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»Nicht«, sagte Jace dumpf. Er hatte seine Hände vors Gesicht gehoben und sprach durch die Finger. »Hör auf, Clary.« Valentin betrachtete seinen Sohn mit einem Lächeln, das Jace nicht sehen konnte. »Es stimmt – Jonathan musste glauben, dass ich tot sei. Er musste davon überzeugt sein, dass er Michael Waylands Sohn war, sonst hätten die Lightwoods ihn nicht so fürsorglich behandelt. Schließlich standen sie in Michaels Schuld, nicht in meiner. Sie haben Jace um Michaels willen geliebt, nicht um meinetwillen.«

»Vielleicht haben sie ihn einfach um seiner selbst willen geliebt«, erwiderte Clary.

»Eine bewunderswert sentimentale Interpretation«, sagte Valentin, »aber höchst unwahrscheinlich. Du kennst die Lightwoods nicht so, wie ich sie einst gekannt habe.« Entweder sah er nicht, wie Jace zusammenzuckte, oder er ignorierte dessen Reaktion ganz bewusst. »Letztlich ist es auch völlig unerheblich«, fügte er hinzu. »Die Lightwoods waren als Schutz für Jace gedacht, nicht als dessen Ersatzfamilie. Er hat eine Familie. Er hat einen Vater.«

Jace gab einen kehligen Laut von sich und nahm die Hände vom Gesicht. »Und Mutter …«

»Ist nach dem Aufstand geflohen«, sagte Valentin. »Ich war ein entehrter Mann. Hätte man gewusst, dass ich am Leben war, hätte der Rat mich verfolgt und zur Strecke gebracht. Sie ertrug den Gedanken nicht, auf ewig in einem Atemzug mit mir genannt zu werden, und floh.« Der Schmerz in seiner Stimme war deutlich hörbar – und falsch, dachte Clary bitter.

Dieser berechnende Widerling. »Ich wusste damals nicht, dass sie schwanger war. Mit Clary.« Er lächelte kurz, strich mit seinem Finger über das Weinglas. »Aber wie heißt es so schön: Blut ist dicker als Wasser«, fuhr er fort. »Das Schicksal hat uns wieder zusammengeführt – unsere Familie ist wieder vereint. Wir können das Portal benutzen«, wandte er sich an Jace.

»Nach Idris gehen, zurück auf unsere Ländereien.«

Jace zuckte leicht zusammen, nickte dann aber, den Blick immer noch reglos auf seine Hände gerichtet.

»Dort können wir zusammen leben«, sagte Valentin. »So, wie es von Anfang an hätte sein sollen.«

Das klingt ja toll, dachte Clary. Nur du, deine im Koma liegende Frau, dein völlig verwirrter Sohn und deine Tochter, die dich abgrundtief hasst. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass deine beiden Kinder sich wahrscheinlich ineinander verliebt haben. Das klingt wirklich wie das perfekte Familienglück. Doch laut sagte sie nur: »Ich werde mit dir nirgendwo hingehen – und meine Mutter auch nicht.«

»Er hat recht, Clary«, stieß Jace heiser hervor. Er dehnte seine Hände; die Fingerspitzen hatten rote Flecken. »Es ist der einzige Weg; nur dort können wir alles wieder in Ordnung bringen.«

»Das kann nicht dein Ernst sein …«

Ein gewaltiges Krachen drang von unten zu ihnen hinauf, so laut, als ob eine der Mauern des Hospitals eingestürzt wäre.

Luke, dachte Clary und sprang auf.

Obwohl Jace immer noch kreidebleich um die Nase war, reagierte er automatisch – er erhob sich von seinem Stuhl und seine Hand fuhr zum Gürtel. »Vater, sie sind …«

»Sie kommen.« Valentin stand ebenfalls auf. Clary hörte Schritte; einen Augenblick später flog die Tür des Saals auf und Luke stand auf der Schwelle.

Clary unterdrückte einen Aufschrei. Luke war von Kopf bis Fuß mit Blut beschmiert, seine Jeans und sein Hemd waren dunkel und durchtränkt und seine untere Gesichtshälfte leuchtete blutrot. Auch seine Hände schimmerten bis zu den Handgelenken feucht. Clary erkannte, dass frisches Blut von ihnen tropfte, konnte aber nicht sagen, wie viel davon sein eigenes war. Sie hörte sich seinen Namen rufen und dann lief sie quer durch den Raum auf ihn zu und wäre fast über ihre eigenen Beine gestolpert bei dem Versuch, sein Hemd zu packen und sich daran festzuklammern – etwas, das sie zum letzten Mal als Achtjährige getan hatte.

Einen kurzen Moment lang strich er ihr mit seiner großen Hand über den Kopf und zog sie fest an seine Brust. Doch dann schob er sie sanft von sich. »Ich bin ganz voll Blut«, sagte er. »Aber keine Sorge – es ist nicht meins.«

»Von wem ist es dann?«, ertönte Valentins Stimme. Clary drehte sich um, Lukes Arm immer noch schützend auf ihren Schultern. Valentin betrachtete sie beide mit berechnendem Blick, die Augen eng zusammengekniffen. Jace hatte sich ebenfalls erhoben, war um den Tisch getreten und stellte sich nun zögernd hinter seinen Vater. Clary konnte sich nicht erinnern, dass sie ihn jemals hatte zögern sehen.

»Es stammt von Pangborn«, sagte Luke.

Valentin fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, als ob diese Nachricht ihn schmerzlich berührte. »Ich verstehe. Hast du ihm mit deinen Fängen die Kehle herausgerissen?« »Nein. Tatsächlich habe ich ihn hiermit getötet«, erwiderte Luke. In seiner freien Hand hielt er den langen, dünnen Dolch, mit dem er auch den Forsaken umgebracht hatte. Die Steine im Griff schimmerten bläulich. »Erkennst du ihn?« Valentin warf einen Blick auf den Dolch und Clary sah, wie sich seine Kiefer anspannten. »Ja«, sagte er und Clary fragte sich, ob er sich ebenfalls an ihr Gespräch erinnerte. Das ist ein kindjal, ein tscherkessischer Dolch. Dieser hier ist Teil eines speziell gefertigten Paares.

»Vor siebzehn Jahren hast du ihn mir mit dem Rat in die Hand gedrückt, meinem Leben damit ein Ende zu setzen«, meinte Luke und fasste den Dolch fester. Die Klinge war länger als die Klinge des kindjal mit den roten Steinen im Griff, der in Jaces’ Gürtel steckte – fast schon wie die eines Schwertes, mit einer nadeldünnen Spitze. »Und ich hätte deinen Rat beinahe befolgt.«

»Erwartest du, dass ich das leugne?« In Valentins Stimme schwang Schmerz mit, die Erinnerung an vergangenen Kummer. »Ich habe versucht, dich vor dir selbst zu schützen, Lucian. Ich habe einen schweren Fehler begangen. Wenn ich damals doch nur die Stärke aufgebracht hätte, dich zu töten, dann wärst du als aufrechter Mann gestorben.«

»So wie du?«, fragte Luke und in diesem Augenblick entdeckte Clary etwas von dem alten Luke in ihm, den sie seit Ewigkeiten kannte – der genau wusste, wann sie log oder ihm etwas vorspielte, und der ihr auf den Kopf zusagte, wenn sie arrogant oder unaufrichtig war. In der Bitterkeit seiner Stimme spürte sie etwas von der Zuneigung, die er einst für Valentin empfunden hatte und die nun Hass und Erschöpfung gewichen war. »Ein Mann, der seine bewusstlose Frau an ein Bett kettet, in der Hoffnung, nach ihrem Erwachen durch Folter Informationen aus ihr herauspressen zu können? Das nennst du aufrecht?«

Jace starrte seinen Vater an. Clary sah, wie Valentins Gesichtszüge sich für einen kurzen Augenblick vor Wut verzerrten, doch dieser Moment ging schnell vorüber und seine Augen wirkten wieder ausdruckslos. »Ich habe sie nicht angerührt«, sagte er. »Sie liegt zu ihrem eigenen Schutz in Ketten.«

»Schutz wovor?«, wollte Luke wissen und machte einen Schritt nach vorn. »Der Einzige, der sie hier bedroht, bist du. Der Einzige, der sie je bedroht hat, warst du. Sie hat ihr ganzes Leben nichts anderes getan, als vor dir davonzulaufen.« »Ich habe sie geliebt«, erwiderte Valentin. »Ich hätte ihr niemals wehgetan. Du warst es, der sie gegen mich aufgehetzt hat.«

Luke lachte. »Dafür hätte sie mich nicht gebraucht. Sie hat dich von ganz allein hassen gelernt.«

»Das ist eine Lüge!«, brüllte Valentin mit plötzlich aufflackernder Wildheit und riss sein Schwert aus der Scheide. Die Klinge war flach und mattschwarz, mit einem Muster aus silbernen Sternen. Er richtete die Schwertspitze auf Lukes Herz.