Выбрать главу

Mein erspartes Silber wird wohl reichen, mich in Campanien anzukaufen. Wer fragt in der Provinz nach der politischen Richtung meines ehemaligen Förderers, wenn ich meine Arbeit gut und zuverlässig verrichte?«

Er erhielt keine Antwort. Die Kaiserwechsel hatten Italien mit Verbannten überschwemmt. Man wußte Bescheid.

Vergeblich malte sich Tillia solche Intrigen aus. Gold, Reichtum, sagenhafter Luxus und dann das? Wie brachte es Servianus fertig, trotzdem zu lächeln? Zweifellos besaß er enorme Fähigkeiten... und sicher auch mehr als etwas Silber.

Tolumnius tadelte sich, über den Vorbereitungen zur Rebellion das Mädchen vernachlässigt zu haben. Die Quittung erhielt er jetzt. Ein Kind konnte man Tillia nicht mehr nennen; und was hatte der verantwortliche Erzieher getan, um einen Gatten für sie zu finden? In wenigen Wochen würde der losbrechende Aufstand seine Kraft erst recht benötigen. Ein Dilemma.

»Schreiber gibt’s überall«, bemerkte er daher in abfälligem Ton. »Tue lieber etwas wirklich Nützliches!«

Tillia errötete für den Adoptivvater. Gerade weil sie die Kunst des Lesens nur mangelhaft und die des Schreibens fast nicht beherrschte, schien ihr beides so kompliziert wie wichtig. Freilich gehörte das nicht zum Lernstoff römischer Bauernmädchen.

Im Gesicht des anderen zeigte sich jedoch keine Verärgerung. Jetzt war der Weg frei. Wie würde Tolumnius auf die Konfrontation reagieren? Verriet er sich als der Gesuchte? Der Spion bemühte sich um eine Miene voller Eifer. »Man sollte nur tun, was man wirklich kann.« Auch das war ein etruskisches Sprichwort. »Bedenke die große Verantwortung eines Schreibers. Ein Fehler im Kleinen kann Menschenleben kosten.«

Tolumnius lächelte ungläubig.

Das Mädchen zweifelte nicht minder. »Wirklich?«

»Und wie, Tillia! Schweigt bitte über das, was ich jetzt erzähle. Geheim ist es nicht eben, aber mein Stand in Rom würde noch wackeliger, wenn die Behörde ihren Schnitzer ausgeplaudert sähe. Zu den Iden des Maius ordnete ein Richter an, einen jungen Mann namens Marcus Aspicius aufzugreifen. Glaubwürdige Zeugen hatten dargetan, daß er böse betrogen habe; in einem Prozeß sollte das geklärt werden. So weit so gut« Er machte eine Pause und erfreute sich der, aufmerksamen Gesichter. »Der Protokollant fertigte ein Rundschreiben für die Torwachen aus. War seine Notiz undeutlich, mangelte

es ihm an Sorgfalt wer weiß es? Jedenfalls schrieb er >Marcus Apicius« Versteht ihr?«

Tolumnius zuckte zusammen und erblaßte.

»Ende Junius hielten die Torwachen einen solchen Apicius an, um ihn dem Prätor vorzuführen. Aus irgendeinem Grund griff der Festgenommene zur Waffe. Nun ja, eine Sechserstreife gegen einen einzelnen... Letztlich aber starb der junge Mann wegen des Schreibfehlers eines simplen Sekretärs.«

Mit großen Augen starrte ihn das Mädchen an. »Das konnte... wahrhaftig geschehen?«

»Vormittags am 23. Junius am Collinischen Tor«, lautete die lakonische Antwort.

»Wenn der Fremde unschuldig war, weshalb wehrte er sich?« Tolumnius, heiser vor Schreck, kam nicht mit dem unerhörten Zufall zu Rande, der ihm viele Meilen von Rom entfernt die Erklärung für die mysteriöse Verhaftung präsentierte.

»Ja, eben, er hätte klug getan, sich zu fügen. Das Gericht hätte sogleich seine Unschuld festgestellt, ihn womöglich entschädigt und in jedem Fall meinen Kollegen schimpflich entlassen. So aber nimmt man an, zufällig einen Verbrecher gefaßt zu haben. Details sind mir natürlich unbekannt... Ach, ich begreife: Du glaubst, ich sei beim Appellationshof des Senats beschäftigt. Dem ist nicht so. Ich bin ein kleiner Beamter in der Abteilung für Rebellionen und Geheimbünde.« Damit war der Köder hingeworfen. »Wir Schreiber schwatzen bloß über dergleichen Dinge ähnlich wie Soldaten über gewonnene Schlachten.«

Der Aquädukt wandte sich ostwärts; würden sie ihm folgen, dauerte ihr Spaziergang zu lange. Glücklicherweise mündete hier ein Pfad aus Feldrainen, auf dem man nach, Acerrä gehen konnte. Unterwegs ergaben sich Abzweigungen sonder Zahl für den Heimweg. Sie bogen ab, ließen den Vesuv im Rücken und die sich neigende Sonne zur Linken.

Servianus drängte es, zum Eigentlichen zu kommen. Doch er durfte damit nicht beginnen.

Überrascht von der Eröffnung erkundigte sich Tillia: »Rebellionen? Die gab es doch seit Menschengedenken nicht, höchstens Sklavenunruhen oder Ausreißer wie gerade jetzt. Beschäftigt sich der Senat mit solchen Hirngespinsten... oh, entschuldige!«

Verdrossen krauste Tolumnius die Stirn, doch er mußte schweigen. Der schwatzende Römer war für die Verschwörer unversehens höchst wichtig geworden. Wie horchte man ihn aus?

»Immer noch denken Leute daran«, bekannte der Spion gelassen. »Aufstände anzuzetteln ist leichter, als sie zu befrieden. Das Ärgste aber: Solche Menschen täuschen sich selbst und glauben so fest an ihren Sieg, daß sie noch im Tod an ihrer

Niederlage zweifeln.«

Ruckartig hob der ehemalige Centurio den Kopf. Aber sein forschender Blick erlahmte am harmlosen Gesicht des anderen.

»Tillia, geh voran heim!« bestimmte er.

»Warum denn, Onkel?«

Nach römischem Brauch durfte eine Tochter keine solche Frage stellen, sie hatte stumm zu gehorchen. Tolumnius runzelte die Brauen und nahm sich vor, ihr nachher eine Lektion zu erteilen. »Das ist nichts für Mädchen.«

»Dein Adoptivvater hat recht«, bemerkte Servianus, dem es auf ein Vier-Augen-Gespräch ankam. »Über solche Dinge zu reden ist bisweilen gefährlich. Aber wir könnten das Thema wechseln.«

Tolumnius zuckte die Schultern. Daß der Kontakt zwischen den beiden abgebrochen würde, war ihm ganz recht, der Vorwand willkommen. Indes... »Geh heim und bereite das Essen für uns vor!«

Gesenkten Kopfes, aber doch sichtbar erleichtert, lief das Mädchen davon. Für uns! Sie würde ihn Wiedersehen!

»Falls sie etwas vor den falschen Ohren wiederholt, könnten die Horcher des Kaisers glauben, wir dächten an Aufstand«, erläuterte er. »In einem hat sie wohl recht: Daß es tatsächlich solch eine Instanz gibt, erscheint mir seltsam...« Er hoffte, sein Gegenüber würde richtig reagieren.

Servianus hatte längst verstanden. Kein Zweifel, er stand vor dem gesuchten Tolumnius. Wie er diesem wichtigen Mann beikam, war ihm freilich noch nicht klar. Darum hob er die Brauen und fragte spitz: »Dich interessiert eine Sekretärsarbeit?«

Der ehemalige Centurio errötete. Die Antwort auf seine Kritik am Beruf des Römers tat weh. Römer? Ein Römer war dieser Schreiber nicht. Auch kein Etrusker, obwohl er seine Rede mit etruskischen Sentenzen würzte. Sein Latein hatte den weichen Akzent der Campaner. »Ich wollte fragen: Verhörst du gefangene Rebellen?«

Abwehrend hob der Spion die Hände. »Solche Schmutzarbeit mögen die Ädilen oder die Prätorianer tun. Ich suche in den aufgefundenen Schriften der Geheimorganisationen nach ihren Schwachpunkten. Eingehakt soll möglichst vor Ausbruch des Aufstandes werden, um Anhänger und potentielle Mittäter von der Sinnlosigkeit zu überzeugen. Fanatiker sind zwar unheilbar, aber die Mehrheit sieht ein, Irrlehren gefolgt zu sein. Viele verlassen die Blindwütigen und bewahren sich Leben und Freiheit. Statt Strafexpeditionen gibt es isolierte Festnahmen. Was liegt Rom an ausgemordeten Provinzen?«

»Ich verstehe dich nicht ganz«, erwiderte Tolumnius unruhig.

Servianus suchte nach Worten. Auch wenn er jetzt seine eigene Meinung darlegen würde, was die Überzeugungskraft erhöhte in Wahrheit wollte ja er etwas erfahren.

Tillia war längst nicht mehr zu sehen. Der Rainweg passierte einen eingezäunten Garten voller Kirschbäume und Blumen, von frei springenden Bluthunden bewacht; dahinter gabelte er sich vor einem schnittreifen Weizenschlag. Rechts ging es nach Acerrä, links zum Vorort.