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Das Apartment war lang gestreckt und hatte einen rechteckigen Grundriss. Eine Tür, offen, führte in die Küche, und eine andere Tür, geschlossen, wahrscheinlich in das Schlafzimmer. Durch ein Fenster am Ende des rechteckigen Raums war die nächtliche Silhouette der Con-Edison-Schornsteine in der Fourteenth Street zu erkennen. Ein Vorhang war mit einem Band zusammengerafft, das an einem einzelnen Nagel befestigt war. Die Wand zur Linken war mit Bücherregalen bedeckt.

Der Raum war leer.

Billy stand einen Moment lang da und lauschte.

Dieser Raum und die Küche waren leer… aber er hörte aus dem Schlafzimmer ein leises Rascheln.

Er lächelte und öffnete diese Tür genauso schnell wie die erste.

Dieser Raum war kleiner und sogar noch schäbiger. Die Wände waren kahl bis auf einen notdürftig gerahmten Druck von einem abstrakten Gemälde. Das Bett bestand aus einer Matratze auf dem Fußboden. In dem Bett lag ein Mann.

Billys Lächeln erstarb, denn das war nicht der Mann, dem er von Lindner’s gefolgt war.

Dies war ein anderer Mann. Dieser war groß und schmalbrüstig. Er war nackt, zog ein Baumwolllaken über sich und blinzelte Billy in der Dunkelheit mit vor Verwunderung weit aufgerissenem Mund an.

»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte der Mann auf der Matratze.

»Aufstehen«, befahl Billy.

Der Mann stand nicht auf.

Er weiß nicht, wer ich bin, erkannte Billy. Er denkt, ich bin ein alter Mann mit einer Motorradbrille. Es ist dunkel; er kann nicht sehr gut sehen. Vielleicht hält er mich für einen Dieb.

Billy korrigierte diesen Eindruck, indem er neben dem ausgestreckten linken Arm des nackten Mannes ein Loch in die Matratze brannte. Das Loch war groß und tief. Es stank nach versengtem Kapok und Baumwolle und nach dem Bohnerwachs auf dem Holzfußboden darunter. Das Loch war schwarz und begann sofort an den Rändern zu brennen. Der nackte Mann stieß einen Schrei aus und erstickte die Flammen mit seiner Decke. Dann sah er zu Billy hoch, und Billy genoss die Angst in seinen Augen. Es war die Art von Angst, die ihn gehorsam und beeinflussbar machte, noch nicht die panikartige Furcht, die ihn unberechenbar werden ließ.

»Aufstehen«, wiederholte Billy.

Als er stand, war der Mann ziemlich groß, aber zu dünn.

Billy fühlte sich durch den schütteren Bartsaum, die sich deutlich abzeichnenden Rippen, das Zittern der Hüftknochen abgestoßen. Sein Penis und das verschrumpelte Skrotum baumelten mitleiderregend zwischen seinen Beinen.

Billy stellte sich vor, wie er den Fleischsack wegbrannte und damit diesen Mann in ähnlicher Weise veränderte, wie die Infanterieärzte es mit ihm getan hatten… aber das war keine vernünftige Taktik.

»Wo ist der Mann, der hier wohnt?«, fragte Billy.

Der nackte Mann schluckte zweimal und erwiderte: »Ich bin der Mann, der hier wohnt.«

Billy ging zur Wand und knipste die Beleuchtung an. Das Licht kam von einer Sechzig-Watt-Birne, die an einer mehrfach verknoteten Schnur von der Decke herabhing. Qualm von der versengten Matratze stieg hoch. Billys Sichtgerät passte sich sofort an dieses neue Licht an und senkte seinen Verstärkungsfaktor. Der nackte Mann blinzelte und kniff die Augen zusammen.

Er starrte Billy an. »Mein Gott«, stieß er schließlich hervor. »Wer sind Sie denn?«

Billy wusste, dass die Frage spontan gestellt wurde und der Mann keine Antwort erwartete. Er sagte: »Wie heißen Sie?«

»Lawrence Millstein«, erwiderte der nackte Mann.

»Arbeiten Sie in einem Laden namens Lindner’s Radio Supply?«

»Nein.«

Das stimmte. Billy hörte es im Zittern der Stimme des Mannes, in den Oberschwingungen seiner Angst.

»Wohnen Sie hier allein?«

»Ja.«

Auch das entsprach der Wahrheit.

»Ein Mann ist von Lindner’s hierhergekommen«, sagte Billy. »Kennen Sie den Mann, der bei Lindner’s arbeitet?«

»Nein«, antwortete Lawrence Millstein.

Aber das war eine Lüge, und Billy reagierte augenblicklich. Er bündelte den Strahl seiner Handgelenkwaffe und schnitt damit den Zeigefinger an Lawrence Millsteins linker Hand über dem obersten Knöchel ab. Millstein stand für einen Moment in stummem Nichtbegreifen da, bis der Schmerz und der Gestank seines verbrannten Fleisches von seinem Gehirn registriert wurden. Er starrte auf seine verletzte Hand.

Seine Knie gaben nach, und er sank auf die angesengte Matratze.

»Sie kennen den Mann, den ich meine«, sagte Billy vorwurfsvoll.

»Ja«, keuchte Millstein.

»Erzählen Sie mir von ihm«, verlangte Billy.

All das erinnerte Billy an früher, vor langer Zeit, in der Zukunft, in Florida, und an die Frau, die dort gestorben war.

Diese Erinnerungen stiegen in ihm auf, während er sich Lawrence Millsteins Geständnis anhörte.

Billy erinnerte sich an die Glasscherbe und an den Namen der Frau, Ann Heath, und an die Art und Weise, wie sie ihn ständig wiederholt hatte, Ann Heath Ann Heath, während ihr das Blut über das Gesicht lief und die Vorderseite ihrer Bluse tränkte, sodass sie aussah wie ein hellroter Latz.

Er war mit seinen Kameraden Hallowell und Piper von Nordwesten aus den Ruinen Miamis herübergekommen, einen wilden Sturm auf den Fersen. Während eines Angriffs von ihrer Einheit abgeschnitten, hatten sie sich angesichts überlegenen Feuers durch ein Labyrinth aus Vorstadtstraßen und fensterlosen Wohnboxen, die von Böen wilder Meeresluft umpeitscht wurden, zurückgezogen. Das Barometer hatte einen Tiefstand erreicht und fiel noch weiter. Die Nacht wurde von grellen Blitzen am östlichen Horizont erhellt, wo eine Wolkenwand um das extreme Vakuum ihres Kerns rotierte. Sie rannten und redeten nicht viel. Sie hatten jede Hoffnung aufgegeben, auf eigenes Gebiet zu gelangen, und sie wünschten sich nichts anderes als einen ausreichenden Abstand zwischen sich und den Aufständischen, ehe sie sich einen Unterschlupf suchten.

Als sie das Haus entdeckten, hatte Billy sich daran gewöhnt, dass der Wind wie eine Riesenfaust ständig auf seinen Rücken einschlug.

Es war ein Haus wie die meisten anderen Häuser in dieser mit Abfall übersäten, leeren Straße, ein flacher Bunker des Typs, der nach den ersten Katastrophen in der Zone gerne als »wetterfest« angepriesen wurde. Natürlich war er das nicht. Aber sein Dach war intakt, und die Mauern schienen sicher und Schutz spendend zu sein; er musste viele Stürme relativ unversehrt überstanden haben. Er war heil, und das hatte Billys Interesse geweckt.

Die meisten dieser Häuser standen leer, aber man konnte immer wieder auf Hausbesetzer stoßen. Daher sprang Bruder Hallowell, ein hochgewachsener Mann und unter seiner Rüstung athletisch gebaut, über einen Zaun und arbeitete sich zur Rückseite des Hauses vor, während Billy und Bruder Piper eine Sprengwaffe durch den schmalen Sichtschlitz neben der Tür warfen. Billy grinste, als die Tür aufgerissen wurde und weißer Qualm in den Regen herauswallte. Er trat über die Schwelle und spürte, wie sein Sichtgerät sich auf die Dunkelheit einstellte. Er nahm einen Taschenlöscher von seinem Gürtel und löschte den brennenden Teppich. Bruder Piper sagte: »Ich öffne für Bruder Hallowell die Hintertür«, und begab sich in den hinteren Teil des Hauses, während Billy die Vordertür vor dem peitschenden Regen schloss und dabei dachte, wie schön es wäre, für die Nacht im Trockenen zu sein… aber dann veränderte die Lage sich sehr schnell auf sonderbare Art und Weise. Bruder Piper begann etwas Unverständliches zu brüllen, Bruder Hallowell trommelte gegen die Hintertür, während Maschinenkäfer aus den Wänden quollen. Sie kamen aus ihren Verstecken hinter Gipsplatten, aus Kisten und Kästen, die Billy irrtümlich für den Abfall von Hausbesetzern gehalten hatte — Tausende von glitzernden, edelsteinähnlichen Kreaturen, die Billy nur vage als etwas Mechanisches identifizieren konnte. Bruder Piper brüllte, als sie an seinen Beinen emporkrabbelten. Billy hatte von brasilianischen Waffen gehört, die von den Aufständischen importiert worden waren, winzige giftige Roboter, so groß wie Tausendfüßler, und er griff instinktiv nach dem Maschinenkiller an seinem Gürteclass="underline" eine Impulsbombe von der Größe einer Walnuss, die er scharf machte und gegen die hintere Wand schleuderte. Sie explodierte ohne erwähnenswerte Druckentwicklung. Sie sandte einen Impuls elektromagnetischer Strahlung aus, der stark genug war, um alles in der nächsten Umgebung zu überladen. Sogar Billys Rüstung, die gegen solche Impulse gesichert war, schien zu zögern und schwer zu werden. Sein Sichtgerät verdunkelte sich und lieferte ihm für eine lange Sekunde nur unsinnige Zahlen. Als seine Sicht sich wieder klärte, waren die Maschinenkäfer stumm und regten sich nicht mehr. Bruder Piper führte einen wilden Tanz auf und schüttelte sie von seinen Beinen ab. Dann kam Bruder Hallowell, ihr kommandierender Offizier, durch die Tür aus dem hinteren Teil des Hauses und sagte: »Was ist das denn, verdammt noch mal? Ich musste zwei Bomben einsetzen, um überhaupt reinzukommen, und eine dritte habe ich nach unten geworfen; dieser Bau hat einen Riesenkeller. Bruder Billy, weißt du, was diese kleinen Käfer sind?«