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Rabirius knetete seine Finger. »Du sagst >uns< und >wir<. Wo landeten deine Kameraden?«

»Als Pilot war ich der letzte. Sie gingen westlich nieder. Ich habe seitdem keinen wiedergesehen.«

Der Architekt blieb stumm. Daß die anderen nach menschlichem Ermessen tot waren, verschmachtet auf den endlosen Weiten des unbezwungenen Atlantiks wozu es aussprechen?

»Nach zwei schlimmen Wochen trieb mein Schlauchboot an die Küste und wurde von den Klippen zerfetzt. Meine Ausrüstung... Mir blieb fast nichts. Eine Streife eurer allgegenwärtigen 7. Legion verhaftete mich tags drauf.«

»Obwohl du Latein verstehst?«

»Vor Beginn jener Störungen waren unsere Spähschiffe oft unbemerkt hier. Alle Daten lagen in den Speichern. Auf dem Schleichkurs hierher erlernten wir eure Sprache. Es war vorgesehen, im Imperium zu landen so kam es, daß man mich nicht tötete. Wenigstens nicht gleich.«

Salmo starrte in den Becher. Hilfe? Was sollte ein Notgelandeter für einen anderen Notgelandeten tun können als ihn bedauern? Immerhin Rabirius hatte sich wegen seiner physischen Ähnlichkeit tarnen können. Ein glücklicher Zufall für den Leidensgefährten, gerade in diese Welt verschlagen zu sein. Doch ein klein wenig Glück hatte auch er gehabt. Wäre er eher katapultiert worden... Hätte man ihn nicht nach Äliacum verkauft... Nun besaß er wenigstens eine Chance, sein Leben zu fristen. Hilfe von daheim? Man hatte nicht mehr hyperfunken können; daheim wurde erst Alarm gegeben, wenn die Frist verstrichen oder das Lichtsignal zur nächsten Transit-Boje gekommen war. Nach dem Unglück dürften die Seinen noch vorsichtiger in diesem Sektor operieren. Einen verschollenen Astronauten auf einer bewohnten Welt entdecken? Er stand allein. Fast allein.

Er wechselte das Thema. »Und woher kommst du? Ich kenne keinen besiedelten Planeten mit solchen Wesen außer diesem. Von welchem Stern stammst du?«

»Von ebendiesem, ferner Freund.«

»Von...?« Zum zweitenmal blickte Salmo ihn betroffen an. Hatte er richtig gehört?

»Exakt so. Ich bin ein Bewohner dieser Welt... zufällig sogar dieses Landes«, erläuterte Rabirius mit gedämpfter Stimme. »Im Unterschied zu dir komme ich aus einer anderen Zeit. Ich werde erst in gut zweitausend Jahren geboren werden.

Als ich zehn war, entdeckten Wissenschaftler den Weg in die Vergangenheit. Die Zeitreise ist teuer und an tausend Bedingungen geknüpft, aber sie ist möglich. Es wundert uns selbst. Seither kundschaften Experten die Geschichte aus immens vorsichtig, versteht sich, um nur ja nichts zu verändern und dadurch Schaden zu stiften. Wir haben gelernt, daß nahe Erfolge manchmal ferne Katastrophen sind.

Von Äliacum wußten wir fast nichts, nur daß der Aquädukt unter Leitung des Baumeisters Servius Rabirius errichtet worden sei. Andererseits ermittelten Archäologen anhand eines Grabes in den Alpen dessen Unfalltod. Dieser chronologische Konflikt war die Chance man schleuste mich unter der Maske dieses Architekten ein.

Meine Hauptaufgabe erscheint ungereimt: Beschaffung der Literatur dieser Epoche. Meine Zeit verfügt oft nur über verfälschte Relikte. Wenn ich bloß die gängigen Buchrollen mitnehme, ist der Nutzen immens. Noch ist unsere Arbeit ein Tasten im Nebel; ich liefere das, was meine Zeit maximal wissen kann: die absolute Basis. In Rom wäre das zwar leichter, hingegen schwerer, einen Einstieg in die Fremdzeit zu finden deshalb nutze ich das Grab in den Alpen. Natürlich, da ich hier bin, registriere ich Details, die wir sonst nie so exakt erfuhren die tausend Beziehungen im Leben eines römischen Provinzstädtchens. Mein Report und die Auswertung der erworbenen Literatur legt den nächsten Rom-Einsatz fest; es soll sich ein Weg abzeichnen, einen Arzt nach Ravenna zu schmuggeln. So ist jedenfalls das Projekt... Dich hier zu treffen, hatte ich nicht erwartet.«

»Ein Zeitreisender...« Salmos Stimme bebte vor unterdrückter Hoffnung. »Dann ist alles gut. Deine Zeit kann mir helfen!«

Rabirius sprang auf und schritt nervös auf und ab: »Vorsicht! Zum einen: Wir wissen nichts von deiner Welt. Warum kamen die Deinen zweitausend Jahre lang nicht hierher? Die Navigationsstörungen haben sich anscheinend verstärkt. Dann: Unsere Photonenschiffe erreichen noch nicht einmal die nächstgelegene Sonne. Falls deine Heimat weit entfernt ist...«

»Fast drei Maximal-Transitsprünge. Zweitausendundachtzig Lichtjahre.«

»Für uns unvorstellbar! Zwei Lichtjahre wäre mehr als das Äußerste. Und ein Drittes, Salmo: Die Zeitreise muß exakt

vorbereitet werden, um weder in der verkehrten Epoche noch am falschen Ort zu landen und Folgen auszulösen. Das dauert lange.«

»Wie die Navigation vor einem Transitsprung.«

»Vermutlich. Wir tasteten uns schrittweise in die Vergangenheit vor. Bis jetzt reicht meine Mission am weitesten zurück. Zwei Jahre lang hat man sie mit Leertests vorbereitet, und vor vierzehn Monaten landete Jose Alban in den Westalpen, wo der richtige Rabirius tödlich verunglückt war, und ersetzte ihn...«

Salmos Augen verfärbten sich jäh. »Vierzehn eurer Monate?!«

»Exakt, warum?«

»Vor gut drei Jahren traten die ersten Störungen des Raumgefüges auf, vor vierzehn Monaten traf die Schockwelle mein

Schiff.«

Rabirius, kalkweiß, sank auf die Bank. Er rang nach Atem. Bleierne Stille füllte das Gemach.

Wie hing das zusammen? Wann, warum und wo? Das mußte untersucht werden. Doch er war kein Feldphysiker. In die Zukunft mit Salmo!

»Ich fürchte für unsere Zeitreise«, murmelte Rabirius und fügte laut hinzu: »Heute abend benachrichtige ich das Kontrollzentrum. Man wird das Menschenmögliche tun. Sobald deine Daten erfaßt sind, katapultiert man dich in meine Epoche. Aber das benötigt wenigstens eine Woche. Ich bin natürlich Tag und Nacht für dich erreichbar. Lydia und Astris sage ich Bescheid, damit sie mich notfalls wecken. Berufe dich ruhig auf mich. Das Wort des Architekten wiegt schwer.«

Salmos Augen waren schwarz wie die mondlose Nacht. Seufzend richtete er sich auf. »Ich bleibe nicht hier?«

»Geduld! In den nächsten Tagen arrangiere ich das. Mir fehlt ein Vorwand. Crusius und Faustus mögen mich nicht.«

Der Fremde seufzte abermals und wandte sich dem Ausgang zu. Seine verkrümmten Schultern hingen tiefer als zuvor.

Sonnabend

Das Tal von Äliacum bot vom Osthang ein eigentümliches Bild. Nebelschwaden wälzten sich wie müde Wellen über die westliche Hügelkette und schwappten ins Tal. Ein Teil floß südwärts ab, dem fernen Ebro zu, das meiste trieb über den Beobachter hinweg ins Nachbartal.

Servius Rabirius begab sich stets hier herauf, wenn er ungestört sein wollte. Die Zeit schien ihm dann zu verschwimmen, und bisweilen glaubte er, die meteorologische Station des Jahres 2094 in den Nebelwolken erscheinen zu sehen. Eine halbe Meile weiter stand das Quellwasserschloß; obgleich fertiggebaut, gehörte die Anlage bis zur Inbetriebnahme zu seinem Arbeitsbereich. Der Vorwand war perfekt.

Nun saß er auf einem Luftschachtdeckel der Grabenleitung, den Kopf auf die Fauste gestützt, die müden Augen geschlossen. Viel war geschehen, zuviel für seine Kondition. Offenbar zehrte die andauernde Maskerade stärker an den Nerven, als er wahrhaben wollte. Auch andere Zeitreisende hatten davon berichtet.

Obendrein Salmo! Der Fall hätte daheim schon Verwicklungen ausgelöst. Hier geriet er fast zur Katastrophe. Handeln, ohne alles überblicken zu können, ohne detaillierte Analysen, ohne Expertenassistenz... Wenngleich nicht ganz ohne Hilfe. Gestern nacht hatte er im Keller seine Truhe geöffnet und den Chronographen in Betrieb gesetzt. Der Apparat verknüpfte wie ein Fernschreiber die Jahrtausende. Allerdings bedurfte eine chronographische Verbindung gewisser astronomischer Konstellationen. Sie kamen unregelmäßig zustande; ein glücklicher