Выбрать главу

»Ja, klar«, stimmte Jessica widerwillig zu, und ich hatte das Gefühl, dass sie den Doktor und seine Frau aus irgendeinem Grund nicht mochte. Den Blicken nach zu urteilen, die sie den vieren am Tisch zuwarf, war es Eifersucht. »Aber ich glaub, Mrs Cullen kann selber keine Kinder bekommen«, fügte sie hinzu, als wäre es deshalb weniger wert.

Währenddessen huschte mein Blick immer wieder zu dieser sonderbaren Familie.

Sie betrachteten weiter die Wand und aßen nichts.

»Wohnen sie schon immer in Forks?«, fragte ich. Ich war mir sicher, dass sie mir in einem meiner Sommer hier aufgefallen wären.

»Nein«, sagte sie in einem Tonfall, als müsste das selbst einem Neuankömmling wie mir klar sein. »Sie sind erst vor zwei Jahren hergezogen, von irgendwo in Alaska.«

Ich spürte Mitleid in mir aufsteigen. Und Erleichterung. Mitleid, weil sie, Schönheit hin oder her, Außenseiter waren und spürbar nicht akzeptiert wurden. Erleichterung, weil ich nicht der einzige Neuling war und – nach allen denkbaren Maßstäben – ganz sicher nicht der interessanteste.

Während ich sie musterte, schaute der Jüngste, einer der Cullens, plötzlich auf und begegnete meinem Blick, dieses Mal mit spürbarer Neugierde. Ich schaute augenblicklich weg, doch es kam mir so vor, als hätte ich in seinem Blick eine Art unbefriedigter Erwartung gesehen.

»Wer ist der Junge mit den rötlich braunen Haaren?«, fragte ich. Ich lugte aus den Augenwinkeln zu ihm rüber und sah, dass er mich immer noch anschaute – allerdings gaffte er nicht wie die anderen Schüler, sondern hatte eher einen leicht frustrierten Ausdruck. Erneut senkte ich meinen Blick.

»Das ist Edward. Er ist supersüß, klar, aber mach dir keine Hoffnungen. Er ist an Mädchen nicht interessiert, zumindest nicht an den Mädchen hier. Scheinbar ist ihm keines hübsch genug.« Sie rümpfte die Nase – ein klarer Fall von verletzter Eitelkeit.

Ich fragte mich, wie lange es wohl her war, seit sie abgeblitzt war.

Ich biss mir auf die Lippen, um mein Lächeln zu verbergen. Dann wagte ich einen weiteren Blick. Sein Gesicht war abgewandt, aber es sah so aus, als zuckte seine Wange ein wenig – als müsste er ebenfalls lachen.

Ein paar Minuten später standen die vier gemeinsam auf und gingen. Ihre Bewegungen waren auffallend elegant, selbst die des großen, kräftigen Jungen. Ein verstörender Anblick. Der, dessen Name Edward war, schaute nicht mehr zu mir.

Ich blieb länger sitzen, als ich es getan hätte, wenn ich allein gewesen wäre. Ich wollte am ersten Tag auf keinen Fall zu spät zum Unterricht kommen. Eine meiner neuen Bekannten, die mich netterweise daran erinnerte, dass sie Angela hieß, hatte als Nächstes gemeinsam mit mir Biologie II. Schweigend liefen wir zum Klassenzimmer. Sie war auch schüchtern.

Als wir den Raum betraten, ging Angela zu einem der schwarz beschichteten Labortische, die ich von zu Hause kannte, und setzte sich neben einen Jungen. Auch alle anderen Tische waren schon voll besetzt, bis auf einen. Am Mittelgang, gut erkennbar an seiner ungewöhnlichen Haarfarbe, saß Edward Cullen, und neben ihm war der einzige freie Platz.

Während ich durch den Gang nach vorne ging, um mich beim Lehrer vorzustellen und seine Unterschrift abzuholen, beobachtete ich ihn heimlich. Dann, als ich direkt neben ihm war, zuckte er zusammen und versteifte sich auf seinem Stuhl. Wieder schaute er mich an, dieses Mal mit einem seltsam feindseligen, wütenden Ausdruck. Erschrocken schaute ich weg und wurde schon wieder rot. Ich stolperte über ein am Boden liegendes Buch und musste mich an einer Tischkante festhalten. Das Mädchen, das dort saß, kicherte.

Ich hatte die Farbe seiner Augen gesehen – sie waren schwarz. Kohlrabenschwarz.

Mr Banner unterschrieb meinen Zettel, reichte mir ein Buch und verzichtete auf den Vorstellungsquatsch. Ich hatte das Gefühl, wir würden gut miteinander klarkommen. Er hatte natürlich keine andere Möglichkeit, als mich zu dem einzigen freien Platz in der Mitte des Raumes zu schicken. Mit gesenkten Augen ging ich und setzte mich neben ihn, immer noch erschrocken von seinem feindseligen Blick.

Er schaute nicht auf, als ich meine Bücher ablegte und mich hinsetzte, doch aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass er sich von mir weglehnte, auf der äußersten Kante seines Stuhles saß und sein Gesicht abwandte, als würde es plötzlich schlecht riechen. Ich schnupperte unauffällig an meinen Haaren. Sie rochen nach meinem Lieblingsshampoo: Erdbeere – ein unschuldiger Duft, sollte man meinen. Ich ließ die Haare über meine rechte Schulter fallen und schuf so einen dunklen Vorhang zwischen uns. Dann versuchte ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

Es ging um den Aufbau von Zellen, das hatte ich schon gehabt. Trotzdem schrieb ich sorgfältig – und ohne aufzublicken – mit.

Hin und wieder jedoch hielt ich es nicht aus und warf durch den Vorhang meiner Haare einen Blick auf den eigenartigen Jungen neben mir. Während der gesamten Stunde behielt er seine steife Position auf der Stuhlkante bei und saß so weit von mir entfernt wie möglich. Ich sah, dass er die Hand auf seinem linken Oberschenkel zur Faust geballt hatte, sah die Sehnen unter seiner blassen Haut hervortreten. Nicht ein einziges Mal entspannte er sie. Er hatte die Ärmel seines weißen Hemdes bis zu den Ellbogen hochgekrempelt; sein Unterarm war überraschend hart und muskulös. Er war nicht annähernd so zierlich, wie er neben seinem bulligen Bruder gewirkt hatte.

Die Stunde schien sich länger hinzuziehen als die anderen. Lag es daran, dass ich erschöpft war vom ersten Tag in der neuen Schule? Oder war es das Warten darauf, dass sich die Anspannung seiner Faust löste? Doch es passierte nicht; er saß weiter so reglos da, als würde er nicht einmal atmen. Was hatte er bloß? War das sein übliches Verhalten? Ich war mir nicht mehr so sicher, ob mein Urteil über Jessicas verbitterte Bemerkung gerecht gewesen war. Möglicherweise lag darin weniger verletzte Eitelkeit, als ich gedacht hatte.

Mit mir konnte es jedenfalls nichts zu tun haben – er kannte mich überhaupt nicht!

Noch einmal wagte ich einen Blick in seine Richtung und bereute es sofort. Wieder funkelte er mich wütend an, wieder war der Blick seiner schwarzen Augen voller Abscheu. Ich wich so weit zurück, wie es mein Stuhl zuließ. Wenn Blicke töten könnten, schoss es mir durch den Kopf.

In diesem Moment passierten zwei Dinge gleichzeitig: Es klingelte so laut, dass ich erschreckt zusammenfuhr, und Edward Cullen schoss mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung – er war viel größer, als ich vermutet hatte – von seinem Platz hoch und war im Gang verschwunden, bevor irgendjemand sonst überhaupt aufstehen konnte.

Ich saß verdattert auf meinem Stuhl und schaute ihm mit leerem Blick nach. Wie gemein! Langsam klaubte ich meine Sachen zusammen und bemühte mich, die Wut zu unterdrücken, die in mir hochstieg – ich hatte Angst, in Tränen auszubrechen. Aus irgendeinem Grund musste ich nämlich immer weinen, wenn ich wütend war, eine entwürdigende Eigenschaft.

»Bist du nicht Isabella Swan?«, hörte ich jemanden fragen.

Ich hob meinen Blick; vor mir stand ein hübscher, milchgesichtiger Junge, der seine blonden Haare mit viel Sorgfalt und Gel zu Stacheln aufgestellt hatte. Er lächelte freundlich. Offensichtlich fand er nicht, dass ich schlecht roch.

»Bella«, verbesserte ich ihn und lächelte.

»Ich bin Mike.«

»Hi, Mike.«

»Wo musst du als Nächstes hin? Soll ich dir den Weg zeigen?«

»Ich muss zur Turnhalle, ich glaub, die finde ich.«

»Da muss ich auch hin.« Er schien ganz aus dem Häuschen zu sein, obwohl das in einer Schule dieser Größe kaum ein bemerkenswerter Zufall war.

Also gingen wir gemeinsam; er war eine Quasselstrippe und übernahm den Großteil der Konversation, so dass ich eigentlich nur zuhören musste. Bis er zehn war, hatte er in Kalifornien gewohnt, er wusste also, wie ich mich fühlte ohne Sonne. Er war auch in meinem Englischkurs, wie sich herausstellte. Und der netteste Mensch, der mir an diesem Tag begegnet war.