich und schwieg.

Nach der Pensionierung suchte ich einen Ort, wo man unbesorgt Versuche durchführen kann. Ich fand diese Höhlen. Niemand hört hier etwas, niemand sieht die Qualmwolken, niemand riecht den beizenden Rauch; und wenn... dann war es eben der Atem des schlafenden Vulkans.«

Mühsam unterdrückte Gratha ein Stöhnen. Das war alles? Nicht einmal die wirksamste Brandmischung der Welt konnte die Übermacht der fünfundzwanzig Legionen ausgleichen. Das anzunehmen hieße sich grausam täuschen. Umsonst war er hergekommen!

Die Leute ringsum mochten den Vortrag kennen, denn sie suchten derweil aus einem Höhlenwinkel verschiedene Gerätschaften hervor. Drei Lattengerüste wurden im großen Höhlenraum aufgerichtet, daran hingen alte Legionärsrüstungen, Schilde und Helme. Der Aufbau ähnelte einer Vogelscheuche oder Übungszielen für Rekruten. Verwundert sahen die Etrusker zu.

»Fertig, Meister!«

»Ausgezeichnet.« Tolumnius nahm einen kindskopfgroßen Bronzetopf, an dem eine Schnur baumelte. Damit ging er zum Zugang und zündete an der Lampe den Faden an. »Bleibt hinter dem Felsen!« befahl er und schleuderte die Kugel zu den Zielen hinüber.

Ein Krachen erschütterte die Luft, ließ die massiven Felswände wanken. Im heftigen Windstoß flackerte die Flamme des Lämpchens, dann wälzte sich eine schwarze Wolke aus dem Gang.

Die mutigen Etrusker schlotterten wie verschreckte Kinder in einem Gewitter. Gehetzt blickte Gratha um sich, fahl im Gesicht und das entblößte Schwert in der Rechten. Er wich zur entferntesten Wand zurück, um dem rußigen Qualm zu entgehen. »Was... was war das? Vanth, Charun und Phersu, steht mir bei was ist das?« Er bemerkte erst jetzt, daß er als einziger eine Waffe in der Hand hielt. Zittrig steckte er die Klinge zurück in die Scheide.

Tolumnius wandte sich ihm zu. »Eine Wunderwaffe. Ich bin Soldat genug, um zu wissen, daß dies offensichtlich weit mehr

als eine neuartige Brandmischung ist. Es ist... Nun, du hast selbst erlebt, was es ist. Komm und schau!«