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Er brach wieder ab, lehnte sich plötzlich zur Seite und zog ein Hochglanzfoto aus einem fast zwanzig Zentimeter hohen Bilderstapel auf dem Tisch. Während Charity geschlafen hatte, hatte er Hunderte von Abzügen von den Bildern machen lassen, die sie geschossen hatten. Er hielt Charity das Bild hin. »Sehen Sie sich das an.«

Charity gehorchte. Im ersten Moment war sie überrascht - das Bild zeigte den gewaltigen Raketenmotor, den sie entdeckt hatten, aber zehnmal schärfer und detaillierter, als sie ihn in Erinnerung hatte. Nun, schließlich hatten sie nicht umsonst die besten Kameras und empfindlichsten Filme an Bord, die es überhaupt gab.

Eine Weile betrachtete sie das Bild neugierig, dann sah sie Soerensen an und zuckte mit den Schultern. »Und? Ein ganz normaler Raketenmotor.«

»Eben«, sagte Soerensen. Irgendwie klang er niedergeschlagen, fand Charity. »Das ist es ja gerade.«

Charity legte den Kopf schräg und sah ihn fragend an.

Soerensen nahm ihr das Bild fort, klaubte ein weiteres aus dem Stapel, machte aber keine Anstalten mehr, es ihr zu zeigen. Er seufzte. »Wie gesagt, es ist nur mein erster Eindruck, aber ...«

Er sprach auch jetzt nicht weiter, und Charity glaubte plötzlich auch zu wissen, warum: Weil er Angst vor dem hatte, was er eigentlich sagen wollte.

»Aber?« sagte sie.

Soerensen seufzte wieder. Er wirkte verstört. »Dieses Triebwerk, Captain Laird«, sagte er. »So etwas haben wir vor zehn Jahren schon besser gebaut.«

Es dauerte einen Moment, bis Charity begriff. Aber sie war nicht sehr überrascht.

Eigentlich hatte sie es die ganze Zeit über gewusst.

»Ich habe die Proben untersucht, die Lieutenant Wollthorpe vom Schiff genommen hat«, fuhr Soerensen fort, als sie nicht reagierte. »Wissen Sie, was es ist?«

»Woher?«

»Titanium«, sagte Soerensen. »Ganz normales Titanium. Nicht einmal besonders reines. Dieses Schiff hier besteht aus einem besseren und widerstandsfähigerem Material.«

»Sie wollen sagen, dass unsere großen Brüder aus dem Kosmos gar nicht so großartig sind«, sagte Charity leise.

»Ich will überhaupt nichts sagen«, fauchte Soerensen, plötzlich gereizt. Vielleicht war ihm eingefallen, dass jedes seiner Worte aufgenommen und sofort und live zur Erde gefunkt wurde. »Wir waren nicht einmal zehn Minuten im Inneren dieses Schiffes. Wir haben nur einen Bruchteil dessen gesehen, was es enthält.«

»Zum größten Teil gar nichts«, erinnerte Charity. »Wissen Sie, Professor - das ist es, was mir das größte Kopfzerbrechen bereitet. Wer baut ein so gewaltiges Schiff, um es dann vollkommen leer auf die Reise zu schicken?«

»Vielleicht war es nicht mehr leer«, sagte Soerensen.

Charity lachte gequält. »Ja, sicher. Es wird irgendwo unterwegs ausgeplündert worden sein, wie? Von Raumpiraten.«

»Es war sehr lange unterwegs«, erwiderte Soerensen ernst. Er deutete wieder auf die Materialproben. »An diesem Metall klebt kosmischer Staub. Ich kann mit diesen primitiven Geräten hier keine genauen Bestimmungen vornehmen, aber dieses Schiff bewegt sich seit mindestens fünfzehntausend Jahren durch das All. Vielleicht auch schon viel länger. Haben Sie eine Ahnung, was in dieser Zeit alles passieren kann?«

Natürlich hatte Charity das nicht - niemand hatte das -, aber sie nickte trotzdem. Sie wusste, was Soerensen meinte.

»Vielleicht gab es eine Katastrophe«, sagte sie. »Vielleicht ist es nicht fertig geworden. Vielleicht war es eine Art Transporter, der außer Kontrolle geriet, ehe er beladen wurde. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, ein so riesiges Schiff zu bauen, als den, irgend etwas zu transportieren.«

»Sie nicht«, bestätigte Soerensen. »Und ich auch nicht. Aber das heißt nicht, dass es so war. Wissen Sie, wie außerirdische Lebensformen denken?«

»Nein«, gestand Charity. »Aber wenn dieses Schiff wirklich so rückständig ist, wie Sie sagen ...«

»Das habe ich nicht gesagt«, unterbrach sie Soerensen. »Es ist in Teilen primitiver, als ich erwartet habe, das stimmt. Andererseits wären wir nicht in der Lage, ein solches Riesenschiff zu bauen und zu anderen Sonnensystemen zu schicken.«

»O doch«, widersprach Charity. »Es ergäbe nur keinen Sinn.«

Soerensen nickte, starrte an ihr vorbei und biss sich auf die Unterlippe. »Da ist noch etwas«, sagte er, ohne sie anzusehen.

Charity wurde hellhörig. »Ja?«

Der Wissenschaftler beugte sich über den Tisch und nahm ein in durchsichtiges Plastik verschweißten Gegenstand zur Hand. »Das hier hat Lieutenant Bellinger gefunden«, sagte er. »Ganz in der Nähe dieses sonderbaren Ringes. Was glauben Sie, was es ist?«

Charity hatte keine besondere Lust, Ratespielchen zu spielen, aber sie tat ihm den Gefallen, sich das Fundstück einige Sekunden lang genauer anzusehen.

Es war ein längliches, geschwärztes Stück Metall oder Kunststoff, brüchig und porös geworden von Soerensens mindestens fünfzehntausend Jahren, die es in absolutem Vakuum und Weltraumkälte dagelegen hatte.

»Und?« fragte sie.

Soerensen nahm ihr den Gegenstand vorsichtig wieder aus der Hand - immerhin war er etliche Millionen Dollar wert - und legte ihn an seinen Platz zurück. »Ich habe es für irgendein Bruchstück gehalten«, sagte er. »Etwas, das von etwas anderem abgebrochen ist, vielleicht auch einfach nur Abfall, den man wegzuräumen vergessen hat.«

Charity sah ihn verwirrt an.

»Dann habe ich es durchleuchtet.« Er drehte sich herum und schaltete einen der zahllosen Monitoren an der Wand vor sich ein.

Charity erkannte den Umriss des länglichen Gegenstandes, den sie gerade in der Hand gehalten hatte. »Diese schwarze Masse ist nichts als kosmischer Staub«, fuhr er fort. »Eine Art Kruste, die sich darauf gebildet hat. Und das da«, fügte er nach einer genau berechneten Pause hinzu, »war darunter, Captain Laird.«

Er drückte einen Knopf, und das Bild wechselte.

Charity erkannte es sofort, aber alles in ihr weigerte sich, es zu akzeptieren.

Es war eine Art Finger; allerdings nicht der Finger eines Menschen, sondern eine Klaue, fünfzehn Zentimeter lang und mit zwei übergroßen, verkrüppelt wirkenden Gelenken. Sie bestand aus schwarzem, brüchig gewordenem Chitin.

Es war die Klaue eines gigantischen Insektes.

Warum erschreckte sie diese Klaue so? Sie war nicht einmal sicher, dass es sich wirklich um eine solche handelte - selbstverständlich hatte Soerensen es nicht gewagt, sie schon an Bord der CONQUEROR von ihrem Panzer aus kosmischem Staub zu befreien, und er hatte es ebenso wenig gewagt, irgendwelche anderen Untersuchungen anzustellen, so dass sie auf das nicht besonders scharfe Ultraschallbild angewiesen waren - keine Röntgenaufnahmen, keine weiteren Durchleuchtungen, nichts, was ihren Fund in irgendeiner Weise beeinträchtigen konnte.

Und trotzdem war die Beunruhigung geblieben. Charity sah das Bild der ins Riesenhafte vergrößerten Insektenkralle im Traum. Sie fragte sich, warum dieses Bild sie so verfolgte, und mit solchem Schrecken. Dieses Krallenwesen war seit gut fünfzehntausend Jahren tot, und selbst wenn sie Insekten waren, was war schlimm daran? Was hatte sie erwartet? Kleine grüne Männchen oder galaktische Telefonfetischisten mit großen Köpfen und Leuchtfingern? Lächerlich.

Das war die eine Seite, die logische.

Leider gab es noch eine andere, und sie sorgte dafür, dass Charity während des achtzehntägigen Fluges nach Hause nicht besonders gut schlief. Es war nicht allein diese Kralle, die sie gefunden hatten: Bei aller verständlicher Paranoia musste sie sich eingestehen, dass es ein Dutzend überzeugender und wahrscheinlich einige tausend mögliche Erklärungen für dieses Fundstück gab. Aber etwas... hatte sie im Inneren dieses riesigen Sternenschiffes berührt. Und verändert.

Der Blick. In ihren Träumen sah sie ihn immer wieder, und manchmal war der zyklopische Ring auf seiner Oberfläche nicht leer, sondern erfüllt von namenlosen schrecklichen Dingen, und ein paarmal krochen Insektenwesen aus ihm heraus und auf sie zu, und...