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Alles in allem war dies für Montsalvy das größte Fest, das man seit mehreren Jahrzehnten erlebt hatte. Man feierte zugleich den wiedererlangten Wohlstand, die Einweihung des neuen Schlosses, die endgültige Wiedereinsetzung Messire Arnauds und Dame Catherines in ihre Ländereien und endlich die Taufe der jungen Isabelle, des Töchterchens, dem die junge Frau das Leben geschenkt hatte.

Der ganze Adel im Umkreis von zwanzig Wegstunden war erschienen. Man zeigte sich voll Achtung die edlen Herren vom Hofe, die gekommen waren, dem Herrn der kleinen Stadt ihre Glückwünsche darzubringen; und man zeigte sich die Hauptleute des Königs, die mit lauter Freude ihren alten Waffengefährten, den sie längst tot geglaubt hatten, wiedersahen. Aber das große Wunder waren Pate und Patin … Sie gingen an der Spitze des prächtigen Zuges, gleich hinter dem Neugeborenen, das Dame Sara, ganz in roten Samt und Brugger Spitzen gekleidet, stolz auf den Armen trug, und als sie sich näherten, knieten die guten Leute von Montsalvy nieder, etwas verdutzt und leicht unbehaglich, aber vor allen Dingen ungeheuer stolz über die ihrer kleinen Stadt erwiesene Ehre. Man hat im Herzen der Auvergne nicht jeden Tag Gelegenheit, eine Königin und einen Konnetabel von Frankreich zu bewillkommnen! Denn die Patin war die Königin Yolande von Anjou, imposant und schön unter der funkelnden Krone, die ihre schwarzen, goldbestickten Schleier hielt; der Pate war Richemont, in Gold und blauen Samt gekleidet, eine Kappe mit riesigen Perlen über dem narbigen Gesicht. Er geleitete die Königin an der Hand über die Teppiche, die man auf der Straße ausgelegt hatte, unter einem Regen von Blüten und Blättern, die die Mädchen über sie ausschütteten.

Beide dankten durch Winken und Lächeln für die Hochrufe und den Jubel der begeisterten Menge, glücklich über diesen ländlichen Feiertag, dem ihre Anwesenheit den Glanz eines königlichen Festes gab.

Dann folgten die Damen Madame de Richemonts, die einen zarten, schimmernden Wald vielfarbiger, hoher Spitzhauben anzuführen schien. Dann die Herren mit den markigen Gesichtern, unter denen man sich den berühmten, furchtbaren La Hire zeigte, der sein Bestes tat, liebenswürdig zu wirken, und den prunkvollen Xaintrailles, prächtig in grünem, golddubliertem Samt. Aber die Schönste, darüber waren sich alle in Montsalvy mit berechtigtem Stolz einig, war Dame Cathérine … Seitdem sie vor Monaten Messire Arnaud im Triumph ins Land seiner Väter zurückgeführt hatte, schien ihre Schönheit noch mehr erblüht zu sein. Sie hatte einen Grad der Vollkommenheit erreicht, eine Feinheit, die aus jeder ihrer Bewegungen ein Gedicht, aus jedem Lächeln eine Bezauberung machte. O ja, das Glück stand ihr gut! Unter dem Azurblau und Gold ihres Gewandes, unter der schaumigen Wolke von Musselin, die von ihrem Kopfputz herabfiel, sah sie wie eine Märchenfee aus … Sie war wirklich die Schönste, und Messire Arnaud, der sie stolz an der Hand führte, schien zutiefst davon überzeugt. Er trug ein schlichtes Wams aus schwarzem Samt, nur von einer schweren Kette aus Rubinen verziert, denn er hatte den Glanz seiner Frau durch die Einfachheit seiner Erscheinung noch erhöhen wollen. Und die guten Bauern waren ganz gerührt, als sie sahen, wie sie sich unaufhörlich wie ein junges Liebespaar anblickten.

Tatsächlich war Cathérine noch nie so glücklich gewesen. Dieser Oktobertag des Jahres 1435 war bestimmt der schönste Tag ihres Lebens, weil er alle die, die sie liebte, um sie versammelt hatte. Während sie die beflaggte Straße von Montsalvy hinunterschritt, die kleine Hand fest in die Arnauds gedrückt, dachte sie, daß sie im Schloß von ihrer Mutter erwartet wurde, die sie, überglücklich vor Freude, nach so vielen Jahren wiedergesehen hatte, und von ihrem Onkel Mathieu, der, zwar gealtert, doch immer noch munter und fidel, seit seiner Ankunft mit Saturnin, dem alten Pächter, von dem er unzertrennlich geworden war, tagelang das Land durchstreifte. Nur ihre Schwester Loyse war nicht gekommen, aber eine Klosterfrau gehörte nicht mehr der Welt. Sie war seit sechs Monaten Äbtissin der Benediktinerinnen von Tart und hatte durch einen Boten nur ihren Segen für das Kind übermittelt …

»Woran denkst du?« fragte Arnaud plötzlich, der seine Frau seit einem Augenblick lächelnd angesehen hatte.

»An all das … an uns! Hättest du wirklich geglaubt, daß man so glücklich sein kann? Wir haben alles: Glück, schöne Kinder, vortreffliche Freunde, eine Familie, Ehren, und sogar ein großes Vermögen …«

Dieses verdankten sie Jacques Coeur. Das Geld für den berühmten schwarzen Diamanten, von ihm gut angelegt, war im Begriff, sich in ein ungeheures Vermögen zu verwandeln, und obgleich er seine Zukunft damit aufbaute, obgleich er begann, den grandiosen Plan zu verwirklichen, den er für den Wiederaufbau seines Landes entworfen hatte, zahlte der Pelzhändler von Brügge, der auf dem besten Wege war, Finanzminister von Frankreich zu werden, seinen Freunden die Wohltaten, die er von ihnen in schweren Zeiten empfangen hatte, hundertfach zurück.

»Nein«, gab Arnaud ehrlich zu, »ich hatte es nie für möglich gehalten. Aber, ma mie, haben wir es uns nicht ein bißchen verdient? Wir haben soviel durchgemacht, besonders du …«

»Ich denke nicht mehr daran. Mein einziges Bedauern ist, daß Dame Isabelle, deine Mutter, nicht mehr bei uns ist …«

»Sie ist bei uns. Ich bin sicher, daß sie uns sieht, daß sie uns von jenem geheimnisvollen Ort aus hört, wo sie den großen Gauthier wiedergesehen haben muß … und dann, haben wir sie nicht wiedergeboren?«

Das stimmte. Isabelle, das Baby, ähnelte in nichts seiner Mutter. Es verband mit den blauen Augen der Großmutter das herrische Profil der Montsalvy im allgemeinen und das schwarze Haar ihres Vaters im besonderen. Wenn man Sara glauben wollte, war zu befürchten, daß es auch seinen unbeugsamen, jähzornigen Charakter haben würde.

»Wenn man sie nur ein wenig auf ihre Milch warten läßt«, seufzte die alte, zur Gouvernante erhobene Zigeunerin, »dann brüllt sie, daß die Mauern einstürzen …«

Im Augenblick schlief die junge Isabelle tief und fest in den Armen der famosen Frau, umhüllt von Seide und Spitzen ihres kostbaren Taufkleides. Der Lärm der Oboen und Querpfeifen, der um sie tobte, schien sie nicht zu stören. Eines ihrer winzigen Fäustchen klammerte sich an Saras Daumen, und es sah so aus, als könne sie nicht einmal der Knall einer Kanone dazu bringen, ein Auge zu öffnen.

Dafür war sie dem Ansturm der beiden Personen, die sich auf sie stürzten, sobald sie mit ihrem Zug im Schloßhof erschien, in dem sich Knechte, Bewaffnete und Dienerinnen drängten, wehrlos ausgeliefert: einem kleinen Knaben von drei Jahren, dessen goldenes Haar in der Sonne glänzte, und einer großen dicken Dame, ganz in Purpur und Gold gekleidet – ihr Bruder Michel und Dame Ermengarde de Châteauvillain, die Ehrenpatin.

Trotz der respektvollen, aber energischen Abwehr Saras und der Proteste Michels, der sich ebenfalls Isabelles bemächtigen wollte, trug Ermengarde den Sieg davon und stürmte mit ihrer schreienden Trophäe in den riesigen, weißen, ganz mit Gobelins behängten Saal, wo ein großes Festmahl aufgetragen war. Hinter ihr und dem Paten und der Patin ergoß sich der Zug ins Schloß, das bald von Rufen, Gelächter und den Lautenklängen der Musikanten, die die Mahlzeit begleiteten, widerhallte.

Während unter der Leitung Josses, des Schloßverwalters, und seiner Frau Marie das ganze Dorf sich an langen, im Hof aufgestellten Tischen neben gewaltigen Feuern niederließ, über denen ganze Hammel und eine Menge Geflügel brieten; während die Minnesänger die ersten Lieder unter den Bäumen des bereits von jungen Mädchen bevölkerten Obstgartens anstimmten; während die Kellermeister die Weinfässer und die Vierteltonnen Apfelmost anstachen, begann das prächtigste Festessen seit Menschengedenken im großen Saal.