Выбрать главу

Indes das Bild war grauenhaft. Ihre goldblonden Locken verdeckten das Gesicht; vielleicht hatten auch nur mitleidige Hände sie darübergelegt. Der metallfarbene Rock blitzte flekkig. Trümmerstücke bedeckten sie, und ein Stahlteil war ihr tief in die Brust gedrungen.

»Aber Sie haben sie doch...«

»Wie immer. Wir warten ab.«

Es verschlug mir die Sprache. Worauf denn noch warten? Bis sie tot war? War er verrückt geworden, oder träumte ich?

»Schauen Sie sich das an«, bemerkte er, »eine Operation würde nicht ausreichen. Aufwand und Nutzen gegeneinander abgewogen ich weiß nicht...«

Das Foto, auf das er deutete zeigte ihren Kopf von hinten; ich wußte, das geschieht nur, wenn Chancen bestehen, den Verletzten zu retten. Der Schädel war geöffnet: eine sauber ausgeführte Trennung durch den Arzt. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Ja... aber...!

Entsetzt starrte ich auf neuroelektrische Schaltkreise im Schädel und auf die Neuralfaden, die zu einem dreistufigen Direktor führten...

Ich sank auf die Kissen. Ein dreistufiger...

Ein schwarzes Meer schlug über mir zusammen.

Als ich wieder zu mir kam, saß der Arzt neben meinem Bett. Sein Blick hatte sich verändert, er schaute mich prüfend an, vielleicht auch mitleidig.

»Überlegen Sie es sich gut!« sagte er. »Wenn Ihnen an der Kleinen wirklich etwas liegt... ich meine, wenn Sie sie brauchen, verstehen Sie... In diesem Fall würden wir sie operieren. Aber bedenken Sie bitte auch unsere Sicht der Dinge: Die Operation kommt Sie teurer zu stehen als ein neuer Serienrobot sogar erheblich teurer. Und vielleicht bleiben auch kleine Narben im Gesicht und am Körper zurück... Natürlich, sofern Ihnen daran gelegen ist, wir hätten Mittel dagegen aber sie ist doch kein Mensch. Wozu der Aufwand?«

»Wo ist sie jetzt?« flüsterte ich.

»Im Kühlhaus, aber Sie können nicht hin. Bedenken Sie bitte alles, und entscheiden Sie... Ach ja, es gab schon einige solche Fälle. Immer waren die Leute vernünftig und verzichteten auf die Wiederherstellung.«

Er ging, und nun liege ich hier und denke nach.

Der Arzt hätte die Frage auch anders stellen können. Etwa so: Wollen Sie gar einen Robot heiraten? Sie sind wohl nicht recht gescheit! Nett, daß er es nicht so deutlich sagte, aber damit hat er mir die Entscheidung gewiß nicht erleichtert.

Also Cora ist kein Mensch. Damit muß ich erst mal fertig werden. Merkwürdig dennoch: Sie war doch ganz so wie andere Mädchen auch! Wenn ich in einem Vierteljahr nicht mal Verdacht schöpfte; wo doch gerade ich viel mit Neurohirnen zu

tun habe! Ich hätte es als erster sehen müssen. Aber da war nichts. Oder doch?

An und für sich ist das Problem einfach... Unsinn, ganz und gar nicht einfach, es ist höchst kompliziert. Sage ich nein, herrscht Ruhe; niemand wird ein Wort darüber verlieren. Sage ich ja... so kann es nicht sein. So kann man die Dinge nicht betrachten! Es geht um völlig andere Fragen. Was hat mir Cora bedeutet? Kann sie mir überhaupt etwas bedeuten? Was soll ich darauf antworten? Darüber wurden ganze Romane geschrieben... Und ich soll hier und jetzt eine Entscheidung fallen?

Was sie mir bedeutet hat, ist eigentlich klar. Nein wirklich? Hatte ich denn jemals versucht, ernsthaft darüber nachzudenken? Ich habe doch genaugenommen alles gehenlassen, wie es eben kam. Und jetzt, wo ich weiß, wer... nein, was sie ist, soll ich so tun, als wüßte ich über mich selbst bestens Bescheid? Als besäße ich ein Recht, über sie zu entscheiden, ein Urteil über Leben und Tod zu sprechen? Denn sie war doch lebendig wie nur irgendein... War sie es wirklich? Rede ich mir das nicht einfach ein, weil es bequemer ist?

Nein, ich glaube, ich muß noch einmal anfangen. Vorn anfangen, ganz am Anfang...

Alles begann wohl damit, daß ich damals umziehen mußte. Ich weiß nicht einmal genau, wie es dazu kam, aber das ist ja nicht wichtig. Jedenfalls wies man mir eine Wohnung in einer älteren Villa zu. Sie war nicht eben groß, aber ein Junggeselle stellt keine höheren Ansprüche an Wohnkomfort.

Eine Generalüberholung hätte dem nicht mehr jungen Haus gutgetan. Im Erdgeschoß wohnte dem Vernehmen nach ein schrulliger Wissenschaftler mit seiner Tochter; die erste Etage

sie war wesentlich kleiner gehörte sozusagen mir. Darüber kam dann nur noch das Dach.

Die Scherereien mit dem Umzug waren noch in vollem Gange, als ich zufällig auf den Stromzähler schaute, der neben meinem Energieverbrauch auch den meines Untermieters auswies. Ich stutzte, denn der Verbrauch entsprach dem einer mittleren Werkstatt. Was stellte der Herr Wilton denn da alles an?

Am nächsten Vormittag klingelte ich ich wollte mich vorstellen, ihn auch ein wenig kennenlemen -, aber niemand öffnete, obwohl das Summen verschiedener Maschinen auf seine Anwesenheit hindeutete. Nun, wenn er keine Zeit hatte, ich fiel ihm nicht lästig.

Einige Abende später saß ich vor dem Fernseher und verfolgte eine Bildübertragung von den Jupitermonden. Die Bildqualität war ausgesprochen schlecht. An den Sendern oder dem Empfänger konnte es schwerlich liegen in meiner alten Wohnung hatte ich erstklassige Bilder gesehen. Also lag die Störquelle hier im Haus! Wie es aussah, waren nicht abgeschirmte Hochfrequenz Schalter schuld. Der Wissenschaftler könnte das eigentlich wissen.

Es klingelte, ich fuhr unwillkürlich zusammen. Wer wollte denn etwas von mir? Und gerade jetzt? So gute Freunde hatte ich gar nicht, daß sie mich besuchen würden. Außerdem war ich auf nichts weniger vorbereitet als auf Gäste.

Eine junge Dame stand vor der Tür.

»Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun? Mein Name ist Hansen.«

»Wilton, Cora Wilton«, gab sie zurück. »Ich bin die Tochter...« Sie deutete mit der Hand nach unten, und ich begriff. Das also war das Mädchen, von dem ich in den umliegenden Geschäften schon manches gehört hatte. Aha!

»Und was kann ich für Sie tun? Kommen Sie doch bitte herein.«

»Vielen Dank, nein. Ich möchte Sie lediglich um eine Gefälligkeit bitten. Sie sind doch Elektroniker, nicht wahr?«

Woher mochte sie es wissen? An der Tür stand es doch nicht. Dem Augenschein nach war die Kleine bestenfalls zwanzig, und nun verstand ich auch das Getuschel. Ihre goldblonden Locken, die bis auf die Schultern fielen, und die offensichtlich nachgezogenen Brauen und Wimpern sahen ganz nach betonter Unschuld aus und die glaubt man ja am allerwenigsten.

»Könnten Sie uns helfen?« unterbrach sie meine Betrachtungen. »Meinem Vater ist eine kleine Rechenmaschine ausgefallen, und er braucht sie so dringend...«

»Mhm, ich habe freilich keine Werkzeuge hier. Und dann was für ein Rechner ist es? Von den meisten verstehe ich nicht eben viel. Und was erst die Ersatzteile angeht...«

»Es ist einer Ihrer Bekannten.« Sie lächelte bittend. »Ein >Neuraltron zweie. Offenbar ist etwas mit dem Hauptspeicher nicht in Ordnung.«

Woher wußte sie, daß ich gerade diesen Rechner sehr gut kannte? Ich hatte an der Konstruktion des Doppeldirektors mitgewirkt. Seltsamer Zufall.

»Und Werkzeug haben wir unten«, fuhr sie fort. »Sonst hilft uns immer Mr. Fairey, der Assistent meines Vaters. Er hat aber Urlaub und kommt so bald nicht wieder.«

Ich konnte dem Bitten in ihren Augen schwer widerstehen und sträubte mich nicht länger. »Gut, ich werde sehen, was man tun kann. Muß mir nur etwas anderes anziehen. Wenn Sie vielleicht solange Platz nehmen wollen?«

»Danke, ich gehe inzwischen schon hinunter. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«

Mein Interesse an der Reparatur war nicht eben groß. Konnte dieser Herr Wilton nicht bis morgen warten? Mußte es gerade jetzt sein? Damit er anschließend noch mehr... Halt! Das war

ein Weg! Ich würde mir gleich auch die Störungen ansehen. Womöglich konnte man sie ambulant beheben.