Выбрать главу

Doch dann, als wir die Turnhalle betraten, fragte er: »Sag mal, hast du Edward Cullen eigentlich deinen Stift zwischen die Rippen gebohrt oder was? Ich hab ihn noch nie so gesehen wie heute.«

Ich zuckte zusammen. Es war also nicht nur mir aufgefallen. Und es war anscheinend nicht Edward Cullens übliches Verhalten. Ich stellte mich dumm.

»War das der Junge, der neben mir in Bio saß?«, fragte ich arglos.

»Genau der. Er sah aus, als täte ihm etwas weh oder so.«

»Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Wir haben nicht miteinander gesprochen.«

»Er ist ein komischer Typ.« Mike blieb stehen. »Wenn ich das Glück hätte, neben dir zu sitzen, würde ich mit dir sprechen.«

Ich lächelte und ging in den Umkleideraum der Mädchen. Er war nett und offensichtlich an mir interessiert, doch das änderte nichts an meiner schlechten Stimmung.

Coach Clapp, der Sportlehrer, suchte eine Garnitur Sportsachen für mich raus, bestand aber nicht darauf, dass ich mich gleich umzog und mitmachte. Zu Hause war Sport nur zwei Jahre lang Pflichtfach gewesen, hier stand es die ganzen vier Jahre auf dem Programm. Forks war buchstäblich meine persönliche Hölle auf Erden.

Ich schaute bei vier gleichzeitig stattfindenden Volleyballspielen zu und dachte daran, wie viele Verletzungen ich mir und anderen beim Volleyball zugefügt hatte. Mir wurde ein wenig schwindlig bei dem Gedanken.

Endlich war auch die letzte Stunde vorbei. Langsam ging ich zum Büro, um meine Unterlagen abzugeben. Der Regen hatte nachgelassen, doch der Wind war stärker und kälter geworden. Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper.

Als ich das warme Sekretariat betrat, hätte ich fast wieder kehrtgemacht.

Vor mir am Tresen stand, unverkennbar mit seinem verwuschelten Schopf bronzefarbener Haare, Edward Cullen. Er schien mein Eintreten nicht zu registrieren. Ich stellte mich an die hintere Wand und wartete, bis die Sekretärin für mich Zeit hatte.

Er diskutierte mit ihr mit leiser, angenehmer Stimme. Ich merkte schnell, worum es ging: Er versuchte seinen Biologiekurs auf eine andere Stunde zu legen – egal, welche.

Ich konnte einfach nicht glauben, dass es dabei um mich gehen sollte. Es musste etwas anderes sein, etwas, das passiert war, bevor ich den Bioraum betreten hatte. Sein Gesichtsausdruck vorhin war durch meine bloße Anwesenheit nicht zu erklären. Es war unmöglich, dass dieser Fremde eine derart plötzliche und intensive Abneigung gegen mich hegte.

Auf einmal öffnete sich die Tür; ein kalter Windstoß fegte durch den Raum, brachte die Papiere auf dem Tresen zum Rascheln und fuhr mir in die Haare. Ein Mädchen kam herein, ging zum Tresen, legte einen Zettel in eine Ablage und verschwand wieder nach draußen. Edward Cullen versteifte sich; langsam drehte er sich um und starrte mich wütend an. Sein Gesicht war fast überirdisch schön, doch sein Blick war stechend und hasserfüllt. Panik durchfuhr mich; die Haare auf meinen Armen stellten sich auf. Sein Blick währte nur eine Sekunde, doch er brachte mich stärker zum Frösteln als der kalte Wind. Dann wandte er sich wieder der Sekretärin zu.

»Okay«, sagte er hastig und mit samtener Stimme. »Ich verstehe, dass es unmöglich ist. Haben Sie vielen Dank für Ihre Mühe.« Dann machte er kehrt und verschwand nach draußen, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ich ging eingeschüchtert zum Tresen und reichte der Sekretärin den Zettel mit den Unterschriften. Mein Gesicht war ausnahmsweise mal nicht gerötet, sondern kreidebleich.

»Na, Isabella, wie lief dein erster Tag?«, fragte sie mütterlich.

»Gut«, log ich mit schwacher Stimme. Sie sah nicht überzeugt aus.

Mein Transporter war fast das letzte Auto auf dem Parkplatz. Er war meine einzige Rettung – das, was einem Zuhause am nächsten kam in diesem nassen grünen Kaff. Eine Zeit lang saß ich nur da und starrte ausdruckslos nach draußen. Doch dann wurde es schnell so kühl, dass ich die Heizung brauchte, also drehte ich den Schlüssel im Zündschloss und ließ den Motor anspringen. Den ganzen Weg zurück zu Charlies Haus kämpfte ich mit den Tränen.

WIE EIN OFFENES BUCH

Der nächste Tag war besser … und schlimmer.

Er war besser, weil es nicht regnete, zumindest nicht gleich morgens, obwohl die Wolken dicht und trüb am Himmel hingen. Und einfacher, weil ich wusste, was mich erwartete. Mike setzte sich in Englisch zu mir und begleitete mich unter den feindseligen Blicken von Schachclub-Eric zu meinem nächsten Kurs; das war doch immerhin schmeichelhaft. Ich wurde nicht mehr ständig angestarrt wie am Vortag. Ich saß mit einer großen Gruppe von Leuten beim Mittagessen, darunter Mike, Eric, Jessica und einige andere, deren Gesichter und Namen ich mir mittlerweile merken konnte. Ich bekam das Gefühl, langsam schwimmen zu lernen, anstatt nur hilflos mit den Armen zu rudern.

Er war schlimmer, weil ich müde war; ich konnte noch immer nicht schlafen, weil der Wind um das Haus heulte. Er war schlimmer, weil mich Mr Varner in Mathe aufrief, obwohl ich mich nicht gemeldet hatte, und meine Antwort falsch war. Er wurde richtig schlimm, als ich Volleyball spielen musste und den Ball beim einzigen Mal, als ich ihm nicht auswich, einer Mannschaftskameradin an den Kopf schoss. Vor allem aber war der zweite Tag deshalb schlimmer als der erste, weil Edward Cullen nicht in der Schule war.

Den ganzen Vormittag über graute mir bei dem Gedanken an die Mittagspause und seine unerklärlichen, hasserfüllten Blicke. Ein Teil von mir wollte zu ihm gehen und eine Erklärung verlangen. Nachts, als ich im Bett lag und nicht schlafen konnte, hatte ich mir sogar überlegt, was ich sagen würde. Doch ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht den nötigen Mumm dafür hatte. Verglichen mit mir war der feige Löwe aus Der Zauberer von Oz ein Superheld.

Als ich dann mit Jessica die Cafeteria betrat und vergeblich versuchte, nicht den ganzen Saal mit den Augen nach ihm abzusuchen, sah ich seine vier Quasi-Geschwister gemeinsam am gleichen Tisch sitzen wie tags zuvor – er jedoch war nirgends zu sehen.

Mike fing uns ab und brachte uns zu seinem Tisch. Jessica schien seine Aufmerksamkeit in Hochstimmung zu versetzen, und ihre Freundinnen und Freunde gesellten sich schnell zu uns. Ich versuchte ihrem ungezwungenen Geplauder zu folgen, doch mir war überhaupt nicht wohl dabei – nervös wartete ich auf seine Ankunft und hoffte nur, dass er mich ignorieren und damit meine Befürchtungen widerlegen würde.

Er kam nicht, und ich wurde immer angespannter.

Als er bis zum Ende der Pause nicht aufgetaucht war, ging ich etwas mutiger zu Biologie. Mike entwickelte immer mehr die Verhaltensweisen eines Golden Retriever und wich den ganzen Weg nicht von meiner Seite. Als wir den Raum betraten, hielt ich die Luft an, doch auch hier war nichts von Edward Cullen zu sehen. Erleichtert atmete ich aus und ging zu meinem Platz. Mike folgte mir und erzählte von einem geplanten Ausflug zum Strand. Er blieb bei meinem Tisch, bis es klingelte, dann lächelte er wehmütig und setzte sich neben ein Mädchen mit Zahnspange und missratener Dauerwelle. Ich musste mir etwas einfallen lassen, was Mike anging, doch es würde nicht einfach werden. In einer Stadt wie dieser, in der alle aufeinanderhockten, war Diplomatie gefragt. Ich war aber noch nie sonderlich taktvoll gewesen und hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit allzu freundlichen Jungs.

Ich war froh, dass Edward nicht da war und ich den Tisch für mich allein hatte. Das redete ich mir zumindest ein, immer wieder, ohne jedoch den schleichenden Verdacht loszuwerden, dass ich der Grund für seine Abwesenheit war. Es war natürlich völlig albern und egozentrisch, mir einzubilden, dass ich jemanden so stark beeinflussen könnte. Es war unmöglich. Und doch konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass es stimmte.

Als der Schultag endlich geschafft und das Blut nach dem Zwischenfall beim Volleyball wieder aus meinen Wangen gewichen war, zog ich mir schnell meine Jeans und meinen marineblauen Pullover an. Ich hatte es eilig, den Umkleideraum zu verlassen, und war froh, als ich sah, dass ich meinem Freund, dem Golden Retriever, für den Moment entkommen war. Rasch lief ich zum Parkplatz, der von flüchtenden Schülern bevölkert war, stieg in meinen Transporter und kramte in meiner Tasche, um sicherzugehen, dass ich alles Nötige eingepackt hatte.