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Bolithos Augen kehrten zurück zum Achterdeck, zu den Neunpfündern und zu Neale, der neben einem riesigen bezopften Kanonier noch schmächtiger und kleiner wirkte, als er war. Und Proby, Old Proby, der wie eine Vogelscheuche aussah, als er die Arme schwenkte und den Rudergängern seine Befehle erteilte. In einem der Männer am Rad erkannte Bolitho den ältesten Matrosen an Bord, Old Strachan. Eine Kanone konnte er nicht mehr zu Brocks Befriedigung bedienen, doch am Ruder stand er noch immer seinen Mann, und selbst in der heftigsten Schlacht, das wußte Bolitho, würde Strachan nie versagen. Nicht weil er tapfer oder dumm war, sondern weil es Teil seines Lebens war. Des einzigen Lebens, das er kannte und für das er ausgebildet war. Bolithos Blick glitt zu Okes, der nervös die Degenscheide befingerte und ihn beobachtete. Bolitho hätte lieber Herrick an seiner Seite gehabt, aber Herrick würde genug mit den Batterien zu tun haben. Und außerdem war Okes jetzt Erster Leutnant, dachte er gereizt. Vibart war tot und kaum noch eine Erinnerung.

Vom Kajütniedergang aus musterte Stockdale das ernste Gesicht des Kapitäns. Er nickte leicht. Bolitho bemerkte es, reagierte aber nicht. Doch Stockdale war zufrieden. Der Kapitän wußte, daß sein Bootsführer da war, und das reichte Stockdale.

Dicht am Wind holten die drei Schiffe das Beste aus der schwächer werdenden Brise heraus und gingen in Linie, ganz so, wie sie es in der gnadenlosen Sonne viele Male unter den Augen des ewig nörgelnden Admirals geprobt hatten. Bolitho grüßte, als die Leinwand der Volcano sich blähte, und die Fregatte die Spitze übernahm. In ihrem Kielwasser folgte die Cassius. Und nach weiteren Flaggensignalen sagte Bolitho scharf:»Scheren Sie hinter dem Flaggschiff ein, Mr. Okes.»

Die Männer eilten an die Brassen. Bolithos Blicke suchten den Zweidecker. Die Cassius wirkte wie ein älterer, aber erfahrener Krieger. Die Doppelreihe ihrer Stückpforten öffnete sich, und die Geschützrohre schoben sich heraus.

Eine Stimme ertönte:»An Deck! Schiffe Steuerbord voraus. «Eine Pause, während alle zu der kleinen Gestalt auf der Großsaling hinaufschauten.»Zwei Linienschiffe. Und zwei Fregatten.»

Bolitho bemühte sich, seine Ungeduld zu beherrschen. Da die Phalarope am Schluß des kleinen Verbandes segelte, würde sie als letzte in den Kampf eingreifen. Bis dahin konnte alles entschieden sein, dachte er erbittert.

Die Segel killten kraftlos. Der Mann am Rad fluchte, weil er keinen Ruderdruck mehr spürte.»Der Wind springt nach Osten um, Sir«, sagte Proby düster.

«Gut. «Bolitho richtete sein Glas auf die feindlichen Einheiten. Die pausenlosen Abschüsse klangen lauter, aber die Hauptmacht der Flotten schien so weit entfernt wie zuvor. Eine Täuschung, natürlich.

Jenseits des killenden Großsegels der Cassius bekam Bolitho die gemeldeten feindlichen Schiffe kurz in den Blick: zwei große Schiffe, dicht in Linie, flankiert von zwei kleineren. Aber der abflauende Wind stellte nicht nur ihn, sondern auch seine Leute auf eine arge Probe. Sie waren, wie ihre Hurrarufe gezeigt hatten, bereit zu kämpfen oder ruhmvoll zu sterben. Doch dieses Warten, dieses quälende Warten zermürbte sie. Zu langsam näherte man sich der Kampfzone. So langsam, daß die anfänglich kampfbegeisterten Leute nun zu gelähmt schienen, sich zu bewegen oder die Augen von den rauchverhüllten Schiffen zu wenden.

«Ich gehe nach oben, Mr. Okes. «Ohne den schwitzenden Ersten auch nur anzusehen, eilte Bolitho über die Steuerbordgangway zu den Wanten des Großmastes. Selbst als jungem Fähnrich war Bolitho die Höhe nie gut bekommen. Aber nach einem hastigen Blick auf die schlaffen Segel machte er sich auf die lange Kletterpartie zur Marssaling. Als er sich in die Wanten schwang, starrte ihn ein Seesoldat wortlos an, ehe er wieder auf die im Kampf stehenden Verbände blickte. Die Luft vibrierte von Detonationen, und der Pulverqualm sowie der Rauch brennender Holzteile reizte die Nasenschleimhäute. Bolitho wartete, bis sein Atem wieder ruhiger ging, ehe er das Fernrohr auseinanderzog und über die langsam segelnde Cassius hinwegschaute.

Unmöglich, die Frontlinie zu bestimmen. Die Hauptmacht des britischen und französischen Geschwaders lag praktisch dicht voreinander, Schiff an Schiff, Rahnock an Rahnock. Ihre Masten und Segel waren von Rauch und Pulverqualm verhüllt, der nicht abziehen konnte.

Bolitho richtete das Fernrohr auf einen anderen Punkt und wagte nicht, auf das Deck unter seinen baumelnden Beinen hinabzublicken. Plötzlich riß er die Augen auf. Die vom Ausguck kurz zuvor gemeldeten Schiffe scherten aus der Hauptkampfzone aus. Die beiden Linienschiffe waren durch eine kräftige Trosse miteinander verbunden. Er spähte durch die Takelage des Vorschiffs und sah, daß das geschleppte Schiff, ein großer Dreidecker, teilweise kampfunfähig war und Bugspriet und Fockmast verloren hatte.

Das schleppende, durch die schwere Last behinderte Schiff gierte von einer Seite zur anderen, die Segel blähten sich und fielen in dem flauen Wind dann wieder ein. Als es überholte, warf das Sonnenlicht merkwürdige Schatten über den hohen Rumpf und glänzte auf den Reihen der Kanonen, die zum Feuern ausgerannt waren. Bolitho nickte dem Ausguck zu.»Behalten Sie sie gut im Auge.»

Der Mann grinste.»Hab ja sonst nichts zu tun, Sir. «Er beugte sich vor, beobachtete Bolithos vorsichtigen Abstieg und setzte sich dann wieder wachsam zurecht. Während Bolitho die groben, schwingenden Webeleinen hinabkletterte, hörte er ihn summen.

Okes und Rennie warteten auf ihn neben dem Rad.»Zwei große Schiffe«, sagte Bolitho.»Eins beschädigt. Wahrscheinlich bei einer Kollision heute nacht. «Er rieb sich das Kinn.»Das schleppende Schiff führt eine Kommandantenflagge. WeißBlau. «Er lächelte und fragte Maynard:»Na, mein Junge, was sagt Ihnen das?»

Fähnrich Maynard ließ sein Fernrohr einen Augenblick sinken.»Gehört zur französischen Vorhut, Sir.»

«Richtig. «Bolitho ging zur Reling.»De Grasse ist um Transport und Versorgung bemüht. Mit Kriegsschiffen allein kann er Jamaika nicht angreifen. Er braucht Truppen und Nachschub und dazu Transportschiffe, wie wir sie bei Mola in Brand gesetzt haben.»

«Während die Flotten miteinander im Kampf stehen«, sagte Okes,»sollen seine Transporter sicher versuchen, hier durchzubrechen.»

Bolitho nickte grimmig.»Wiederum richtig. «Er schnippte mit den Fingern.»Ein Teil der französischen Vorhut ist detachiert, um den Transportern den Weg freizukämpfen. «Er sah zur schlaffen Leinwand hinauf.»Und nur drei Schiffe verlegen ihnen den Weg. «Dann wandte er sich an Rennie, der mit dem Degen lässig gegen seine polierten Schuhe schlug.»Wenn wir die Vorhut zum Abdrehen zwingen können, wird Sir George Rodney den Rest erledigen. «Er klatschte in die Hände.»Dann sitzen sie wie Kaninchen in der Falle.»

Okes betrachtete die Schiffe, die sich vor der Cassius langsam bewegten.»In diesem Fall sind die Kaninchen allerdings größer als die Jäger, Sir.»

Bolitho war jedoch bereits weitergegangen. Er blieb neben dem kleinen Trommelbuben stehen und sagte:»Nun spiel mal was auf deiner Pfeife, mein Junge. «Er sprach laut, damit ihn die Leute an den Neunpfündern verstehen konnten.

Der Trommelbube sah Bolitho unter dem Tschako hervor an und schluckte schwer. Seine Lippen waren bleich, ihm zitterten die Hände.»W-was soll ich denn spielen, Sir?»

Bolitho musterte die aufmerksamen, gespannten Gesichter.»Na, wie wäre es denn mit >Herzen fest wie Eiche<? Das kennen wir alle, nicht wahr, Jungs?»