Aber all das konnte er nicht erzählen. Es war ihm unmöglich, von seinem bohrenden Verdacht zu sprechen, dass sie am Ende wirklich recht gehabt hatte. Er konnte auch nicht diese tiefe Liebe erklären, die er sogar nach ihren Kämpfen noch für sie empfand, wenn sie zum Beispiel im Garten kniete oder vor dem Zubettgehen das Haar bürstete. Er liebte sie voller Treue und Hingabe und einer geradezu tierhaften stummen Beharrlichkeit. Er liebte sie sogar, wenn er sie als frigid beschimpfte.
Er schaute blinzelnd in den strahlend blauen Himmel und auf die Bucht in der Ferne.
Dann sagte er: »Ich habe meine Frau sehr geliebt. Ich konnte es nicht ertragen, als sie wegging.«
»Weshalb ist sie denn gegangen?«, fragte Archer. »Sie können mir jederzeit sagen, dass ich die Klappe halten soll.«
»Es war eher eine politische Meinungsverschiedenheit. Ich arbeitete damals für eine kleine Forschungsfirma in Seattle. Barbara war unter anderem auch Mitglied der Friedensbewegung. Eines Tages kam sie nach Hause und erzählte, dass meine Firma in Kürze einen umfangreichen Regierungsauftrag erhalten solle. Es ginge um Waffenforschung im Zusammenhang mit dem SDI-Programm. Ich erwiderte, an diesen Gerüchten sei nichts dran. Die Leute, für die ich arbeitete, hatten einen strengen Ehrenkodex und stets das Wohl der Gesellschaft im Auge; ich würde die Leute kennen. Ich erkundigte mich, stellte ein paar Fragen und erfuhr nichts. Ich blieb bei meiner Meinung. Eigentlich war es ein Streit wie viele davor. Aber es stellte sich heraus, dass es unser letzter war. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, mit jemandem verheiratet zu sein, der in der Rüstungsindustrie arbeitete. Für Barbara verdiente ich schmutziges Geld.«
»Und deshalb trennten Sie sich?«
»Deshalb, und weil sie jemand anderen kennengelernt hatte.«
»Jemanden in der Bewegung«, vermutete Archer. »Jemanden, der ihr alles Mögliche über Regierungsaufträge erzählte.«
Tom nickte.
»Ganz schön schlimm. Sie fingen daraufhin an zu trinken — und verloren Ihren Job, nicht wahr?«
»Ich begann mit dem Trinken erst später. Ich verlor meinen Job, weil die Gerüchte sich als wahr herausstellten. Die Firma hatte sich um Beteiligungen an der Satellitenforschung beworben; die nordwestpazifischen Staaten sollten auch ihren Anteil beitragen. Das Ganze war von einiger Geheimniskrämerei umgeben, und man redete sogar von Spionage. All diese Fragen stellte ich, weil ich Barbara beruhigen wollte. Daraufhin betrachtete man mich als Sicherheitsrisiko.«
Tom stand auf und klopfte die Erde von seiner Jeans.
»Auf Anhieb«, sagte Archer, »würde ich meinen, dass Sie genauso normal sind wie jeder andere. Ein wenig angeschlagen vielleicht. Abgesehen von dem, worüber wir bereits gesprochen haben — hören Sie ab und zu Stimmen?«
»Nein.«
»Denken Sie an Selbstmord?«
»Um drei Uhr morgens, wenn es mir mal wirklich schlecht geht — dann vielleicht. Ansonsten nicht.«
»Nun, ich bin kein Gehirnklempner. Aber für mich klingt es, als seien Sie weit davon entfernt, verrückt zu sein. Ich denke, wir sollten herauszufinden versuchen, was in dem Haus vor sich geht, das Sie gekauft haben.«
»Gut«, sagte Tom.
Sie gaben sich die Hand, und Tom lächelte Archer erleichtert an, aber ein neuer und ziemlich unwillkommener Gedanke war in seinem Bewusstsein aufgetaucht: Wenn ich nicht verrückt bin, dann sollte ich zumindest Angst haben, oder nicht?
3
Am nächsten Morgen, es war der Sonntag, fiel Tom plötzlich ein, dass er Archer nichts von den Löchern im Hausfundament erzählt hatte.
Vielleicht war es ein Fehler, das zu verschweigen, diesen einzigen greifbaren Beweis, dass das, was er erlebt hatte, keine Illusion gewesen war.
Aber er hielt es mit Absicht zurück, bewahrte einen winzigen Teil des Erlebnisses als sein ganz persönliches Eigentum. Es war ein seltsamer Gedanke, dass er Besitzansprüche auf einen Fluch (oder was immer hier passierte) anmeldete. Aber hatte Archer nicht genau das Gleiche getan? All dieses Gerede von Magie, als wäre dies sein ganz persönliches Wunder.
Aber es war nicht Archer gewesen, dessen Name in einem Traum genannt worden war. Es war nicht Archer gewesen, der am Fenster gestanden, die Schatten der Kiefern beobachtet und eine Stimme unter ihrem Seufzen und Ächzen zu hören geglaubt hatte. Tom Winter hatte die Stimme gesagt. Und jetzt, nachdem er tief und fest geschlafen hatte, kam es ihm so vor, als wäre da noch eine andere Botschaft gewesen, weniger deutlich, aber durch die Erinnerung etwas klarer:
Hilf uns, hatten die Stimmen gesagt.
Hilf uns, Tom Winter. Bitte, hilf uns.
Archer erschien am gleichen Nachmittag mit einem Videorekorder, einer Sony-Videokamera und einem Stativ. Er hatte alles im Kofferraum seines Wagens verstaut.
Tom half ihm beim Ausladen und beim Aufbau der Geräte im Wohnzimmer. Dort wirkten die Gegenstände wie die Requisiten aus einem Science-Fiction-Film. Er machte zu Archer eine dementsprechende Bemerkung. Archer zuckte nur die Achseln. »Das ist es doch auch, was wir hier spielen, oder etwa nicht?«
»Ich betrachte das Ganze nicht unbedingt als Spiel. Ich wohne und lebe schließlich hier.«
»Sie leben hier. Ich spiele.«
»Das ist kein Huckleberry-Finn-Abenteuer, Doug. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Mir macht das Ganze nicht sehr viel Spaß.«
»Ist während der Nacht irgendetwas passiert, oder haben Sie nur schlechte Laune?«
»Nein, nichts ist passiert.« Die Frage bereitete ihm Unbehagen. »Wofür soll das alles gut sein?«
»Zur Beobachtung. Das Auge, das niemals schläft. Sehen Sie mal.«
Tom schaute durch den Sucher der Videokamera. Sie war auf die Küche gerichtet und fing einen ziemlich großen Ausschnitt des Raums ein. Zu sehen waren auch die Stahlspüle und die geflieste Ablage. Eine Digitaluhr in einer Ecke des Bildes auf dem Schirm gab das Datum, die Stunde, die Minute und die Sekunde an.
Archer erklärte: »Die Kamera ist an den Videorekorder angeschlossen, und ich stelle den Timer auf Mitternacht ein. Bei der langsamsten Geschwindigkeit haben wir Videoband für etwa acht Stunden zur Verfügung. Man überlässt alles sich selbst, schläft selig, und morgen früh sehen Sie, was wir festgehalten haben.«
Tom schüttelte den Kopf. »Das werden sie wohl nicht mit sich machen lassen.«
Archer betrachtete ihn neugierig.
Tom nahm sein Auge vom Sucher. »Und was unternehmen wir in der Zwischenzeit?«
»Ich denke, am logischsten wäre es, wenn wir die Küche in Unordnung bringen.«