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Tanis blieb stehen. Er war hypnotisiert von dem Anblick, der sich ihm bot.

Ein Schatten des Bösen füllte das Portal, und die metallenen Drachenköpfe, die das Tor bildeten, heulten vor Triumph. Die Köpfe des lebenden Drachen hinter dem Portal schlängelten sich über den Körper ihres Opfers, als der Erzmagier vor seine Klauen stürzte.

»Nein! Raistlin!« Caramons Gesicht verzerrte sich vor Qualen. Er trat einen weiteren Schritt auf das Portal zu.

»Halt!« schrie Dalamar voller Zorn. »Halt ihn auf, Halb-Elf! Töte ihn, wenn es sein muß! Schließ das Portal!«

Eine Frauenhand stieß vor zur Öffnung, und vor Entsetzen gelähmt beobachteten sie, wie sich die Hand in eine Drachenklaue verwandelte. Die Spitzen der Krallen waren blutverschmiert. Immer näher und näher kam die Hand der Königin zum Portal. Sie war entschlossen, das Tor zur Welt offenzuhalten, damit sie wieder Einlaß finden konnte.

»Caramon!« schrie Tanis und sprang nach vorne. Aber was konnte er unternehmen? Er hatte nicht die nötige Kraft, um den großen Mann zu überwältigen. Er geht zu ihm, dachte Tanis gequält. Er wird seinen Bruder nicht sterben lassen...

Nein, sprach eine Stimme im Halb-Elfen. Er wird es nicht tun... und darin liegt die Rettung für die Welt.

Caramon hielt an. Er wurde durch die Macht dieser blutbefleckten Hand festgehalten. Die greifende Drachenklaue war nahe, und hinter ihr leuchteten lachende, triumphierende, bösartige Augen. Mühsam kämpfte Caramon gegen die böse Kraft und hob den Stab des Magus.

Nichts geschah!

Das Loblied der Drachenköpfe in der ovalen Tür stieg wieder in die Luft. Sie schickten sich an, das Eintreten ihrer Königin in die Welt freudig zu begrüßen.

Doch dann erschien eine dunkle Gestalt und stellte sich neben Caramon. Sie war in schwarze Roben gekleidet, und weißes Haar floß über ihre Schultern. Raistlin streckte eine goldgefärbte Hand aus und ergriff den Stab des Magus. Seine Hand ruhte neben der seines Zwillingsbruders.

Der Stab flackerte in reinem, silbernem Licht.

Das vielfarbene Licht im Portal wirbelte und drehte sich und kämpfte ums Überleben, aber das silberne Licht glänzte mit der Beständigkeit eines Abendsterns und glitzerte im zwielichtigen Himmel.

Das Portal schloß sich.

Das Geschrei der metallenen Drachenköpfe verstummte so plötzlich, daß die neue Stille in ihren Ohren dröhnte. Im Portal war nichts, weder Bewegung noch Stille, weder Dunkelheit noch Licht. Dort war einfach nichts.

Caramon stand allein vor dem Portal. Den Stab des Magus hielt er noch immer in seiner Hand. Das Licht des Kristalls brannte noch einen Moment.

Dann glimmte es.

Dann erlosch es.

Das Zimmer war mit Dunkelheit erfüllt. Es war eine süße Dunkelheit, eine Dunkelheit, die für die Augen erholsam war nach all dem blendenden Licht.

Und dann drang durch die Dunkelheit ein Flüstern.

»Leb wohl, mein Bruder.«

12

Astinus von Palanthas saß in seinem Arbeitszimmer in der Großen Bibliothek und zeichnete die Geschichte auf. So war die gesamte Geschichte Krynns vom ersten Tag, an dem die Götter auf die Welt geschaut hatten, aufgezeichnet worden, und so würde sie bis zum letzten Tag aufgezeichnet werden, bis sich dann das große Buch für immer schließen würde. Astinus schrieb und vergaß das Chaos rundherum. Aber es schien dann wieder so, als ob er das Chaos zwänge, ihn zu vergessen.

Es waren erst zwei Tage seit dem Ende dessen vergangen, was Astinus in den »Chroniken« als die »Prüfung der Zwillinge« bezeichnet hatte (was alle anderen jedoch die »Schlacht von Palanthas« nannten). Die Stadt lag in Trümmern. Die zwei einzigen intakten Gebäude waren der Turm der Erzmagier und die Große Bibliothek. Doch auch diese war nicht unbeschadet davongekommen.

Daß sie überhaupt noch stand, war zum großen Teil auf die Heldentaten der Ästheten zurückzuführen. Angeführt von dem dicklichen Bertram, dessen Mut beim Anblick eines Drakoniers entfacht wurde, der es wagte, eine Klauenhand auf eines der heiligen Bücher zu legen, griffen die Ästheten den Feind mit solch einer Inbrunst und solch einer wilden verwegenen Gleichgültigkeit gegenüber ihrem eigenen Leben an, daß nur wenige der Reptilkreaturen entkamen.

Aber wie auch das restliche Palanthas zahlten die Ästheten einen schmerzhaften Preis für den Sieg. Viele ihres Ordens kamen in der Schlacht um. Sie wurden von ihren Ordensbrüdern betrauert, und ihre Asche wurde zur letzten ehrenhaften Ruhe zwischen die Bücher gelegt, für deren Verteidigung sie ihr Leben geopfert hatten. Der tapfere Bertram starb nicht. Nur leicht verwundet, sah er seinen Namen neben den Namen anderer Helden von Palanthas in einem der großen Bücher in die Geschichte eingehen. Das Leben hätte Bertram keine größere Belohnung anbieten können. Immer wenn er an diesem bestimmten Buch im Regal vorbeikam, zog er es hervor – aber nicht heimlich und verstohlen —, schlug es auf und sonnte sich im Glanz seines Ruhms.

Die wunderschöne Stadt Palanthas existierte nur noch in der Erinnerung und in einigen Beschreibungen in Astinus’ Büchern. Haufen verkohlter und geschwärzter Steine markierten die Gräber auf dem Anwesen des Palastes. Die reichen Lagerhäuser mit ihren Bier- und Weinfässern, mit ihren Vorräten an Baumwolle und Weizen, mit ihren Kisten, gefüllt mit wunderbaren Dingen aus allen Teilen Krynns, waren zu einem Aschenhaufen niedergebrannt. Ausgebrannte Schiffe trieben in den von Schutt verstopften Häfen. Händler stocherten in den Trümmern ihrer Geschäfte herum und bargen, was noch zu bergen war. Familien starrten auf ihre zerstörten Häuser und hielten einander umschlungen und dankten den Göttern, daß sie überlebt hatten.

Denn es waren viele, die nicht überlebt hatten. Von den Rittern von Solamnia waren fast alle in der Stadt im hoffnungslosen Kampf gegen Lord Soth und seine tödliche Legion umgekommen. Zu den ersten, die fielen, gehörte der schneidige Sir Markham. Seinem Schwur gegenüber Tanis war er treu geblieben. Er hatte nicht gegen Lord Soth gekämpft, sondern die Ritter geordnet und sie in einen Angriff gegen Soths Skelettkrieger geführt. Obwohl er dabei mit unzähligen Wunden übersät worden war, kämpfte er mutig weiter und führte seine blutüberströmten, erschöpften Männer immer wieder gegen den Feind, bis er schließlich tot von seinem Pferd fiel.

Durch diesen mutigen Einsatz der Ritter waren viele in Palanthas noch am Leben, die sonst durch die eiskalten Klingen der Untoten umgekommen wären, die auf geheimnisvolle Weise verschwunden waren. Es wurde erzählt, daß kurz zuvor ihr Anführer bei ihnen erschienen sei und einen eingehüllten Leichnam in seinen Armen getragen habe.

Als Helden beklagt, wurden die Leichen der Ritter von Solamnia zu ihren Kameraden in den Turm des Oberklerikers gebracht. Hier wurden sie in einer Grabstätte beerdigt, wo auch der Leichnam von Sturm Feuerklinge, dem Helden der Lanze, ruhte.

Beim Öffnen der Grabstätte, die seit der Schlacht um den Turm des Oberklerikers nicht gestört worden war, wurden die Ritter von Ehrfurcht erfüllt, denn sie fanden Sturms Leiche unversehrt vor. Ein Elfenjuwel, das auf seiner Brust leuchtete, wurde für dieses Wunder verantwortlich gemacht. All jene, die an jenem Tag die Grabstätte betraten, um ihre gefallenen Kameraden zu betrauern, sahen dieses strahlende Juwel und spürten Frieden, der den bitteren Schmerz ihrer Trauer linderte.

Die Ritter waren nicht die einzigen, um die getrauert wurde. In Palanthas waren auch viele Bürger gestorben. Männer, die Stadt und Familie verteidigt hatten, Frauen, die Haus und Kinder verteidigt hatten. Die Bürger von Palanthas verbrannten ihre Toten gemäß ihrer jahrhundertealten Sitte und verstreuten die Asche ihrer Lieben ins Meer, wo sie sich mit der Asche ihrer geliebten Stadt vermischte.

Astinus zeichnete alles so auf, wie es sich ereignet hatte. Er hatte sogar weitergeschrieben – so berichteten die Ästheten ehrfürchtig —, als Bertram einen Drakonier ohne fremde Hilfe zu Tode knüppelte, der gewagt hatte, in das Arbeitszimmer des Meisters einzudringen. Er schrieb immer noch, bis er sich bewußt wurde – neben den Geräuschen von Hämmern und Fegen und Klopfen und Schlurfen —, daß Bertram sein Licht behinderte.