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... und schlimmstenfalls blieb genug Zeit, die Pulvervorräte anzuzünden, auf daß Freund und Feind in einem Feuerblitz umkamen!

Mit seiner Öllampe leuchtete er in die Gesichter der Verschworenen. Etliche blickten mutig drein, in einigen Mienen las er dumpfen Trotz, viele waren voller Angst. Etwas mußte geschehen. Tolumnius entsann sich der Jahre als Centurio und

schwang sich auf einen Stein. »Untätigkeit lähmt die Kraft. Verteilen wir die Aufgaben, Brüder! Einer von uns am besten du! geht zurück und bespäht die Römer durch die Felsspalten.« Er wandte sich zu einer Nische und holte eine Papyrusrolle heraus. »Da, der Plan der Höhle. Wie ihr seht, ist ein großer Teil unerforscht mir fehlte die Zeit. Ich wette, mancher Gang endet im Freien. Wir sollten zu dritt oder zu viert...«

Im Laufschritt kehrte der Bursche vom Eingang zurück. »Sie haben die Maultiere zusammengetrieben und folgen den Fußspuren in der Kluft. Ich hörte einen Offizier den Soldaten erklären, sie müßten in jeden Felsritz sehen, weil in diesem Labyrinth Banditen versteckt seien...«

»Selber Banditen!« murmelte jemand.

»Der Eingang ist zuverlässig getarnt«, sagte Tolumnius ruhig. »Kehre auf deinen Posten zurück! Wir prüfen die Stollen.«

Unausgesprochen der Feigheit bezichtigt, senkte der Bursche den Blick. Hastig drehte er sich um, trat auf dem unebenen Höhlenboden fehl, strauchelte und haschte nach einem Halt. Dabei riß seine Hand eine Fackel aus der Wandfuge.

Das brennende Holz polterte auf einen prallgefüllten Sack.

»Nein!« brachte Gratha hervor.

Mit einem Schreckensruf stürzte sich Tolumnius auf das Feuer. Doch er kam zu spät.

Eine Feuerwand schoß hoch, glühende Fetzen flogen umher, beißender schwarzer Qualm füllte den Raum. Alsbald flackerte es unheildrohend in der Felsspalte, wo der aufgestapelte Pulvervorrat lag einige Lunten hatten sich entzündet... Eine weißgelbe Stichflamme zerschnitt die Dunkelheit, furchtbar donnerte dieDetonation. Eine Druckwelle ließ das Gewölbe wanken. Risse klafften, ein Steinregen ergoß sich auf die Menschen. Krachend barsten Pfeiler und Decken und brachen prasselnd zusammen; und abermals blitzte es auf, neue Lawinen polterten.

Ein Riß durchzog die zehn Schritt dicke Zwischenwand; Wasser rann, quoll, sprudelte heraus, erweiterte den Spalt und dann ergoß sich der Bach in die Höhle, füllte sie rasch und stürzte schließlich in jenes schwarze, warme Loch, dem glühenden Herzen des schlafenden Berges entgegen.

»Gib acht, Tillia. Wenn dein Adoptivvater sieht, daß du handbreit neben mir auf ein und demselben Feldstein sitzt, schickt er dich unverzüglich ins Haus!«

Servianus blickte lächelnd zum Vesuv hinüber, nur selten bedachte er die Straße nach Neapolis vor ihnen mit einem Blick. Sie saßen auf einem Hügel vor dem Ortseingang, mühelos waren das Gut des Cornelius Lentulus und die Abzweigung zu sehen.

Es hatte sich ein wenig abgekühlt, seitdem der Nordwind von Capua her wehte, den Himmel leerblies und den Staubdunst vertrieb; frischer atmete sich die Luft, als wäre sie neu.

»Onkel Tolumnius war gestern abend zu einem alten Kameraden zum Umtrunk geladen. So bald kommt er nicht zurück.«

»Äußerst begreiflich«, meinte der Römer schmunzelnd. Nichts in seiner Miene verriet, daß er es besser wußte. Tolumnius war im Bergwald zur Nacht geblieben. Doch wo und warum? Wenn er das herausbekäme! Womöglich war es schon zu spät.

Früh am Morgen hatte ein großer Trupp Soldaten aus Atella den Vicus passiert. Gruppenweise schwenkten sie von der Neapolitaner Straße ab und drangen ins Vorland des Vesuvs ein.

Sie würden unterwegs Tolumnius aufgreifen. Konnte er sich rechtfertigen? Es wäre zu wünschen, auch um seiner selbst willen. Denn wozu diente die Aktion? Und warum hatte niemand ihn unterrichtet? War dies das Mehrwissen des Präfekten? Unlogisch es sei denn, Sulpicius Verus wollte ihn hinterher als Sympathisanten der Söhne des Feuers opfern. Zuzutrauen war ihm das.

Er, Servianus, vermochte nichts auszurichten. Die Feldoffiziere würden seiner Warnung vor einer neuen Waffe keinen Glauben schenken, ihn nicht einmal anhören, geschweige denn ihm gehorchen zumal er keine genauen Angaben machen konnte. Überdies stand dahin, ob man die Rebellen nicht zu Recht verhaftete... Wie dem auch sei, vom Gesichtspunkt des Kaiserlichen Geheimbüros war seine Mission abgeschlossen. Der stets erfolgreiche Servianus würde erfolglos heimkehren. Ob ihm seine erste Niederlage Nachteile bescherte?

Eine Zeitlang in ihren Reihen, und ich hätte herausbekommen, ob die Söhne des Feuers einer weitsichtigen Planung zugänglich sind. Doch jetzt ist es zu spät.

»Kannst du noch lange hierbleiben?« fragte Tillia. Es klang allzu beiläufig. »Du sprachst von einer Dienstreise...«

»Spätestens übermorgen kehre ich heim. Ob dort bereits meine Entlassung wartet die Götter wissen es.«

In Wirklichkeit hätte er den, nächsten Tolumnius überprüfen sollen, einen Schuhmacher in Pompeji. Doch angesichts des Geschehenen würde er unterwegs verschwinden und auf eigene Faust ermitteln, was Sulpicius Verus gegen ihn unternahm. Hinterher konnte er die Resultate dem ihm gewogenen Kaiser Titus Flavius vorlegen oder aber auf Nimmerwiederkehr davongehen, unter anderem Namen in eine ferne Provinz. Nur Tillia...

»Fandest du bisher keine Arbeit?«

»Arbeitsstellen gäbe es genug, Gutsschreiber oder so etwas.«

Der Einfall kam plötzlich. Angenommen, es gelang ihm, Tolumnius zu verbergen; wie, wenn dieser eine neue Geheimorganisation gründete zukunftsträchtig und damit für ihn akzeptabel? Dem ehemaligen Centurio traute er es jedenfalls als

erstem zu. Dann wäre sein Platz bei ihm, um Erfahrung im Metier und die bisweilen notwendige Gewissenlosigkeit einzubringen.

»Ich möchte meine Zeit nicht verplempern, darum ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«

»Daß du bei deinen Kenntnissen nicht einfacher Gutsschreiber sein willst, sehe ich ein. Aber du mußt doch mehr wissen als das, was du nicht tun willst.« Tillia lächelte. »So ungefähr sagte es Onkel Tolumnius gestern.«

Servianus zuckte zusammen. Bei den Göttern! Fiel sein Vorwurf so auf ihn zurück? Berechtigt war es, ihm das zu sagen. Er hatte dies und das verworfen und also verraten. Aber wonach er strebte, war ihm kaum mehr als ein Schemen.

Gerechtigkeit eine Phrase, wenn man nicht präzisierte: wie, für wen und mit welchen Grenzen! Er hatte es nie bis ins einzelne durchdacht. Aber andere, ebenso zukunftsblind, waren auf Grund seiner Berichte verurteilt worden! Gleich heute würde er...

Fernes Grummeln hallte herüber wie das Krachen eines zusammenstürzenden Hauses. Ein Gewitter? Nein, der Himmel leuchtete klar.

»Wenn man mich hinauswirft, komme ich zurück«, sagte Servianus obenhin.

»Es wäre schön.« Tillia wandte ihren Blick rasch ab; sie hatte zuviel ausgesprochen, ein Mädchen durfte das nicht tun.

Erstmals wußte Servianus nichts zu sagen. Er blickte sie an. Sollte wahr werden, was er längst abgeschrieben hatte? Er, vielfacher Mörder und...

Urplötzlich malte sich tiefster Schrecken auf ihrem Gesicht ab. Sie preßte die Hand vor den Mund.

Zu jeder Minute seines Lebens auf der Hut, sprang Servianus auf, die Hand schon am Dolch. Was sich aber seinem Blick

darbot, ließ ihn die Waffe vergessen und entsetzt auf den Vesuv starren.

Aus dem Kegelgipfel stieg eine schwarz und gelb geflammte Säule empor, wuchs und weitete sich in erschreckender Lautlosigkeit. Allmählich nahm das Gebilde die Gestalt eines gezackten Kelchs, eines Pilzes, dann die einer windzerzausten Pinie an, Punkte mit Rauchspuren lösten sich von der Masse und flogen weit ins Land.

Dumpfes Grollen und Donnern zerriß die Stille, anders und viel lauter als vorhin. Ein Zittern durchlief den Erdboden, so daß es ihnen schwindelte; Geräusche wie Knistern und Bersten folgten, in ihrer Unerklärbarkeit dreifach drohend.