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Ein zweiter, noch schrillerer Pfiff erscholl, als das Wesen den Boden berührte und sich - plötzlich ganz und gar nicht mehr langsam - auf wirbelnden Beinen herumdrehte.

Aber so schnell es auch war - Charity war schneller. Sie rollte herum, hob die Smith & Wesson und riss den Abzug durch. Die Waffe stieß einen kurzen, peitschenden Laut und eine unterarmlange Feuerlanze aus, und anderthalb Meter vor Charitys Gesicht spritzte etwas auseinander, das eine unangenehme Ähnlichkeit mit einer vielbeinigen Spinne hatte.

Charity unterdrückte den Ekel, den der Anblick in ihr wachrief, sprang auf die Beine und vollführte eine halbe Drehung, die Waffe im Anschlag.

Aber es gab nichts, worauf sie schießen konnte - oder wenn, dann sah sie es wenigstens nicht. Die Halle war so dunkel, dass selbst der Lauf ihrer Smith & Wesson in einer Hand aus schwarzer Watte zu verschwinden schien. Für Sekunden erstarrte sie zu vollkommener Bewegungslosigkeit, schloss die Augen und lauschte.

Sie vernahm Geräusche, sehr viele und sehr beunruhigende Geräusche, aber keine, die sie identifizieren konnte: ein Rascheln und Schleifen, ein Schaben und Zerren, ein leises Wispern, wie von fremden, bösen Stimmen...

Charity versuchte, diejenigen Laute auszusortieren, die nur Produkt ihrer überreizten Nerven waren, aber es gelang ihr nicht.

Unendlich vorsichtig, um nur kein verräterisches Geräusch zu verursachen, bewegte sie sich rückwärts, ging in die Hocke und tastete mit der linken Hand hinter sich. Ihre Finger glitten über den harten Beton des Hallenbodens, fühlten etwas Weiches - der Anblick des Spinnenungeheuers erschien für einen Moment vor ihren Augen, und wieder fühlte sie Ekel wie eine warme süßliche Woge in ihrer Kehle hochsteigen -, dann Widerstand. Einen Körper. Sie widerstand der Versuchung, sich herumzudrehen, sondern beugte sich nur ein wenig zur Seite und tastete nach der Lampe, während die Waffe in ihrer Hand beständig weitere unruhige Halbkreise durch die Dunkelheit beschrieb und auf alles zielte, was sich darin verbergen mochte.

Endlich ertastete sie das kühle Metall der Stablampe. Einen Moment lang verharrte sie noch reglos. Obwohl ihr die Dunkelheit fast den Verstand raubte, hatte sie beinahe noch größere Angst davor, den Lichtstrahl herumzuschwenken und zu sehen, was sich hinter der Wand aus Schwärze verbarg. Andererseits - kein Schrecken konnte so schlimm sein wie der, den ihr ihr eigenes Unterbewusstsein ausmalte.

Reiß dich zusammen, du hysterische Ziege! dachte sie wütend.

Du wärst längst tot, wenn hier irgend etwas wäre! Das stimmte natürlich nicht - ihre Gegner kamen aus einer Welt, die mit herkömmlicher Logik nicht mehr zu erklären war.

Ihr hämmernder Pulsschlag beruhigte sich ein wenig, und auch das Zittern ihrer Hände nahm ab, wenn es auch nicht ganz aufhörte.

Hinter ihrer Stirn kreisten die Gedanken, aber immerhin hatte sie sich so weit in der Gewalt, sich ganz langsam in eine geduckte Stellung zu erheben und die Lampe auszuschalten, ehe sie sie herumdrehte und in die Richtung hielt, in der sie in dieser totalen Dunkelheit das innere Schott vermutete. Mit einer entschlossenen Bewegung schaltete sie die Lampe ein.

Eine Sekunde später wünschte sie sich, es nicht getan zu haben.

Sie hatte sich getäuscht. Es gab durchaus Dinge, die schlimmer als alles Vorstellbare waren.

Es war ein Alptraum. Der dünne, zitternde Lichtkegel ihrer Lampe riss nur Fetzen aus der Dunkelheit, aber allein das wenige, was sie sah, ließ sie zusammenzucken.

Wo vor drei Monaten die fast klinisch saubere Schleusenhalle der Bunkeranlage gewesen war, erstreckte sich jetzt etwas, das als Kulisse eines Horror-Filmes hätten herhalten können. Nur dass es Realität war; eine entsetzliche Realität.

Charity unterdrückte ihren Widerwillen, machte einen vorsichtigen Schritt - aber nicht, ohne sich vorher davon zu überzeugen, wohin sie ihren Fuß setzte - und zwang sich, das fürchterliche Bild in allen Einzelheiten aufzunehmen. Grauer Schleim bedeckte den Boden und die Wände. Klumpige Verdickungen klebten überall. Formlose Dinge, die pulsierten und zitterten, als lebten sie. Hier und da krochen kleine, gepanzerte Wesen durch die glitzernde Masse, emsig beschäftigt mit Dingen, die sie nicht verstand und auch gar nicht verstehen wollte, und quer durch die gesamte Halle spannte sich etwas, das wie ein ins Absurde vergrößertes Spinnennetz aussah. Das Spinnentier fiel ihr wieder ein, das sie angegriffen hatte, und ein eisiger Schauer von Furcht lief prickelnd ihren Rücken herab.

Dieses Netz war entschieden zu groß, um nur das Werk eines einzigen dieser Tiere zu sein.

Sie machte einen weiteren Schritt, blieb wieder stehen und drehte sich mit klopfendem Herzen einmal um ihre Achse. Wenigstens sah sie keine Leichen. Die Männer, die hier am Tor auf sie gewartet hatten, mussten noch Zeit gefunden haben, sich in Sicherheit zu bringen, ehe dieses Insektenungeheuer die Schleusenhalle in ein Gruselkabinett verwandelt hatte.

Oder waren aufgefressen worden, flüsterte eine Stimme hinter ihrer Stirn. Fast gegen ihren Willen begriff sie, dass manche der zitternden Klumpen, die in das Netz eingesponnen waren, durchaus groß genug waren, einen menschlichen Körper aufzunehmen. Sie zwang sich, den Gedanken nicht zu Ende zu verfolgen, und ging zitternd weiter. Der Lichtstrahl ihrer Lampe tastete wie ein bleicher Geisterfinger durch die Halle.

Die Spinne hockte drei Meter über ihrem Kopf in einem Knotenpunkt dieses sonderbaren Netzes, und sie war sehr viel größer als das Tier, das sie angegriffen hatte. Es war auch nicht wirklich eine Spinne - ihr Körper war rund wie eine Kugel, ohne sichtbaren Kopf oder sonstige Extremitäten, sah man von den vielen haarigen Beinen ab, mit denen sie sich an ihrem Netz festklammerte. Ihr Maul war ein dreieckiger Schlitz, in dem spitze Zähne blitzten, und ihre Augen glichen eher denen von Katzen als von Insekten und wirkten sehr wach, erfüllt von einer Intelligenz, die Charity schaudern ließ.

Charity hob die Waffe und richtete ihren Lauf auf das braungraue Ungeheuer, aber das Tier machte nicht einmal den Versuch, sie anzugreifen.

Es hockte einfach da, blinzelte aus seinen großen, beunruhigend klugen Augen auf sie herab und bewegte dann und wann träge ein Bein.

Beinahe lautlos ging Charity weiter, duckte sich unter einem Faden des riesigen Netzes hindurch und näherte sich rückwärts gehend der gegenüberliegenden Wand und dem Tor. Sie hatte nicht vor, den Öffnungsmechanismus des Schotts überhaupt zu betätigen - wenn dort unten noch jemand am Leben war, dann hatten sie die atombombensichere Tür garantiert mit allem verrammelt, was ihnen zur Verfügung stand -, aber es gab eine kleine Tür, nur wenige Schritte entfernt, und neben anderen nützlichen Gegenständen befand sich auch der elektronische Schlüssel zu diesem Notausgang an ihrem Gürtel.

Die Spinne beobachtete sie, bewegte sich aber immer noch nicht.

Charitys Abstand zu ihr wuchs auf fünf, dann auf zehn Meter, und schließlich hatte sie das Tor erreicht. Hinter ihr lag jetzt nur noch der eisige Stahl der zweihundert Tonnen schweren Tür, die diese Bunkeranlage zur sichersten der Welt machte.

Langsam, ohne das grässliche Tier (Tier?) auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, schob sie sich am Tor entlang, bis der Stahl glattem, mit Kunststoff beschichtetem Feld und dann wieder eisigem Metall wich. Die Tür.

Charity zögerte. Wenn dieses... Wesen dort oben auch nur einen Teil der Intelligenz besaß, den es ihr zubilligte, dann musste es wissen, was die Waffe in ihrer Hand bedeutete. Aber es musste auch ebenso wissen, dass sie entweder die Smith & Wesson oder die Stablampe loslassen musste, um den Impulsgeber vom Gürtel zu lösen und die Tür zu öffnen. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Langsam hob sie die Waffe, zielte auf die Stelle genau zwischen den Augen des Insektenungeheuers - und zögerte wieder.

Etwas in ihr sträubte sich dagegen, das Tier einfach zu erschießen. Nicht Mitleid oder Skrupel; beides war ihr in den letzten beiden Wochen gründlich und für alle Zeiten ausgetrieben worden.