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»Herzlichen Glückwunsch.«

»Es ist erstaunlich«, sagte er.

»Sie kommen wirklich von außerhalb.«

»Das können Sie laut sagen.« Sein Grinsen wirkte übertrieben und ein wenig albern.

»Fühlen Sie sich heute Morgen etwas besser?«

»Ja, besser. Geradezu ausgelassen.«

»Na ja, seien Sie nicht zu ausgelassen. Wahrscheinlich brauchen Sie erst mal ein anständiges Frühstück.«

»Wahrscheinlich.« Dann fügte er hinzu: »Ich bin noch immer pleite.«

»Nun — ich kann für uns beide das Frühstück bezahlen. Aber ich bin mittags mit Lawrence verabredet. Lawrence wird sicherlich nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass Sie hier geschlafen haben.« Tom nickte verständnisvoll, ohne zu fragen, wer Lawrence war. Sehr rücksichtsvoll, dachte Joyce.

Sie schloss die Wohnungstür ab, und zusammen gingen sie hinunter auf die Straße. Der Himmel war klar, und die Luft hatte sich erwärmt. Das traf sich gut, denn Tom hatte keinen Mantel, den er über seinem Baumwollhemd hätte tragen können. Sie wollte ihm einen Trödler für gebrauchte Kleidung empfehlen — »Sobald Sie wieder Geld haben«. Aber er wischte das Problem mit einer Handbewegung beiseite. »Über Geld zerbreche ich mir später den Kopf.«

»Das ist eine begrüßenswerte Einstellung.«

»Zuerst einmal muss ich dafür sorgen, dass ich wieder nach Hause komme.«

»Brauchen Sie dazu kein Geld?«

»Das Geld ist nicht das wesentliche Problem.«

»Und was ist das Problem?«

»Die physikalischen Gesetze. Mechanische Mäuse.« Joyce musste gegen ihren Willen lächeln. Er fuhr fort: »Ich kann es nicht erklären. Vielleicht später mal. Wenn ich wieder hierher zurückfinde.«

Sie sah ihm in die Augen. »Meinen Sie das ernst?«

»Sehr ernst sogar.«

Sie bestellte in einem Café für sie beide ein Frühstück. Diese Einladung riss ein Loch in ihre Kasse — aber wofür war Geld sonst da? Tom bestand darauf, eine Zeitung zu kaufen, und dann blätterte er hin und her… ohne sie eigentlich richtig zu lesen. Er inspiziert sie irgendwie, dachte Joyce. Sie selbst hatte seit dem Weltraumstart John Glenns im Februar keine Zeitung mehr in der Hand gehabt. Sie sagte: »Sind Sie nur Autoverkäufer, oder sind Sie auch Dichter?«

»Ich habe noch nie ein Gedicht verbrochen.«

»Ich dachte an die mechanischen Mäuse. Außerdem sind wir hier im Village. Und da sind Dichter zahlreicher als Kakerlaken.«

»Mein Gott, das ist es, nicht wahr? Das ›Village‹.« Er schaute von der Zeitung hoch. »Sie machen Musik?«

»Manchmal«, gestand Joyce.

»Ich hab Ihre Gitarre in der Wohnung gesehen. Eine zwölfsaitige Hohner. Gar nicht schlecht.«

»Spielen Sie auch?«

»Ein wenig. Am College habe ich früher gespielt. Es ist aber schon ein paar Jahre her.«

»Wir sollten mal zusammen etwas spielen. Wenn Sie zurückkommen.«

»Gitarrenspieler gibt es hier sicherlich genauso viele wie Dichter.«

»Ungefähr wie Schneeflocken. Keiner gleicht dem anderen.« Sie lächelte. »Aber, ernsthaft, wenn Sie wieder mal hier vorbeikommen…«

»Vielen Dank.« Er sah auf seine Uhr und stand auf. »Sie waren sehr großzügig.«

»Nichts zu danken. Außerdem mag ich Sie.«

Er ergriff für einen kurzen Moment ihre Hand. Die Berührung war nur flüchtig, aber warm, und sie spürte ein kleines Vibrieren, ein Kitzeln — geheimnisvoll, unerwartet.

»Vielleicht bin ich bald wieder hier«, sagte er.

»Leben Sie wohl, Tom Winter.«

Er trat hinaus in den blassen Sonnenschein, verharrte für einen kurzen Moment in der Türöffnung, dann entfernte er sich mit unsicheren Schritten nach Osten.

Hoffentlich findest du, was du suchst, dachte sie. Ein Wunsch zum Abschied. Allerdings schien es nicht sehr wahrscheinlich.

Vermutlich, dachte sie, sehe ich dich nie wieder.

Sie trank ihren Kaffee und warf einen Blick in die Zeitung, aber es gab nur schlimme Neuigkeiten. Zwei Männer waren in einer Gasse nicht weit von ihrer Wohnung entfernt ermordet worden. Während sie geschlafen hatte, war der Tod in den Straßen unterwegs gewesen.

Es war ein beängstigender Gedanke, und sie sah auf, reckte den Hals, um Tom auf der Straße zu suchen. Aber er war bereits verschwunden, untergetaucht im morgendlichen Verkehr und unauffindbar.

5

Der Angestellte an der Rezeption blickte in das Gästebuch, während er ihr den Schlüssel reichte. »Zimmer 312, Mrs. Winter.«

Barbara erschrak. Hatte sie sich tatsächlich unter diesem Namen eingetragen? Sie nahm den Schlüssel entgegen und warf einen Blick auf die Seite, wo sie, ja, in sauberer Handschrift Mrs. Barbara Winter geschrieben hatte.

Das Motel war nicht mehr als eine dreistöckige Biwakhütte, die eine Autostunde von Belltower entfernt an einem tristen Highway-Abschnitt stand. Sie hatte eigentlich durchfahren wollen, aber Tonys Anruf hatte sie an diesem Nachmittag während einer Konferenz in Victoria, B. C, erreicht, und es war schon spät. Sie war müde, und ihr Wagen ebenso. Daher hatte sie bei leichtem Regen um halb elf vor dieser wenig einladenden Unterkunft angehalten und ihren Namen ins Gästebuch eingetragen.

Zimmer 312 roch nach trockener Wärme und Desinfektionsmitteln. Das Bett knarrte, und wenn man die Fensterläden öffnete, blickt man hinaus auf die verzerrte Spiegelung der Neonschrift — ZIMMER FREI — auf dem nassen Asphalt des Parkplatzes. Pkws und Trucks sausten in Gruppen von drei oder vier Fahrzeugen mit singenden Reifen vorbei.

Vielleicht ist es dumm, ihn zu besuchen.

Der Gedanke war nicht zu vermeiden. Er meldete sich immer wieder, seit sie sich in den Wagen gesetzt hatte und gestartet war. Er tauchte erneut in ihrem Bewusstsein auf, während sie aus ihren Jeans und ihrer Bluse schlüpfte und in die Duschkabine trat, um sich den Straßenstaub abzuwaschen.

Vielleicht war es wirklich dumm, ihn zu besuchen. Vielleicht war es auch sinnlos. Rafe hatte es ganz gut aufgenommen, ohne sein Missfallen allzu deutlich zu zeigen. Aber Rafe, dreiundzwanzig Jahre alt, betrachtete den Altersunterschied von sechs Jahren zwischen ihnen als eine tiefe Kluft und fühlte ihre Beziehung von ihrer dauerhaften Zuneigung zu Tom ständig bedroht. Sie war ihm entgegengekommen und hatte ihre Kontakte auf ein Minimum beschränkt… bis jetzt.

Es war dumm, ihre Beziehung zu Rafe aufs Spiel zu setzen. Es war die einzige Beziehung, die sie im Augenblick unterhielt, und wollte sie auf keinen Fall verlieren. Aber sie dachte auch daran, was Tony am Telefon gesagt hatte.

Diesmal kann ich nichts für ihn tun.

Die Worte waren wie ein kalter Windstoß durch ihr Bewusstsein gefahren.

»Bitte«, sagte sie laut. »Bitte, Tom, du dummer Kerl, bitte sei okay.«

Dann verkroch sie sich unter die kühlen Motelbettlaken und schlief bis zum Morgengrauen.

Am Morgen versuchte sie ihr Glück per Telefon. Aber er meldete sich nicht.

Zuerst geriet sie in Panik. Sie machte sich Vorwürfe, die Nacht hier verbracht zu haben. Sie hätte nicht mehr allzu weit fahren müssen. Sie hätte die Fahrt fortsetzen, hätte vor seiner Tür erscheinen und ihn retten können…

Wovor?

Nun, das war die Frage, nicht wahr? Die große, unbeantwortete Frage.

Sie bezahlte, verstaute ihr Gepäck im Kofferraum des Wagens und fädelte sich in den spärlichen Verkehr auf dem Highway ein.

Seit sie Tom verlassen hatte, hatte sie genau zweimal mit seinem Bruder Tony gesprochen. Bei beiden Gelegenheiten hatte er sie gebeten, Tom zu helfen.

Der erste Anruf war vor einigen Monaten erfolgt. Tom hatte zu trinken begonnen, seinen Job verloren, und er war die Miete für seine Wohnung schuldig geblieben. Wenn Barbara eher davon erfahren hätte, wäre sie vielleicht von sich aus gekommen, um zu helfen… aber als Tony sie anrief, hatte die Situation sich fast schon wieder beruhigt. Tony hatte seinem Bruder einen Job in Belltower besorgt, und Tom war mittlerweile trocken. »Ich glaube nicht, dass ich ihm irgendwie helfen könnte«, hatte sie gesagt.