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Olaf hatte bisher geschwiegen. »Einen Moment!« sagte er jetzt rauh. »Die Untersuchung darf einfach nicht abgeschlossen werden. Diese... Clique von anderswoher ist doch eine Gefahr!«

»Vielleicht.« Putze zuckte die Achseln. »Ich hörte aber, daß die Wahrscheinlichkeit, daß sich dergleichen wiederholt, so gering ist wie die, unterm Straßenpflaster einen Diamanten zu finden.«

»Gehen wir nicht von einer falschen Voraussetzung aus?« fragte Edith. »Ich glaube, die... die da sind gar nicht böse. Als Agnes zu verhungern drohte, haben sie dafür gesorgt, daß du ihr zu Hilfe kamst. Außerdem haben sie nichts unternommen und sie hätten es sicherlich gekonnt als dein Taschentuch die Tür offenhielt.«

Da niemand ihr antwortete, bot sie Kaffee an und schenkte nach. »Auf den ersten Blick haben sie etwas Schlimmes getan. Aber es ist gut ausgegangen.«

»Wie wenn unsereiner einen Frosch aufpustet oder einem Käfer die Beine ausreißt, das ist es, was sie mit uns tun«, sagte Olaf grollend. »Und darum sage ich, die machen weiter, um uns zu quälen. Grausam und gewissenlos!«

»Selbst wenn Sie recht hätten, selbst wenn gerade unsere Parallelwelt demnächst wieder getroffen wird wir können nichts unternehmen. Unsere Arme sind zu kurz. Ich rede nur für meinen Beruf: Fakten, Spuren, Indizien; nichts davon haben wir. Die Forscher... Großer Gott, die haben auch bloß Theorien und streiten sich um die Nuancen des Wortes >Wunder<!«

»Aber falls die Leute, wie Olaf meint, es noch mal versuchen müßte dann nicht die Polizei eingreifen?«

Putze lachte auf, bitter, wie mir schien. »Und neben jede Tür einen Posten stellen, nur weil sich dahinter vielleicht! der Zugang zum Labyrinth befindet?

Umgekehrt! Meines Erachtens wird durch den Rummel, den die Presse darum veranstaltet hat, der Sachverhalt noch auf Jahre hinaus so bekannt sein; daß eine Wiederholung unmöglich ist. Wem es zustieße, der würde sich erinnern, zurückzukken, würde nachdenken und Alarm schlagen.«

»Olaf, hat dich der Garten abgeschreckt?«

»Eher angelockt. Die Neugier, die betörende Atmosphäre, der wunderbare bittersüße Duft...«

»Ob er womöglich die Urteilsfähigkeit beeinträchtigt? Und wenn man wieder zu sich kommt, ist die Tür zu.«

»Richtig, Doktor, leider. Seien Sie überzeugt, daß man in der Sektion derselben Ansicht ist. Aber sollen wir in endloser Alarmbereitschaft leben, ohne zu wissen, ob und wo ein Einsatz notwendig ist? Es würde ohnehin bald in Routine übergehen.«

»Wenn Kinder, wie damals Agnes, Verstecken oder Haschen spielen, begreifen sie aber viel zu spät, wohin sie gelangt sind«, murmelte Edith. »Jedenfalls, Agnes muß zur Ruhe kommen, das ist wichtig.«

»Wird sie. Die Wahrscheinlichkeit steht auf ihrer, auf unserer Seite. Unabhängig davon laufen die Forschungen weiter, aber unter der Oberfläche. Manche Entdeckung braucht Jahrzehnte. Denken Sie an die gesteuerte Kernfusion oder an den Krebs; der fällt ja in Ihr Ressort. Mir scheint, die Forschungswege zu jenem Serum glichen ebenso einem Labyrinth.« Kein schönes Bild. Ich verzog den Mund.

»Die Bedrohung muß beseitigt werden!«

»Olaf, die Tunnel sind keine Bedrohung! Man hat sie nur mißbraucht. Jeder weiß, daß Raupenschlepper und Kampfpanzer Brüder sind. Nein, die Tunnel bedeuten...« Edith schaute mich fragend an. »Wie heißt es in deinen Büchern? Tunnel durch Raum und Zeit zu anderen Welten. Was könnte man daraus machen!«

»Vorerst hat man eine Horrorszene daraus gemacht!« murrte Olaf.

Es grummelte. Ein Schatten huschte über die Fenster. Wir sahen auf. Eine gewittergraue Wolkenwand schob sich vor die müde Nachmittagssonne. Ich knipste die Stehlampe an.

Ich hatte mich noch nicht gesetzt, als es klingelte. Die Kinder?

Sie waren es, atemlos, verschwitzt und staubig; ich dirigierte sie ins Bad.

Der Plausch war damit zu Ende. Weder unsere Sprößlinge noch Olafs Adoptivtochter sollten diesem Thema zuhören; gerade Agnes nicht.

Putze erhob sich als erster. Edith stellte das Geschirr zusammen. Wir traten auf den Balkon, die Kinder sammelten sich hinter uns.

Der Himmel verdunkelte sich, ein Windstoß fegte durch die Straße, trocken und heiß. Plötzlich blendete uns ein gleißender Blitz, ein betäubender Donnerschlag ließ uns zusammenfahren.

Die Scheiben klirrten, im Gläserschrank klangen die Kelche.

Etwas vibrierte in meiner Erinnerung. Wo hatte ich das schon einmal...

»Baba!« Agnes klammerte sich an Olaf. »I hab solche Angscht!« Ihr Gesicht war bleich, sie zitterte.

»Brauchst du nicht, mein Kleines. Ist doch nichts geschehen.« Er strich ihr über das rotbraune Haar. »Sei ganz ruhig. Es ist nur ein Gewitter.«

Da wand sie sich aus seinem Arm. »Mei Bärle«, rief sie, »auf dem Balkon! Es wird ja naß! Gibscht mer de Schlüssel, Baba?«

Der erste Regen prasselte herab, von den Böen hereingedrückt. Ich trat von der Balkontür ins Zimmer zurück, um ihr Platz zu machen. Olaf suchte in der Jackentasche, fand das Bund und gab es dem Mädchen.

Ich blickte ihr nach. Im Korridor war es jetzt dunkel, und Agnes tastete nicht nach dem Lichtschalter. Hoffentlich stieß sie sich nicht an der Kommodenkante!

Aber die Kommode... Warum sah ich die Kommode nicht? Schon schwang die Zimmertür wieder zu.

Begriffen hatte ich nichts, aber ich riß blind das nächste Sofakissen an mich und schleuderte es hinterher. Es klatschte gegen den Türrahmen und blieb im Winkel auf der Schwelle liegen. Die Tür prallte dagegen und blieb offen.

»Was ist denn?«

»Doktor?!«

Ich sprang vor, daß die Kaffeetassen schepperten, war an der Tür, riß sie auf. Schon kam mir Agnes entgegen, atemlos, graues Entsetzen im Gesicht.

»Dees war jo... Dees ischjo... Baba!«

»Der Tunnel!«

Plötzlich stand Putze neben mir, das Jackett offen, so daß ich das Halfter seiner Dienstpistole sah. Er zog Agnes hinter sich, sie lief zu Olaf.

Wir starrten dahin, wo unser Flur sein mußte mußte! -, und blickten in einen düsteren Gang. Weder Stufen noch Staub noch Winkel, so weit der Blick reichte, dennoch bestand kein Zweifel. Der Anfang eines Labyrinths erregender Entdeckungen...

»Da, die teuflischen Schnappriegel!«

Olafs Ruf weckte mich, ich trat zurück. Die Rückseite unserer Zimmertür schimmerte wider jede Vernunft in altem Stahl.

»Doktor, haben Sie einen Schnaps da?« murmelte der Leutnant heiser. »Es ist gegen die Vorschrift, aber das... Die Leute an den Steuerpulten wollten die gefährliche Zeugin wegfangen. Obwohl wir sie bisher ohne Ergebnis ausgefragt hatten, muß sie etwas wissen oder gesehen haben, was uns auf die Spur geführt hätte. Warten Sie. Nachher.« Er griff zum Telefon, wählte. »Hier Leutnant Putze, bitte den Dienststellenleiter. Ja, Putze hier. Kennwort Labyrinth! Ich brauche das Einsatzkommando und einen Gerätezug der Feuerwehr... Ja, eben. Wir haben sie! Und geben Sie Bescheid, daß alle Einheiten vor dem Haus stehenbleiben. Ich weise sie vom Balkon aus ein. Wie? Bei Doktor Wühler, ja, dort ist die Tür aufgegangen.«

MORGEN?

Mein Lied

1

»... und der Angeklagte Thomas DeVito ist somit unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.«

Was der Richter anschließend darlegte, nahm ich kaum mehr wahr. Laut war mein erleichtertes Aufatmen, die Zuschauer tuschelten. Der District Attorney musterte mich resigniert, mein Rechtsanwalt legte mir die Hand auf die Schulter.

Geschafft! Das Honorar für den gewieften Verteidiger hatte sich ausgezahlt. Er zerpflückte Argumente und Beweise der Anklage zu einem Gestrüpp fragwürdiger Vermutungen und Zufalle. Mein Vermögen, auch in großer Bedrängnis ein vertrauenerweckendes Gesicht zu wahren, mochte ebenfalls dazu beigetragen haben. Aber ich wollte den Richter und die Geschworenen lieber nicht danach fragen.