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Aber es war ein Gefühl, das sie warnte, das Monster einfach zu erledigen. Und sie hatte gelernt, auf Gefühle zu hören.

Langsam senkte sie die Waffe wieder, drehte sich herum, bis sie so stand, dass sie die Spinne und die Tür gleichermaßen im Auge behalten konnte, und versuchte mit der linken Hand den Impulsgeber vom Gürtel zu lösen, ohne dabei die Lampe fallen zu lassen.

Es war ein Kunststück, aber es gelang ihr. Zitternd vor Anspannung bewegte sie den kaum zigarettenschachtelgroßen Kasten auf das Panzerschott zu, lauschte auf das kaum hörbare Klicken, mit dem die Magnethalterung einrastete, und drückte mit aller Kraft den einzigen, roten Knopf, der die schwarze Plastik-oberfläche des Impulsgebers unterbrach.

Im gleichen Moment bewegte sich die Spinne.

Es ging so schnell, dass sie sich vor Charitys Augen in einen wirbelnden Schatten zu verwandeln schien; ein Huschen, dem ihr Blick kaum zu folgen vermochte.

Sie drückte ab, aber sie wusste schon im gleichen Moment, dass die Kugel nicht treffen würde. Das Tier war einfach zu schnell.

Verzweifelt versuchte sie, der rasenden Bewegung des pelzigen Balles mit der Lampe zu folgen, schoss noch einmal und noch einmal - ohne etwas auszurichten.

Dann war das Tier heran, schlug vor ihr einen blitzschnellen Haken nach rechts - und aus dem Netz über Charity löste sich ein gewaltiges Segment und fiel beinahe lautlos auf sie herab.

Charity schrie auf, machte einen Schritt zur Seite und stürzte auf den harten Betonboden, als sie sich in das dünne klebrige Gespinst verstrickte.

Verzweifelt zerrte sie an dem weißen Gespinst, erreichte damit aber nicht mehr, als sich nur noch mehr in dem weitmaschigen Netz zu verheddern. Die einzelnen Fäden waren kaum dicker als ein Haar, aber sie schienen unzerreißbar zu sein, und sie brannten wie Säure, dort, wo sie ihre bloße Haut berührten. Irgendwo hinter und über ihr erscholl ein dünner Pfeifton, gefolgt von einem metallenen Klicken, als die Panzertür aufsprang. Zu spät, dachte sie bitter. Zehn Sekunden zu spät. Verdammt, sie hatte einen Moment lang durchgehalten, hatte sich quer durch die Hölle bis hierher durchgekämpft - und das alles, um zehn verdammte Sekunden zu spät zu kommen!

Der Zorn, mit dem sie dieser Gedanke erfüllte, gab ihr noch einmal die Kraft, sich herumzuwälzen und die Hand nach der Waffe auszustrecken. Verzweifelt versuchte sie, das Brennen und Schneiden der ätzenden Fäden auf der Haut zu ignorieren, zog die Knie an den Körper und bewegte sich rhythmisch, um auf die Seite zu rollen und sich so der Smith & Wesson zu nähern. Die Waffe war ihr entglitten, aber sie konnte nicht weit sein, nur ein Stück, vielleicht einen halben Meter, nahe genug, um sie trotz des würgenden Netzes zu - Charity erstarrte, als sie ihre Drehung so weit vollendet hatte, dass sie die Waffe erkennen konnte.

Sie lag da, wo sie sie vermutet hatte, sogar noch ein bisschen näher, und die Spinne hockte mit weit ausgebreiteten Beinen darüber!!

Charity starrte das Ungeheuer an, und die Bestie starrte sie an.

Sie war jetzt sicher, sich das spöttische Glitzern in den Augen des gewaltigen Spinnentieres nicht nur einzubilden. Das Monster spielte mit ihr, so wie es die ganze Zeit über nur mit ihr gespielt hatte, ein gnadenloses Katz-und-Maus-Spiel, bei dem der Verlierer von Anfang an festgestanden hatte.

Und es war auch jetzt noch nicht zu Ende, dachte Charity düster.

Sie war hilflos, bewegungs- und fluchtunfähig eingewickelt in dieses verdammte Netz, und es wäre dem Tier ein leichtes gewesen, jetzt über sie herzufallen und sie zu töten.

Aber es tat nichts. Es kam nicht näher, bewegte sich nicht einmal, sondern starrte nur weiter auf sie herab.

Ein Stück hinter der Spinne erkannte sie einen großen bedrohlichen Schatten, und dann kroch ein zweites dieser Insektenungeheuer auf Charity zu, ein drittes, viertes...

Sie begriff plötzlich, wie sehr sie sich getäuscht hatte, als sie annahm, es nur mit dieser einen Spinne zu tun zu haben. Die Schleuse war voll von diesen haarigen Ungeheuern. Wahrscheinlich hatten sie zu Dutzenden in der Dunkelheit gelauert.

Charity seufzte leise. Seltsam - sie hatte gar keine Angst. Alles, was sie empfand, war ein heftiges Ekelgefühl, ein wenig Enttäuschung, dass nun alles zu Ende sein sollte, und eine absurde Heiterkeit - eindeutig Hysterie, diagnostizierte sie. Früher (Früher? Vor ein paar Wochen!!) hatte sie sich oft über Filme und Bücher geärgert, in denen der Held im allerletzten Moment aus den haarsträubendsten Situationen gerettet wurde. Sie hatte sich gewünscht, einmal eine Geschichte zu sehen, in der die Retter ein wenig zu spät kamen; vielleicht gerade noch zurecht, um die Reste des tapferen Helden von der Filmleinwand zu kratzen.

Und wie es aussah, ging ihr Wunsch jetzt in Erfüllung.

2. Kapitel - Vergangenheit

4. März 1998

Selbst über eine Entfernung von fast dreitausend Meilen hinweg bot das Schiff einen beeindruckenden Anblick. Falls es ein Schiff war. Und falls die Daten, die der Computer in die untere rechte Ecke des Bildschirmes eingeblendet hatte, tatsächlich stimmten.

Charity bezweifelte beides, obwohl beides sehr eindeutig schien - es gab weder einen Grund, an den Zahlen zu zweifeln, die die Computer errechnet hatten, noch daran, dass eine fast neunhundert Meter durchmessende, mattsilberne Scheibe, die mit irrsinniger Geschwindigkeit aus dem intergalaktischen Raum herausgestürzt kam und Kurs auf den dritten Planeten der Sonne hielt, irgend etwas anderes als ein Raumschiff sein sollte.

Und doch...

Alles in ihr sträubte sich einfach dagegen, auch nur einen dieser beiden Gedanken zu akzeptieren. Es gab keine neunhundert Meter durchmessenden Raumschiffe, und die Wahrscheinlichkeit für den Besuch einer anderen, denkenden Spezies aus den Tiefen des Kosmos war eins zu ... eins zu irgend etwas, jedenfalls.

So gering, dass man neue Zahlen erfinden musste, um sie auszudrücken.

Und trotzdem war dieses Ungetüm da. Es grinste sie groß von sämtlichen Monitoren des Kontrollpunktes aus an, bewegte sich seit annähernd fünf Wochen als grünleuchtender Blip über die Radarschirme der Raumüberwachung auf der Erde, und wenn sie ganz genau hinsah, konnte sie es sogar mit bloßem Auge erkennen, als einen von zahllosen, stecknadelkopfgroßen Lichtpunkten, die über die Bugscheibe der CONQUEROR verstreut waren. Das einzige, was ihn von den Millionen Sternen der Milchstraße unterschied, war der Umstand, dass er sich irrsinnig schnell bewegte.

»Wie lange noch?« Mikes Stimme riss sie in die Wirklichkeit zurück. Charity sah auf ihre Instrumente und antwortete automatisch.

»Siebzehn Minuten. Elf bis zum Aufstieg.« Sie seufzte, richtete sich im Pilotensitz auf und hob die Hände, wie um sich erschöpft durch das Gesicht zu fahren. Erst dann fiel ihr ein, dass eine solche Geste in einem hermetisch geschlossenen Raumanzug kaum möglich war.

Mit einer fast ärgerlichen Bewegung schnippte sie eine Anzahl Schalter auf dem Kontrollpunkt vor sich um und stand auf.

»Kommandant übergibt an Kopiloten«, sagte sie ins Mikrofon des Bordbuches; eine ebenso sinnlose wie alte Vorschrift, denn seit ihrem Start vor dreieinhalb Wochen hatte niemand an Bord auch nur einen Atemzug getan, der nicht auf mindestens drei verschiedenen Videotapes festgehalten und sofort zur Erde gefunkt worden war.

Etwas leiser fügte sie hinzu: »Machen Sie es sich bequem, Niles. Für die nächsten neunzig Minuten gehört die Kiste Ihnen.«

Sie konnte Niles Gesicht nicht erkennen, während er sich in seinem schweren Raumanzug an ihr vorbeischob und im Pilotensitz Platz nahm, aber sie konnte sich den Ausdruck darauf gut vorstellen.