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»Eine Million. Und keinen Cent weniger.«

»Warum so nervös, Holländer?«, machte sich Slavín einen Spaß daraus, sein Gegenüber bis aufs Blut zu reizen, faltete die Karte zusammen und ließ sie in seinem Jackett verschwinden, unter dem sich seine schusssichere Weste abzeichnete. Dann sprang er auf das Achterdeck der Motorjacht, die neben ihm vertäut war, verschwand unter Deck und kehrte kurz darauf mit einem Aktenkoffer zurück, den er Holländer mit breitem Grinsen überreichte. »Hier – die versprochene Belohnung.«

Der ließ es sich nicht nehmen, einen Blick ins Innere zu werfen, worauf sich seine Miene spürbar aufhellte. »Freut mich, dass unsere Bemühungen zu einem glücklichen Ende gelangt sind«, verkündete er, triefend vor Ironie, vermied es allerdings, Slavín die Hand zu schütteln, was dieser mit einem maliziösen Augenaufschlag quittierte. »Bleibt mir nur noch, mich von Ihnen zu verabschieden.«

»Doswidanja, Genosse«, erwiderte Slavín, schob seine Prothese nach vorn und griff zu. »Und noch viel Spaß mit dem Geld.«

»Doswidanja«, echote Rembrandt und entwand sich Slavíns Griff, bemüht, sich seine Antipathie nicht anmerken zu lassen. »Bis zum nächsten Mal.«

»Ich fürchte, ein nächstes Mal wird es nicht geben«, versetzte sein ungewöhnlich heiter gestimmter Gegenpart, begab sich hinter das Steuer seiner Jacht und ließ den Motor laut aufheulen. Dann gab er Vollgas, vollführte eine weite scharfe Rechtskurve und raste in Richtung Pfaueninsel davon, während die Gischt mehrere Meter in die Höhe schoss.

Gerade einmal zehn Sekunden vergingen, und er wurde von dem Regenschleier, der über der Havel niederging, verschluckt.

»Na, das wär’s dann wohl gewesen«, sprach Ole Jensen und sah den ehemaligen Kriegskameraden, dessen Blick die Umgebung absuchte, auffordernd an. »Höchste Zeit, sich auf die Socken zu machen. was, Holländer?«

»Ich schon, Ole«, triumphierte Rembrandt, ein Lächeln im Gesicht, das sein Gegenüber prompt erwiderte. »Was dich betrifft, wäre ich mir da nicht so sicher.«

»Und weshalb nicht, Kamerad?«

»Deswegen!«, fuhr Rembrandt den Fragesteller an, den Geldkoffer in der linken, seine Tokarew, mit der er auf Jensens Brustkorb zielte, in der ausgestreckten rechten Hand. »Tut mir leid, Ole – aber mit Kameraden zu teilen ist nun mal keine Stärke von mir.«

»Klar, hast dich ja schließlich darauf spezialisiert, sie aus dem Weg zu räumen«, erwiderte Jensen, verschränkte die Arme vor der Brust und verzog keine Miene. Sein eisgraues Haar, das der aufkommende Wind völlig zerzaust hatte, ließ ihn noch hagerer erscheinen als sonst. »Oder sehe ich das etwa falsch?«

»Keineswegs«, stimmte ihm Rembrandt im Bewusstsein, dass sein schärfster Widersacher bald mundtot gemacht sein würde, hohnlächelnd zu. Dann richtete er die Mündung der Tokarew auf Jensens Stirn, blinzelte ihn an – und drückte ab.

Wieder und wieder, so lange, bis er begriffen hatte, dass sich keine Munition in ihr befand.

Jensen, zwischen Verachtung und Genugtuung schwankend, sah seelenruhig zu. »Wie sagtest du doch gleich, Kamerad –«, amüsierte er sich, »›schön blöd, wenn man sich eine Knarre mit leerem Magazin andrehen lässt!‹ Willkommen im Klub. Schon vergessen, dass du sie mir vorhin am Checkpoint Bravo in die Hand gedrückt hast? Verständlich, musstest dich ja schließlich ganz aufs Fahren konzentrieren.«

»So war das nicht gemeint, Jensen, lass uns noch mal in Ruhe über alles reden, dann …«

Weiter kam Rembrandt nicht, da Jensens Wehrmachtsdolch die linke Herzkammer durchbohrte. Rembrandt stand da wie versteinert, die Tokarew nach wie vor in der ausgestreckten Hand. Sekunden später, als Jensen sein Werk längst vollendet hatte, erschlaffte seine Linke, und der Koffer prallte mit einem dumpfen Schlag auf den Eichenbohlen der Anlegestelle auf. Steif wie eine Salzsäule, beschrieb Rembrandt einen Halbkreis, geriet ins Taumeln und stolperte mit ausgestreckten Armen auf das Ende des Bootssteges zu. Das einzige Geräusch, das dabei erklang, war der unstete Tritt seiner Stiefel, vermischt mit dem Heulen des Windes, der so böig war, dass er seinen Aufprall auf dem Wasser beinahe übertönte.

Etliche Minuten danach, als der Leichnam Rembrandts bereits von der Strömung erfasst und hinaus auf die stürmische Havel getrieben worden war, stand Ole Jensen weiterhin an der Stelle, wo er das Leben seines Widersachers ausgelöscht hatte. Sein Blick ging hinüber zum Grunewald, und es dauerte seine Zeit, bis er seine Gedanken geordnet hatte.

Zu guter Letzt, mit dem Gefühl, das einzig Richtige zu tun, griff Ole Jensen nach dem Koffer, holte weit aus und schleuderte ihn in die aufgewühlten Fluten der Havel.

*

In Sichtweite der Glienicker Brücke drosselte Slavín das Tempo und bog nach Steuerbord. Keine Spur von amerikanischen oder sowjetischen Posten und Grenzpatrouillen, nur allzu verständlich angesichts des Wolkenbruchs, der sich über ihm entlud. An seiner Stimmung, die ans Überhebliche grenzte, änderte dies kaum etwas. Alles lief nach Plan, und nichts, aber auch rein gar nichts deutete darauf hin, dass sich dies in nächster Zeit ändern würde.

Eine Einschätzung, die beim Auftauchen des Flugbootes vom Typ Berijew R-1, dem Stolz seiner sowjetischen Konstrukteure, weiter genährt wurde. Es war das erste mit Strahltriebwerken ausgestattete Flugboot der Welt, fast 800 Stundenkilometer schnell und der Konkurrenz aus den USA haushoch überlegen. Seine Reichweite betrug 2.000 Kilometer, mehr als genug, um es bis nach Odessa zu schaffen, wo er auf der Stelle untertauchen, sich mithilfe diverser Kontakte und seiner märchenhaften Beute eine neue Identität zulegen und anschließend von der Bildfläche verschwinden würde. Slavín lachte zufrieden in sich hinein. Mit einer Million Dollar im Gepäck wird es sich bestimmt gut leben lassen!, frohlockte er im Stillen,, und während das Flugboot circa einen halben Kilometer entfernt von ihm auf dem Jungfernsee aufsetzte, wurde der ehemalige NKWD-Offizier, dem Gefühlsregungen an sich suspekt waren, von überbordender Euphorie gepackt. Ein paar Minuten noch und er hätte für alle Zeiten ausgesorgt. Dann endlich würde er ein Leben führen, wie er es sich immer gewünscht hatte, aller Sorgen und eines gewissen Besuchow, der vermutlich vor Wut schäumen würde, ein für alle Mal ledig. Dafür würde allein die Karte mit dem Versteck des Bernsteinzimmers sorgen, aus der er zu gegebener Zeit Kapital zu schlagen gedachte.

Im Begriff, zwischen Stützschimmer und Rumpf hindurchzunavigieren, vergewisserte sich Slavín, ob sich die Frucht seiner Bemühungen auch wirklich in seinem Jackett befand. Anschließend nahm er das Gas zurück und wartete, bis sich die Motorjacht auf gleicher Höhe mit der Einstiegsluke des Flugzeugs befand. Dann warf er seinen mit einem Sicherheitsschloss versehenen Aktenkoffer in den Frachtraum und kletterte behände an Bord. Für die fast acht Meter lange, gut und gerne 100.000 Dollar teure Luxusjacht hatte er nicht einmal einen Blick übrig, schloss die Luke, nahm seinen Koffer an sich und begab sich zum Bug.

»Na, Slavín – wie steht’s?«, fragte der kleinwüchsige Georgier, Kontaktmann, Pilot und Logistiker in einer Person, als Slavín die Cockpittür öffnete und sich auf dem Platz des Kopiloten breitmachte. »Sieht so aus, als hättest du Erfolg gehabt.«

»Kann man so sagen«, beantwortete der Angesprochene die Frage, auf die er bei anderer Gelegenheit höchst unwirsch reagiert hätte. »Grund genug, mal wieder ordentlich einen zu heben, findest du nicht auch, Sasa?«

»An mir soll’s nicht liegen, Wassili«, lachte der schmuddelig gekleidete Pilot, der kaum über das Armaturenbrett hinausreichte, und ließ den Blick über die Instrumententafel gleiten. »Dann wollen wir mal, oder?«