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Er raste durch den Flur, die Treppe hinunter, jeweils zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, wurde von Übelkeit und Schwindel befallen, stürzte beinahe. Er packte das Geländer, hielt sich daran fest. Dabei stützte er sich auf den falschen Arm, und eine heiße Welle des Schmerzes lief durch seine verwundete Schulter. Er ließ das Geländer los, verlor das Gleichgewicht, fiel über die letzten zwei Stufen und prallte unten hart auf.

Sein Zustand war schlechter, als er gedacht hatte.

Die Uzi fest umklammernd, stand er auf und taumelte durch die hintere Tür auf die Veranda hinaus und über die Stufen hinunter in den Hof. Der kalte Regen machte seinen Kopf klar. Er blieb einen Augenblick auf dem Rasen stehen und ließ sich vom Sturm umwehen.

Das Bild von Einsteins zerschmettertem, blutigem Körper erstand vor seinem inneren Auge. Er dachte an die spaßigen Botschaften, die nie wieder auf dem Boden der Speisekammer ausgelegt werden würden. Dann an künftige Weihnachten, an denen Einstein nicht wieder in seiner Weihnachtsmütze herumtoben würde. Er dachte an Liebe, nie wieder gegeben, nie mehr empfangen, dachte an all die genialen kleinen Hündchen, die nie geboren werden würden, und das Gewicht all diesen Verlustes drückte ihn fast zu Boden.

Er schärfte seine Wut an seinem Leid, schliff seinen Zorn, bis er scharf war wie ein Rasiermesser.

Dann ging er zur Scheune.

Drinnen drängten sich die Schatten. Er stand an der offenen Tür, ließ den Regen auf Kopf und Rücken trommeln, spähte hinein, schaute mit zusammengekniffenen Augen in die Schwärze, hoffte die gelben Augen zu entdecken.

Nichts.

Er ging durch die Tür, tollkühn in seiner Wut, schob sich seitwärts zu den Lichtschaltern an der Nordwand. Doch selbst, als das Licht anging, konnte er den Outsider nicht sehen.

Er kämpfte gegen die Benommenheit an, biß die Zähne vor Schmerz zusammen, bewegte sich langsam weiter, vorbei an der freien Fläche, wo sonst der Pick-up stand, hinten an dem Toyota vorbei, dann an der Wagenseite entlang.

Der Speicherraum unterm Dach.

Nur noch ein paar Schritte, und er würde unter dem Speicherboden hervortreten. Wenn das Ding dort oben war, konnte es auf ihn herunterspringen ...

Doch diese Spekulation erwies sich als Sackgasse, denn der Outsider war an der Hinterwand, vor dem Kühler des Toyota, kauerte dort auf dem Betonboden, wimmerte und hielt die beiden mächtigen, langen Arme an sich gepreßt. Der Boden rings um die Bestie war mit Blut beschmiert.

Travis stand fast eine Minute lang neben dem Wagen, fünf Meter von dem Geschöpf entfernt, und studierte es mit einer Mischung aus Ekel und Furcht, Schrecken und eigenartiger Faszination. Er glaubte die Körperformen eines Affen zu sehen, vielleicht eines Pavians - jedenfalls irgendeines Angehörigen der Gattung Affe. Aber es war weder vorwiegend eine Gattung noch lediglich ein Flickwerk erkennbarer Teile vieler verschiedener Tiere. Es war vielmehr ein Ding ganz für sich. Mit seinem übergroßen, knolligen Gesicht, den riesigen gelben Augen, dem ausladenden Kinn, den langen, gebogenen Zähnen, dem krummen Rücken, dem filzigen Fell und den zu langen Armen war es von furchterregender Eigenart.

Er starrte ihn an, wartete.

Er trat zwei Schritte vor, brachte die Waffe in Anschlag.

Der Outsider hob den Kopf, seine Kinnladen bewegten sich, ein scharrendes, brüchiges, undeutliches und doch verständliches Wort kam hervor, das Travis trotz des Heulens des Sturms hören konnte: »Verwundet.«

Travis war mehr erschrocken als erstaunt. Das Geschöpf war nicht dazu bestimmt gewesen, der Sprache mächtig zu sein, und doch besaß es die Intelligenz, Sprache zu lernen und Verständigung zu wünschen. Offenbar war jener Wunsch in den Monaten, in denen es Einstein verfolgt hatte, so groß geworden, daß es in gewissem Maße seine physischen Grenzen überschritten hatte. Es hatte Sprache geübt, Mittel und Wege gefunden, seinen unterentwickelten Sprechwerkzeugen und seinem zum Sprechen ungeeigneten Maul ein paar armselige Worte abzuringen. Travis erschreckte nicht der Anblick dieses Dämons, der sprach, sondern der Gedanke, wie verzweifelt dieses Ding den Wunsch verspürt haben mußte, sich mit jemandem, irgend jemandem, zu verständigen. Er wollte kein Mitleid haben, wagte nicht, es zu bemitleiden, denn er wünschte sich das Hochgefühl, es vom Erdboden getilgt zu haben.

»Weit gekommen. Jetzt erledigt«, sagte das Geschöpf unter ungeheurer Anstrengung, als müßte jedes Wort aus seiner Kehle gerissen werden.

Seine Augen waren zu fremdartig, um Mitgefühl zu erregen, jede seiner Gliedmaßen war unverkennbar ein Mordinstrument.

Indem es einen der langen Arme von seinem Körper löste, hob es etwas auf, das neben ihm auf dem Boden gelegen und das Travis bis jetzt nicht bemerkt hatte: eine der MickymausVideokassetten, die Einstein zu Weihnachten bekommen hatte. Auf der Kassette war die berühmte Maus abgebildet, in der Kleidung, die sie immer trug, mit ihrem bekannten Lächeln, winkend.

»Micky«, sagte der Outsider, und so armselig und fremd und kaum verständlich seine Stimme auch war, irgendwie vermittelte sie doch ein Gefühl schrecklichen Verlustes und furchtbarer Einsamkeit. »Micky.«

Dann ließ die Kreatur die Kassette fallen, preßte wieder die Arme an den Leib und wiegte sich im Schmerz vor und zurück.

Travis trat einen weiteren Schritt vor.

Das scheußliche Gesicht des Outsiders war so abstoßend, daß das schon wieder eine Art Verfeinerung war. In seiner einzigartigen Häßlichkeit war es auf seltsame dunkle Weise fesselnd.

Als diesmal der Donner krachte, flackerten die Lampen in der Scheune und gingen beinahe aus.

Der Outsider hob den Kopf und sprach mit derselben kratzenden Stimme, aber in kalter, wahnsinniger Verzückung: »Hund töten, Hund töten, Hund töten«, und gab dabei ein Geräusch von sich, das Gelächter sein mochte.

Fast hätte er die Bestie in Stücke geschossen. Aber ehe er den Abzug betätigen konnte, ging das Gelächter des Outsiders in etwas über, das Schluchzen zu sein schien. Travis starrte ihn wie gebannt an.

Und während er Travis mit seinen Latemenaugen fixierte, sagte er wieder: »Hund töten, Hund töten, Hund töten«, aber dieses Mal schien er von Leid gequält, als begriffe er die Ungeheuerlichkeit des Verbrechens, das zu begehen ihn seine Gene gezwungen hatten.

Er blickte auf das Bild der Mickymaus auf der Kassette. Schließlich sagte er flehentlich: »Töte mich.«

Travis wußte nicht, ob er mehr aus Wut oder mehr aus Mitleid handelte, als er den Abzug betätigte und das Magazin der Uzi in den Outsider entleerte. Was der Mensch begonnen hatte, beendete jetzt ein Mensch.

Als es getan war, fühlte er sich ausgepumpt.

Er ließ den Karabiner fallen und ging hinaus. Er fand nicht die Kraft in sich, zum Haus zurückzukehren. Also setzte er sich auf den Rasen, kauerte sich im Regen zusammen und weinte.

Er weinte immer noch, als Jim Keene den schlammigen Feldweg vom Coast Highway heraufgefahren kam.

ELF 

1

Am Nachmittag des 13. Januar, einem Donnerstag, ließ Lem Johnson Cliff Soames und drei weitere Männer an der Abzweigung des Feldweges vom Pacific Coast Highway zurück. Sie hatten Anweisung, niemanden vorbeizulassen und hier auf Posten zu bleiben, bis Lem sie rief - falls es dazu kommen sollte.