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Clary warf sich genau in dem Moment über ihn, als Valentins Schwert abwärtsstieß.

Als das Schwert auf sie zuschoss, sah sie Valentin in die Augen – es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, auch wenn es in Wahrheit nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte. Sie sah, dass er den Stoß hätte abbrechen können, wenn er es gewollt hätte; sah, dass er genau wusste, er würde sie ebenfalls damit durchbohren; sah, dass es ihm völlig egal war.

Schützend hielt sie sich die Hände vors Gesicht, kniff die Augen zusammen …

Es klirrte. Sie hörte Valentin aufschreien, öffnete die Augen und sah, dass seine Schwerthand plötzlich leer war und blutete. Der kindjal mit dem roten Knauf lag einige Meter entfernt auf dem Steinboden, neben ihm das schwarze Schwert. Erstaunt wandte sie sich um, sah Jace an der Tür stehen, den Arm immer noch erhoben, und begriff plötzlich, dass er den Dolch mit genug Kraft geworfen haben musste, um seinem Vater das schwarze Schwert aus der Hand zu schlagen.

Leichenblass ließ er den Arm sinken, die Augen unverwandt auf Valentin gerichtet, weit aufgerissen und flehend. »Vater, ich …«

Valentin schaute auf seine blutende Hand und Clary sah, wie seine Züge sich einen winzigen Augenblick vor Wut verzerrten und dann wieder glätteten – so, als ob eine Kerze aufflackernd erlosch. Dann sagte er milde: »Das war ein

hervorragender Wurf, Jace.«

Jace zögerte. »Aber deine Hand – ich dachte, du …« »Ich hätte deiner Schwester nichts zuleide getan«, sagte Valentin, während er rasch zu seinem Schwert und dem kindjal mit dem roten Knauf ging und beide aufhob. »Ich hätte den Stoß natürlich abgebremst«, fuhr er fort und schob sich den Dolch in den Gürtel. »Aber die Sorge um deine Familie ist lobenswert.«

Lügner. Aber Clary hatte keine Zeit für Valentins Verdrehung der Tatsachen; sie wandte sich Luke zu und spürte, wie ihr übel wurde. Luke lag auf dem Rücken, die Augen halb geschlossen, und sein Atem ging stoßweise. Über dem Loch in seinem zerrissenen Hemd bildeten sich Blutblasen. »Ich brauche einen Verband«, rief Clary erstickt. »Ein Tuch, irgendwas.«

»Bleib, wo du bist, Jonathan«, sagte Valentin mit stahlharter Stimme und Jace, der bereits in seine Tasche hatte greifen wollen, erstarrte mitten in der Bewegung. »Clarissa«, fuhr Valentin fort, seine Stimme so ölig wie ein in Butter getauchtes Schwert, »dieser Mann ist ein Feind unserer Familie, ein Feind des Rats. Wir sind Jäger und das bedeutet, dass wir manchmal töten müssen. Das verstehst du doch?«

»Dämonenjäger«, erwiderte Clary. »Dämonentöter. Aber keine Mörder. Das ist ein Unterschied.«

»Aber er ist ein Dämon, Clarissa«, sagte Valentin, mit der gleichen sanften Stimme wie zuvor. »Ein Dämon mit dem Gesicht eines Menschen. Ich weiß, wie trügerisch solche Monster sein können – ich selbst verschonte ihn, wie du weißt.« »Monster?«, wiederholte Clary. Sie dachte an Luke, der sie als Fünfjährige auf der Schaukel angeschubst hatte, höher und immer höher; Luke am Tag ihrer Einschulung, der mit gezückter Kamera ein Foto nach dem anderen schoss, wie ein stolzer Vater; Luke, der jeden Bücherkarton, der in seinem Laden eintraf, gründlich durchforstete, immer auf der Suche nach einem Buch, das ihr gefallen und das er beiseitelegen konnte. Luke, der sie hochhob, damit sie Äpfel von den Bäumen auf seiner Farm pflücken konnte. Luke, dessen Platz als Vater nun der Mann einzunehmen versuchte, der vor ihr stand. »Luke ist kein Monster«, konterte sie mit einer Stimme, die Valentins in nichts nachstand – Stahl traf auf Stahl. »Oder ein Mörder. Ganz im Gegensatz zu dir.«

»Clary!«, rief Jace.

Clary beachtete ihn nicht; ihr Blick bohrte sich in Valentins kalte schwarze Augen. »Du hast die Eltern deiner Frau umgebracht – hast sie nicht während eines Kampf getötet, sondern kaltblütig ermordet. Und ich wette, du hast auch Michael Wayland und seinen kleinen Jungen umgebracht. Hast ihre Knochen zu denen meiner Großeltern geworfen, damit meine Mutter glaubte, Jace und du wären tot. Hast deine Halskette um Michael Waylands Hals gelegt, bevor du ihn verbrannt hast, damit alle annahmen, seine Knochen wären deine. Und dann dieses ganze Gerede über unbesudeltes Blut – als du sie umgebracht hast, waren dir ihr Blut und ihre Unschuld doch völlig egal! Kinder und alte Leute kaltblütig ermorden … so etwas nenne ich monströs.« Erneut verzerrten sich Valentins Züge vor Wut. »Das reicht!«, brüllte er, hob sein schwarzes Schwert ein weiteres Mal an und Clary vernahm in seiner Stimme die Wahrheit dessen, was er wirklich war, erkannte die Wut, die ihn sein ganzes Leben lang beherrscht hatte – jene immerwährende, tief in ihm brodelnde Wut. »Jonathan! Bring deine Schwester hier weg oder ich schwöre beim Erzengel, ich schlage sie nieder, ehe ich dieses Monster töte, welches sie zu schützen versucht!« Einen winzigen Moment lang zögerte Jace; dann hob er den Kopf. »Sofort, Vater«, sagte er und ging durch den Raum auf Clary zu. Noch bevor sie die Arme heben konnte, um ihn abzuwehren, hatte er sie grob an den Handgelenken gepackt, riss sie auf die Füße und zerrte sie von Luke weg.

»Jace«, flüsterte sie entsetzt.

»Nicht«, sagte er. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Unterarme. Er roch nach Wein und Metall und Schweiß.

»Kein Wort mehr.«

»Aber …«

»Ich sagte: Kein Wort!« Er schüttelte sie grob. Sie stolperte, fing sich wieder und schaute hinüber zu Valentin, der triumphierend über Lukes zusammengesunkenem Körper stand. Mit der Spitze seines eleganten Stiefels stieß er Luke in die Seite, worauf dieser einen erstickten Laut von sich gab. »Lass ihn in Ruhe!«, schrie Clary und versuchte, sich aus Jace’ Griff loszureißen, doch ohne Erfolg – er war viel zu stark für sie.

»Hör auf«, zischte er ihr ins Ohr. »Du machst es dir selbst nur noch schwerer. Es ist besser, wenn du nicht hinsiehst.« »So wie du?«, zischte sie zurück. »Einfach die Augen vor etwas verschließen und so tun, als ob es gar nicht passierte, macht es nicht ungeschehen, Jace. Das solltest du eigentlich am besten wissen …«

»Clary, hör auf damit.« Der Ton seiner Stimme ließ sie fast innehalten – so verzweifelt klang er.

Valentin lachte leise. »Hätte ich nur daran gedacht, eine Klinge aus reinem Silber mitzubringen, Lucian – dann hätte ich dich auf die Art und Weise ins Jenseits befördern können, die deiner Art gebührt.«

Luke knurrte etwas, das Clary nicht verstand. Sie hoffte nur, dass es eine Gemeinheit war. Erneut versuchte sie, sich aus Jace’ Griff zu befreien; dabei rutschte sie aus und er fing ihren Sturz ab, zog sie mit ungeheurer Kraft wieder zu sich heran.

Endlich legte er seine Arme um sie, dachte sie – doch nicht so wie erhofft, sondern auf eine Art, die sie nie für möglich gehalten hätte.

»Lass mich wenigstens aufstehen«, sagte Luke. »Lass mich aufrecht sterben.«

Valentin schaute über sein Schwert hinweg auf ihn hinab und zuckte die Achseln. »Du kannst auf dem Rücken sterben oder auf deinen Knien«, erwiderte er. »Aber nur ein Mann verdient es, stehend zu sterben – und du bist keiner.« »Nein!«, schrie Clary, während Luke unter großen Schmerzen versuchte, sich hinzuknien.

»Warum musst du es dir selbst so schwer machen?«, fragte Jace leise und angespannt. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht hinschauen.«

Sie keuchte vor Anstrengung und Schmerz. »Warum belügst du dich selbst?«

»Ich lüge nicht!« Seine Hände umklammerten sie mit brutaler Kraft, obwohl sie gar nicht versucht hatte, sich zu befreien. »Ich will nur das Gute in meinem Leben behalten … meinen Vater … meine Familie … ich kann sie nicht noch einmal verlieren.«

Luke kniete inzwischen mit aufrechtem Oberkörper und Valentin hob das blutbefleckte Schwert. Luke hielt die Augen geschlossen und murmelte irgendetwas: ein paar Worte, ein Gebet, Clary wusste es nicht. Verzweifelt wand sie sich in Jace’ Armen hin und her, bis sie ihm ins Gesicht schauen konnte.