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Er nahm etwas aus seiner Jackentasche und reichte es ihr – einen langen, dünnen Dolch in einer Lederscheide. Der Griff des Dolches war mit einem einzelnen roten Stein in Form einer Rose verziert.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht einmal, wie man damit umgeht …«

Er drückte ihr den Dolch in die Hand und schloss dann ihre Finger darum. »Du wirst es lernen. Es liegt dir im Blut«, fügte er leise hinzu.

Langsam zog sie ihre Hand zurück. »Okay.«

»Ich könnte dir eine Scheide dafür geben, die du dir um den Oberschenkel binden kannst«, bot Isabelle an. »Ich habe jede Menge davon.«

»Auf keinen Fall!«, protestierte Simon.

Clary warf ihm einen genervten Blick zu. »Danke, aber ich bin nicht der Typ für so was.« Sie steckte den Dolch in die Außentasche ihres Rucksacks.

Als sie die Tasche zuzog, schaute sie auf und sah, dass Jace sie unter schweren Lidern hervor beobachtete. »Und noch etwas«, sagte er. Er zog die funkelnden Klammern aus ihrem Haar, sodass es in warmen, schweren Locken herabfiel. Das Gefühl der weichen Haare auf ihrer nackten Haut war fremd und auf seltsame Art angenehm.

»Viel besser«, sagte er und sie dachte, dass dieses Mal seine Stimme ein wenig gestockt hatte.

12

Die Party des toten Mannes

Die Wegbeschreibung auf der Einladung führte sie in ein Industriegebiet in Brooklyn, wo die Straßen von Fabriken und Lagerhäusern gesäumt waren. Clary sah, dass manche Gebäude zu Lofts und Galerien umgebaut worden waren, aber ihre hoch aufragenden, rechteckigen Formen hatten noch immer etwas Bedrohliches und die wenigen Fenster waren mit Eisengittern gesichert.

Mithilfe des Sensors, den Isabelle bediente und der über eine Art Navigationssystem zu verfügen schien, machten sie sich von der U- Bahn-Station aus auf den Weg. Simon, der solche technischen Spielereien liebte, war fasziniert – oder zumindest tat er so, als sei der Sensor der Grund seiner Faszination. In der Hoffnung, möglichst wenig mit den anderen reden zu müssen, ließ Clary sich zurückfallen, während sie einen heruntergekommenen Park durchquerten, dessen Gras von der Sommerhitze verbrannt war. Zu ihrer Rechten schimmerten die Turmspitzen einer Kirche grau und schwarz vor dem Sternenlosen Nachthimmel.

»Komm schon«, sagte eine drängende Stimme an ihrem Ohr. Es war Jace, der auf sie gewartet hatte und jetzt neben ihr ging. »Ich will mich nicht ständig umschauen müssen, nur um sicherzugehen, dass dir nichts passiert ist.«

»Dann kümmre dich doch einfach nicht um mich.«

»Das letzte Mal, als ich dich allein gelassen habe, hat dich ein Dämon angegriffen«, erinnerte er sie.

»Oh, es täte mir wirklich furchtbar leid, wenn dein beschaulicher Abendspaziergang durch meinen plötzlichen Tod ruiniert würde.«

Er blinzelte. »Es gibt eine feine Grenze zwischen Sarkasmus und unverhohlener Feindschaft und du hast sie anscheinend gerade überschritten. Was ist los?«

Sie biss sich auf die Lippe. »Heute Morgen haben seltsame, unheimliche Typen in meinem Kopf herumgewühlt. Und gleich werde ich den seltsamen, unheimlichen Typen treffen, der als Erster in meinem Kopf herumgewühlt hat. Was ist, wenn mir nicht gefällt, was er dort findet?«

»Wie kommst du darauf, dass es dir nicht gefallen könnte?«

Clary schob sich die Haare aus ihrem verschwitzten Nacken. »Ich hasse es, wenn du eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortest.«

»Nein, tust du nicht. Du findest es charmant. Aber willst du denn nicht die Wahrheit erfahren?«

»Nein. Ich meine, vielleicht. Ich weiß es nicht.« Sie seufzte. »Würdest du es wollen?«

»Das ist die richtige Straße«, rief Isabelle, die etwa zwanzig Meter vor ihnen ging. Sie befanden sich in einer schmalen Gasse mit alten Lagerhäusern, von denen die meisten allerdings den Eindruck machten, als ob dort Leute wohnten: Blumenkästen vor den Fenstern, Spitzengardinen, die in der schwülen Nachtluft flatterten, nummerierte Plastikmülleimer auf dem Bürgersteig. Clary schaute angestrengt und konzentriert auf die Szenerie, aber es ließ sich unmöglich sagen, ob das die Straße war, die sie in der Stadt der Gebeine gesehen hatte – in ihrer Vision war sie fast vollkommen unter Schnee begraben gewesen.

Sie spürte, wie Jace mit dem Finger sanft über ihre Schulter strich. »Absolut. Immer«, murmelte er.

Sie schaute ihn aus dem Augenwinkel an, denn sie wusste nicht, was er meinte. »Was?«

»Die Wahrheit«, sagte er. »Ich würde …«

»Jace!« Es war Alec, der nicht weit entfernt auf dem Bürgersteig stand. Clary fragte sich, warum seine Stimme so laut geklungen hatte.

Jace drehte sich um und ließ die Hand von ihrer Schulter gleiten.

»Ja?«

»Glaubst du, wir sind hier richtig?« Alec zeigte auf etwas, das Clary nicht sehen konnte; es war hinter einem großen schwarzen Wagen versteckt.

»Was haben wir denn hier?«Jace schloss zu Alec auf und Clary hörte ihn lachen. Als sie das Auto erreichte, sah sie es auch: mehrere silbern glänzende Motorräder mit tief liegendem schwarzem Chassis. Ölverschmierte Rohre und Leitungen wanden sich um die Fahrgestelle; sie sahen aus wie Adern. Die Maschinen hatten etwas unangenehm Organisches an sich, wie Kreaturen in einem Gemälde von Giger.

»Vampire«, sagte Jace.

»Für mich sehen sie eher aus wie Motorräder«, meinte Simon und gesellte sich zusammen mit Isabelle, die die Maschinen finster musterte, zu ihnen.

»Es sind auch Motorräder, aber sie wurden umgebaut, damit sie mit Dämonenenergie angetrieben werden können«, erklärte Isabelle. »Vampire fahren solche Maschinen, damit sie sich nachts schnell fortbewegen können. Es entspricht nicht unbedingt den Vereinbarungen des Bündnisses, aber …«

»Ich habe gehört, dass einige der Maschinen fliegen können«, sagte Alec eifrig. Er klang wie Simon, wenn er ein neues Videospiel ausprobierte. »Oder dass sie unsichtbar werden, wenn man einen Hebel betätigt. Oder unter Wasser fahren können.«

Jace war vom Bordstein gesprungen und ging um die Maschinen herum. Er betrachtete sie eingehend und berührte dann eines der glatten Fahrgestelle. Auf der Seite befand sich eine silberne Aufschrift: Nox invictus. »Siegreiche Nacht«, übersetzte er.

Alec schaute ihn befremdet an. »Was machst du da?«

Clary glaubte zu sehen, wie Jace die Hand wieder in die Jackentasche steckte. »Nichts.«

»Komm endlich weiter«, sagte Isabelle. »Ich hab mich nicht so aufgebrezelt, um dir dabei zuzusehen, wie du dich an ein paar Motorrädern in der Gosse zu schaffen machst.«

»Sie sind ein schöner Anblick«, meinte Jace und sprang wieder auf den Bürgersteig zurück. »Das musst du zugeben.«

»Ein schöner Anblick bin ich auch«, entgegnete Isabelle, die nicht so aussah, als wolle sie irgendetwas zugeben. »Jetzt komm endlich.«

Jace sah Clary an. »Dieses Haus«, fragte er und zeigte auf das Lagergebäude aus rotem Backstein. »Ist es das?«

Clary seufzte. »Ich denke schon«, meinte sie unsicher. »Aber sie sehen alle gleich aus.«

»Finden wir es heraus«, sagte Isabelle und ging mit entschlossenen Schritten die Treppe hinauf. Die anderen folgten ihr und drängten sich in den übel riechenden Eingang. Eine nackte Glühbirne baumelte an einem Kabel über ihren Köpfen und beleuchtete eine große Metalltür und eine Reihe von Klingeln an der linken Wand. Nur auf einer stand ein Name: Bane.

Isabelle drückte auf die Klingel. Nichts passierte. Sie klingelte erneut. Gerade wollte sie es zum dritten Mal versuchen, als Alec sie am Handgelenk festhielt. »Sei nicht so unhöflich«, mahnte er.

Sie funkelte ihn böse an: »Alec …«

In dem Moment flog die Tür auf.

Ein schlanker Mann stand im Rahmen und betrachtete sie neugierig. Isabelle fasste sich als Erste wieder und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Magnus? Magnus Bane?«

»Das bin ich.« Der Mann im Türrahmen war so groß und so dünn wie eine Bohnenstange; seine Haare bildeten eine Krone aus dichten schwarzen Stacheln. Der Form seiner schläfrigen Augen und dem goldenen Ton seiner gleichmäßig gebräunten Haut nach zu urteilen, war er Halbasiate. Er trug Jeans und ein schwarzes Hemd, das mit Dutzenden Metallschnallen bedeckt war. Seine Augen waren von einer Art Maske aus schwarzem Glitter umrahmt, die Lippen dunkelblau geschminkt. Er fuhr sich mit der Hand, an der fast an jedem Finger ein Ring steckte, durch die stachligen Haare und betrachtete sie nachdenklich. »Kinder der Nephilim«, sagte er. »Ich kann mich nicht erinnern, euch eingeladen zu haben.«