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Und an dieser Stelle wachte sie regelmäßig auf, als wäre der Regisseur dieses ganz privaten Horror-Filmes in ihr zu dem Schluss gekommen, dass es genug war.

Sie sprach zu niemandem von ihren Träumen, nicht einmal zu Mike. Einmal spielte sie mit dem Gedanken, mit Bellinger zu reden - wozu hatten sie einen Psychologen an Bord? -, aber der Gedanke an die - zigtausend anderen Ohren, die ihr Gespräch mithören würden, brachte sie von der Idee ab. Es gab keinen Ort auf der CONQUEROR, an dem sie ungestört reden konnten. Angeblich waren die Mikrofone und Sender abgeschaltet worden, nachdem sie ihre Mission erfüllt hatten, aber Charity hatte da gewisse Zweifel.

Was die technische Seite ihres Rückfluges anbelangte, verlief alles so perfekt, wie es überhaupt nur möglich war. Nach achtzehneinhalb Tagen - die gute alte Erde war so freundlich gewesen, ihnen entgegenzukommen - tauchte die CONQUEROR in die Atmosphäre ein und landete fast auf die Minute genau auf einem großräumig abgesperrten Teil der Jefferson-Air-Base.

Sie hatte mit einigen Unannehmlichkeiten gerechnet, aber was nach ihrer Rückkehr geschah, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Sie wurde von den anderen getrennt und untersucht, und danach begannen die Verhöre, unter denen sie mehr litt, als sie zugeben wollte. Keine Sekunde ihres Aufenthaltes auf dem Schiff, zu der sie nicht befragt wurde, keine Videoaufnahme, die sie nicht erklären musste, keine ihrer eigenen Worte - oder auch nur hingeworfenen Bemerkungen -, die ihr vom Band vorgespielt wurden und die sie kommentieren musste, immer und immer und immer wieder, bis sie bald selbst nicht mehr wusste, was sie nun gesagt hatte und warum. Am Ende kam sie sich beinahe wie eine Verbrecherin vor.

Und als sie fertig waren und sie - endlich - entließen, begann der zweite Teil der Tortur: Das Sternenschiff war in einigen hunderttausend Kilometern Entfernung an der Erde vorübergerast und näherte sich nun der Sonne, und sie und die fünf anderen waren die einzigen Informationsquellen für die Öffentlichkeit.

Es war die Hölle.

Nach drei Tagen sehnte sie sich in das Verhörzimmer im NASA-Hauptquartier in Houston zurück, und nach weiteren drei Tagen spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, auf jeden Reporter zu schießen, der ihr näher als fünf Meter kam. Es war beinahe unmöglich, den Fernseher einzuschalten oder eine Zeitung aufzuschlagen, ohne ihr Porträt zu erblicken.

Es dauerte drei Wochen, dann geschah etwas, was das Interesse der Öffentlichkeit schlagartig von Captain Charity Laird und den anderen Mitgliedern der CONQUEROR-Expedition ablenkte: Das Sternenschiff kam zurück.

Und diesmal landete es.

3. Kapitel - Gegenwart

12. Dezember 1998

Es waren keine heldenhaften Retter, sondern ein Strahl aus blutfarbenem Licht, der von irgendwo über Charity herabstach und das Spinnenmonster aufspießte.

Das Tier verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde in einen rauchenden Schlackehaufen, aber der Laserblitz erlosch nicht, sondern wanderte im Zickzack weiter, brannte eine rotleuchtende Spur in den Beton des Bodens und traf ein zweites Ungeheuer, und fast im gleichen Moment flammten ein zweiter und dritter Laserstrahl auf, während der erste flackernd erlosch. Fünf Sekunden Dauerfeuer, dachte Charity kalt. Das Magazin der Waffe musste fast leergeschossen sein.

Erst dann begriff sie ganz allmählich, dass sie gerettet war; wenigstens für den Augenblick.

Jemand beugte sich über sie. Ein Gesicht, das nur schattenhaft hinter der getönten Scheibe eines Helmes sichtbar war, blickte auf sie herab, Lippen formten eine lautlose Frage, während die beiden anderen Männer ununterbrochen weiterschossen.

Großer Gott, dachte Charity, wie viele dieser Spinnenungeheuer waren hier?!

Der Mann über ihr legte sein Gewehr zu Boden, packte sie kurzerhand unter den Armen und zerrte sie mit sich, während er sich rückwärts gehend auf die Tür zubewegte, durch die er und die beiden anderen gekommen waren. Charity erhaschte einen kurzen Blick auf die Schleusenhalle, und was sie sah, ließ ihr Herz abermals einen schmerzhaften Sprung machen: Die Schwärze war dem flackernden roten Licht zahlloser Brände gewichen, und dieses Höllenlicht offenbarte ihr ein geradezu apokalyptisches Bild. Der Boden der Halle schien zu leben, ein brauner, brodelnder Teppich aus Hunderten von Spinnentieren, zwischen denen sich andere, gepanzerte Kreaturen bewegten, die nur aus Zähnen und Stacheln zu bestehen schienen. Die Laser der beiden Soldaten brannten die angreifenden Tiere zu Dutzenden nieder, aber es war sinnlos. Ihre Übermacht war einfach zu groß, um sie selbst mit der zehnfachen Anzahl von Waffen aufhalten zu können.

Die beiden Soldaten zogen sich in den kleinen Schleusenraum zurück, in dem sich Charity und ihr Retter befanden. Die Faust des einen hämmerte auf eine Schalttafel, und die Tür begann sich zu schließen. Aber sie tat es mit quälender Langsamkeit, und als begriffen die Tiere, dass ihnen ihre schon sicher geglaubte Beute im letzten Moment doch noch zu entkommen drohte, verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Trotz des mörderischen Laserfeuers gelang es einem der gewaltigen Spinnentiere, noch durch die Tür zu schlüpfen, ehe sie sich endgültig schloss.

Charity schrie vor Schrecken auf, als sie sah, wie einer der Soldaten seine Waffe senkte und auf die Bestie anlegte. Wenn dieser Idiot seinen Gammastrahllaser in dieser winzigen Kammer abfeuerte, dann wurden nicht nur die Spinne, sondern sie alle vier gleich mitgebraten!

Aber der Mann begriff im letzten Moment, was er beinahe getan hätte; vielleicht warnte ihn auch Charitys Schrei. Statt zu feuern, drehte er die Waffe in den Händen herum und erschlug das Tier mit dem Kolben. Schweratmend richtete er sich auf und wandte sich Charity zu. Ein verzerrtes Grinsen malte sich hinter der Sichtscheibe seines Helmes ab. »Danke. Ich ... hätte fast die Nerven verloren.«

Er warf sein Gewehr zu Boden, griff an den Hals seines silberfarbenen Schutzanzuges und löste mit einer heftigen Bewegung den Helm. Darunter kam ein sehr junges - und im Augenblick sehr erschöpftes - Gesicht zum Vorschein; dunkle Augen, in denen eine unbestimmte Furcht nistete, ein schmaler, fast blutleer zusammengepresster Mund und Wangen, die eingefallen und grau und krank aussahen. Er war nicht älter als fünfundzwanzig, aber sein Gesicht war das eines Menschen, der hundert Jahre Terror erlebt hatte. Seit dieser ganze Alptraum begonnen hatte, hatte Charity fast nur in solche Gesichter geblickt.

»Alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte er. Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, ging er neben ihr in die Hocke, zog ein Messer aus dem Gürtel und begann die Fäden zu zerschneiden, die Charity einhüllten. Obwohl er sehr vorsichtig zu Werke ging, presste Charity vor Schmerz die Lippen aufeinander. Die Fäden brannten nicht nur wie Säure auf der Haut, sie klebten auch verdammt fest, und hier und da blieben Blut und kleine Hautfetzchen an ihnen haften, wenn er sie abschnitt. Als er endlich fertig war, standen ihr die Tränen in den Augen. Sie fühlte sich, als hätte jemand versucht, sie bei lebendigem Leibe zu häuten.

»So«, sagte der junge Soldat. »Das reicht fürs erste. Den Rest schneidet Ihnen der Doc herunter. Unten im Bunker. Alles in Ordnung?« fragte er noch einmal.

Charity nickte, setzte sich behutsam auf und tastete mit zusammengebissenen Zähnen nach ihrem Gesicht. An ihren Fingerspitzen klebte Blut, als sie die Hand zurückzog.

»Fabelhaft«, antwortete sie. »Wer sind Sie? Der Foltermeister der Station?«

Ihr Retter lachte leise. »Das Empfangskomitee«, sagte er. »Wenigstens das inoffizielle. Das andere ...« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zurück, »...haben Sie ja schon kennengelernt.« Er seufzte, richtete sich mit einer kraftvollen Bewegung auf und wurde übergangslos wieder ernst. »Ich bin Lieutenant Stone. Captain Laird, wie ich vermute?«