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»Das haben Sie entworfen?« fragte Art Streck.

»Nein. Meine Tante«, sagte Nora. Sie stand am Marmorkamin, so weit von ihm entfernt, wie das möglich war, ohne den Raum ganz zu verlassen. »Das war ihr Haus. Ich... habe es geerbt.«

»An Ihrer Stelle«, sagte er, »würde ich das ganze Zeug hier rausschmeißen. Das könnte ein heller, freundlicher Raum sein. Entschuldigen Sie, wenn ich das sage: Aber das hier sind nicht Sie. Das hier wäre vielleicht richtig für irgendeine alte Jungfer ...« das war sie wohl - eine alte Jungfer oder? »Jaah, hab' mir's schon gedacht. Für eine vertrocknete alte Jungfer mag das in Ordnung sein, aber ganz bestimmt nicht für eine hübsche Lady wie Sie.«

Nora wollte seine Impertinenz tadeln, ihm sagen, er solle gefälligst den Mund halten und den Fernseher richten; aber sie hatte keine Erfahrung darin, wie man sich auf die Hinterbeine stellte. Tante Violet hatte es vorgezogen, sie lammfromm und bescheiden sein zu lassen.

Streck lächelte ihr zu. Sein rechter Mundwinkel kräuselte sich auf höchst widerliche Art; es war fast ein Feixen.

Sie zwang sich zu sagen: »Mir gefällt es ganz gut so.« »Wirklich?«

»Ja.«

Er zuckte die Achseln. »Was ist denn los mit dem Gerät?« »Das Bild bleibt nicht stehen. Und dann gibt es atmosphärische Störungen, Flimmern.«

Er zog den Fernseher von der Wand weg, schaltete ihn ein und studierte die über den Bildschirm ziehenden, von Störungen zerrissenen Bilder. Er steckte das Kabel einer kleinen tragbaren Arbeitslampe in den Stecker und befestigte die Lampe an der Hinterseite des Geräts.

Die Großvateruhr im Gang verkündete die Viertelstunde mit einem Glockenschlag, der hohl durchs Haus hallte.

»Sehen Sie viel fern?« fragte er, während er die Staubverkleidung abschraubte.

»Nicht sehr«, sagte Nora.

»Ich mag die Serien am Abend. Dallas, Denver, alle diese Sachen.«

»Die seh' ich mir nie an.«

»So? Ach, jetzt kommen Sie schon, ich wette, Sie tun's doch.« Er lachte verschmitzt. »Alle sehen sich die an, selbst wenn sie's nicht zugeben wollen, Es gibt nichts Interessanteres als Geschichten, wo die Leute reingelegt werden und wo alle lügen und stehlen ... und es arg mit Frauen treiben. Sie wissen, was ich meine? Da sitzen die Leute da, sehen sich das Zeug an, schnalzen mit der Zunge und sagen: >Ach, wie schreckliche Aber in Wirklichkeit geht ihnen dabei einer ab. So sind die Menschen eben.«

»Ich... ich habe in der Küche zu tun«, sagte sie nervös.

»Rufen Sie mich, wenn Sie das Gerät repariert haben.« Sie verließ den Raum und ging durch die Halle und durch die Schwingtür in die Küche.

Sie zitterte. Sie verachtete sich wegen ihrer Schwäche und weil sie so leicht der Furcht nachgab; aber sie konnte nicht anders: Sie war eben eine Maus.

Tante Violet hatte oft gesagt: »Mädchen, auf der Welt gibt es zwei Arten von Menschen - die Katzen und die Mäuse. Die Katzen gehen, wohin sie wollen, tun, was sie wollen, nehmen sich, was sie wollen, Katzen sind von Natur aggressiv und nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Mäuse andererseits haben keinen Funken Aggressivität in sich. Sie sind von Natur verletzlich, sanft und furchtsam und dann am glücklichsten, wenn sie den Kopf einziehen und das annehmen können, was das Leben ihnen gibt. Du bist eine Maus, meine Liebe. Maus zu sein ist nichts Schlechtes. Man kann damit vollkommen glücklich sein. Eine Maus hat vielleicht kein so farbiges Leben wie eine Katze, aber wenn sie im sicheren Bau bleibt und sich selbst genügt, wird sie länger leben als die Katze und viel weniger Aufruhr im Leben haben.«

Im Augenblick lauerte eine Katze im Wohnzimmer und reparierte den Fernseher, und Nora war in der Küche, von mäusehafter Furcht erfaßt. Sie war in Wahrheit gar nicht mitten im Kochen, wie sie Streck gesagt hatte. Einen Augenb lick lang stand sie am Ausguß, mit der einen kalten Hand die andere umklammernd - ihre Hände schienen immer kalt zu sein -, und fragte sich, was sie tun sollte, bis er mit seiner Arbeit fertig war und wieder ging. Sie beschloß, einen Kuchen zu bak-ken. Einen Sandkuchen mit Schokoladeguß. Das würde Sie beschäftigen und ihr helfen, nicht an Strecks anzügliches Augenzwinkern zu denken.

Sie holte Schüsseln, Utensilien, einen elektrischen Mixer sowie die Kuchenmischung und andere Zutaten aus den Schränken und machte sich an die Arbeit. Bald hatte die Beschäftigung mit alltäglicher Hausfrauenarbeit ihre angespannten Nerven beruhigt.

Sie hatte eben den Teig in die zwei Backformen gefüllt, als Streck in die Küche trat und sagte: »Kochen Sie gerne?«

Vor Überraschung hätte sie beinahe die leere Teigschüssel und den teigbeschmierten Schaber fallen lassen. Irgendwie schaffte sie es, sie festzuhalten - nur ein leises Klappern verriet ihre Spannung - und sie zum Spülen in den Ausguß zu legen. »Ja, ich koche gerne.«

»Ist das aber nett! Ich bewundere Frauen, die gerne Frauenarbeit tun. Nähen, häkeln oder sticken Sie auch, oder dergleichen?«

»Ich mache Petit-point-Stickerei«, sagte sie.

»Ist ja noch netter.«

»Ist der Fernseher wieder in Ordnung?«

»Fast.«

Nora war soweit, den Kuchen ins Backrohr zu schieben, wollte aber die Backformen nicht hintragen, solange Streck sie beobachtete, weil sie Angst hatte, dabei zu sehr zu zittern,

Dann würde er merken, daß er ihr Angst machte, und wahrscheinlich noch unverschämter werden. Also ließ sie die vollen Backformen auf der Anrichte stehen und riß statt dessen die Schachtel mit der Glasurmischung auf.

Streck kam noch weiter herein in die große Küche. Er bewegte sich zwanglos, ganz entspannt, sah sich mit liebenswürdigem Lächeln um, kam dabei aber direkt auf sie zu. »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«

Fast hätte Nora erleichtert aufgeseufzt; sie wollte gern glauben, daß nur der Durst ihn hergeführt hatte. »O ja, natürlich«, sagte sie. Sie nahm ein Glas aus dem Schrank und drehte den Kaltwasserhahn auf.

Als sie sich umdrehte, um es ihm zu geben, stand er dicht hinter ihr - er war lautlos wie eine Katze näher gerückt. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, Wasser schwappte aus dem Glas und klatschte auf den Boden.

Sie sagte: »Sie -«

»Hier«, sagte er und nahm ihr das Glas aus der Hand, »- haben mich erschreckt.«

»Ich?« sagte er lächelnd und fixierte sie mit eisblauen Augen. »Oh, das wollte ich aber ganz bestimmt nicht. Tut mir leid. Ich bin ganz harmlos, Mrs. Devon. Wirklich, das bin ich. Will nur einen Schluck Wasser. Sie haben doch nicht etwa geglaubt, ich will etwas anderes - oder?«

Er war so verdammt unverschämt. Es war nicht zu glauben, wie unverschämt er war, wie gerissen, cool und aggressiv. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, aber sie hatte Angst vor dem, was dann passieren würde. Wenn sie ihn ohrfeigte - also in irgendeiner Weise auf seine beleidigenden Zweideutigkeiten oder anderen Unverschämtheiten reagierte, würde ihn das wohl eher ermutigen als abschrecken.

Er starrte sie beunruhigend lange und intensiv an, Gier im Blick, ein Raubtierlächeln auf den Lippen.

Sie fühlte, daß sie mit Streck am besten fuhr, wenn sie sich unschuldig gab und exorbitante Begriffsstutzigkeit vortäuschte, also seine widerwärtigen sexuellen Andeutungen ignorierte, so als hätte sie sie nicht verstanden. Kurz, sie mußte ihn so behandeln, wie eine Maus eine Drohung behandelt, vor der sie nicht fliehen kann. Tu so, als würdest du die Katze nicht sehen; tu so, als wäre sie nicht da; vielleicht verwirrt die mangelnde Reaktion die Katze, sie ist enttäuscht und sucht sich ein Opfer, das besser reagiert.

Um seinem fordernden Blick zu entgehen, riß Nora ein paar Papiertücher aus dem Spender neben dem Ausguß und begann das Wasser aufzutupfen, das sie verschüttet hatte. Aber in dem Augenblick, in dem sie sich vor Streck bückte, erkannte sie, daß sie einen Fehler gemacht hatte, denn er ging ihr nicht aus dem Weg, sondern blieb über ihr stehen, ragte über ihr auf, während sie vor ihm kauerte. Die Situation war voll erotischer Symbolik. Als sie begriff, daß ihre Haltung zu seinen Füßen Hingabe andeutete, schoß sie wieder in die Höhe und sah, daß sein Lächeln breiter geworden war.