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Im nächsten Moment war Jace wieder auf den Beinen. In seiner Hand blitzte eine Klinge auf, die er dem blauhaarigen Jungen tief in die Brust stieß. Um das Heft des Dolchs schoss schwarze Flüssigkeit in die Höhe. Der Junge wälzte sich windend und gurgelnd am Boden. Jace stand auf und verzog das Gesicht. Sein schwarzes Hemd war jetzt an den Stellen, wo das Blut es getränkt hatte, noch dunkler. Er schaute auf die zuckende Gestalt zu seinen Füßen und zerrte das Messer aus ihr heraus. Das Heft glänzte von der schwarzen Flüssigkeit.

Der Blauschopf starrte Jace mit glühenden Augen an. Zwischen zusammengebissenen Zähnen zischte er: »So sei es. Die Forsaken werden euch alle holen.«

Jace’ Antwort war ein Knurren. Der Blauschopf verdrehte die Augen. Dann begann sein Körper, wild zu zucken – und plötzlich schrumpfte er und fiel immer weiter in sich zusammen, bis er kleiner und kleiner wurde und schließlich ganz verschwand.

Clary rappelte sich auf und kickte das Kabel weg. Langsam machte sie ein paar Schritte rückwärts; niemand beachtete sie. Alec kümmerte sich um Jace und rollte dessen Hemdsärmel hoch, um die Verletzung genauer zu untersuchen. Clary drehte sich um, bereit wegzurennen – da stand plötzlich Isabelle vor ihr, die Peitsche in der Hand. Die goldene Schnur war auf ganzer Länge mit dunkler Flüssigkeit getränkt. Isabelle ließ die Peitsche schnalzen; das Ende wickelte sich um Clarys Handgelenk und zog sich fest zu. Vor Schmerz und Überraschung schnappte Clary keuchend nach Luft.

»Du dämliche Mundie«, zischte Isabelle wütend, »Jace hätte sterben können.«

»Er ist verrückt«, stieß Clary hervor und versuchte, ihr Handgelenk zurückzuziehen, doch die Schnur schnitt nur noch tiefer in ihre Haut. »Ihr seid alle vollkommen durchgeknallt. Für wen haltet ihr euch eigentlich? Für eine bewaffnete Bürgerwehr? Die Polizei …«

»Interessiert sich normalerweise nicht für Fälle ohne Leiche«, sagte Jace. Er hielt sich den Arm und bahnte sich zwischen den Kabelhaufen einen Weg zu Clary. Alec folgte mit finsterer Miene.

Clary schaute auf die Stelle, an der der Blauhaarige sich aufgelöst hatte, und schwieg. Nicht einmal ein Tropfen Blut war zu sehen – nichts deutete darauf hin, dass der Junge je existiert hatte.

»Falls du dich fragen solltest, wo er ist: Sie kehren in ihre eigene Dimension zurück, wenn sie sterben«, erklärte Jace.

»Jace«, zischte Alec und packte ihn am Arm, »halt dich zurück.«

Jace entzog ihm den Arm. Sein blutverschmiertes Gesicht sah gespenstisch aus. Mit den bernsteinfarbenen Augen und dem goldbraunen Haar erinnerte er Clary mehr denn je an einen Löwen. »Sie kann uns sehen, Alec«, sagte er. »Sie weiß sowieso schon zu viel.«

»Und was soll ich jetzt mit ihr machen?«, fragte Isabelle.

»Lass sie laufen«, erwiderte Jace ruhig. Isabelle warf ihm einen überraschten, fast wütenden Blick zu, sagte aber nichts. Die Peitschenschnur glitt zu Boden und gab Clarys Arm frei. Clary rieb sich das schmerzende Handgelenk und fragte sich, wie sie sich möglichst schnell aus dem Staub machen konnte.

»Vielleicht sollten wir sie besser mitnehmen«, überlegte Alec. »Hodge würde bestimmt gern mit ihr reden.«

»Wir können sie auf keinen Fall ins Institut bringen«, konterte Isabelle, »sie ist eine Mundie

»Ach, tatsächlich?«, fragte Jace leise; sein ruhiger Ton wirkte bedrohlicher als Isabelles bissige Art oder Alecs Wut. »Hast du dich mit Dämonen eingelassen, Kleine? Hast mit Hexenmeistern gemeinsame Sache gemacht, mit den Kindern der Nacht gewacht? Hast du …«

»Erstens heiß ich nicht ›Kleine‹«, unterbrach Clary ihn, »und zweitens weiß ich nicht, wovon du überhaupt redest.« Wirklich nicht?, dröhnte eine Stimme tief in ihrem Innern. Du hast doch gesehen, wie sich der Junge in Luft aufgelöst hat. Jace ist nicht verrückt – das hättest du nur gern. »Ich glaub nicht an … an Dämonen oder was du da …«

»Clary?« Das war Simons Stimme. Clary wirbelte herum. Dort stand er in der Tür des Lagerraums, einen der kräftigen Türsteher im Schlepptau. »Alles in Ordnung mit dir?« Er blinzelte, um seine Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen, und sah sich um. »Was treibst du hier eigentlich allein? Und was ist mit den Typen mit den Messern?«

Clary starrte ihn an und blickte dann über ihre Schulter zu Jace, Isabelle und Alec zurück. Jace stand noch immer mit blutverschmiertem Hemd und dem Messer in der Hand da. Grinsend zuckte er halb entschuldigend, halb amüsiert die Achseln. Es schien ihn nicht zu überraschen, dass weder Simon noch der Türsteher ihn sehen konnten.

Und Clary wunderte es irgendwie auch nicht. Langsam wandte sie sich wieder Simon zu. Ihr war bewusst, wie sie auf ihn wirken musste – allein in dem feuchtkalten Lagerraum, die Füße in bunten Stromkabeln verheddert. »Ich dachte, sie wären hier reingegangen«, murmelte sie, »aber ich hab mich wohl getäuscht. Tut mir leid.« Sie blickte von Simon, dessen besorgte Miene nun vor Verlegenheit rot anlief, zum Türsteher, der einen genervten Eindruck machte. »War wohl ein Irrtum.«

Hinter sich hörte sie Isabelle kichern.

»Ich kann’s einfach nicht glauben«, knurrte Simon ungläubig. Clary stand an der Bordsteinkante und versuchte vergebens, ein Taxi heranzuwinken. Während ihres Aufenthalts im Gub war die Orchard Street gereinigt worden und die Straße schimmerte nun schwarz vom ölverschmierten Wasser.

»Genau, man sollte doch annehmen, dass zumindest ein paar Taxen hier langfahren. Wo sind die um die Uhrzeit denn alle hin?« Clary drehte sich zu Simon um und fragte achselzuckend: »Meinst du, auf der Houston Street haben wir mehr Glück?«

»Ich rede nicht von irgendwelchen Taxen«, erwiderte Simon, »sondern von dir. Ich glaub dir nicht. Es kann doch nicht sein, dass deine Messerschwinger einfach verschwunden sind.«

Clary seufzte. »Vielleicht waren da ja gar keine Messerschwinger, Simon. Vielleicht hab ich mir das alles nur eingebildet.«

»Quatsch.« Simon hob mehrmals die Hand, doch die Taxen rasten an ihm vorbei, Schmutzwasser aufwirbelnd. »Ich hab dein Gesicht gesehen, als ich in das Lager kam. Du hast total entsetzt gewirkt, als wäre dir gerade ein Geist begegnet.«

Clary dachte an Jace und seine Löwenaugen. Dann schaute sie kurz auf ihr Handgelenk, an dem Isabelles Peitsche eine dünne rote Linie hinterlassen hatte. Nein, keine Geister, dachte sie, sondern etwas viel Unglaublicheres.

»Ich hab mich einfach geirrt«, erwiderte sie lahm und fragte sich, warum sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Weil er sie für verrückt halten würde. Außerdem hatte dieser ganze Vorfall etwas an sich – das schwarze, hochspritzende Blut an Jace’ Messer und seine Stimme, als er fragte: Hast du mit den Kindern der Nacht gewacht? –, dass sie lieber nicht darüber reden wollte.

»Ein ziemlich peinlicher Irrtum«, brummte Simon und warf einen Blick zurück in Richtung des Clubs, vor dessen Eingang noch immer eine lange Schlange stand. »Ich bezweifle, dass sie uns noch mal ins Pandemonium reinlassen.«

»Na und? Das kann dir doch egal sein. Du findest den Laden ja sowieso blöd.« Clary hob erneut die Hand, als ein gelbes Fahrzeug auf sie zusauste. Glücklicherweise stoppte der Fahrer sein Taxi quietschend an der Ecke des Blocks. Er hupte sogar, als müsse er sie erst noch auf sich aufmerksam machen.

»Na endlich.« Simon riss die Wagentür auf und rutschte auf die kunststoffbezogene Rückbank. Clary folgte ihm und sog den vertrauten Geruch der New Yorker Taxis ein – eine Mischung aus kaltem Rauch, Leder und Haarspray. »Nach Brooklyn«, instruierte Simon den Fahrer. Dann wandte er sich Clary zu. »Du weißt doch, dass du mir alles erzählen kannst, oder?«

Clary zögerte einen Moment und nickte dann. »Das weiß ich, Simon.«

Sie schlug die Tür zu und das Taxi schoss in die Nacht.