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»Du hast meine Gastfreundschaft überstrapaziert«, sagte Magnus gedehnt und riss die Augen weit auf. Schockiert sah Clary, dass die Pupillen vertikalen Schlitzen glichen, wie denen einer Katze. »Und jetzt verschwinde.« Er spreizte die Finger seiner Hand und der Vampir drehte sich so elegant, als habe ihn jemand bei der Schulter gepackt. Er wurde herumgewirbelt und marschierte durch die Menge zur Tür.

Jace pfiff leise. »Sehr eindrucksvoll.«

»Du meinst diese kleine Stummschaltung?« Magnus schaute zur Decke. »Ich weiß. Was hat er bloß für ein Problem?«

Alec machte ein Geräusch, als würde er ersticken. Nach einem kurzen Augenblick wurde Clary klar, dass er lachte. Das sollte er öfter machen.

»Wir haben das Weihwasser in seinen Tank gekippt«, sagte er.

»Alec!«, rief Jace. »Halt den Mund.«

»Das habe ich mir schon gedacht«, meinte Magnus und schaute amüsiert. »Ihr rachsüchtigen kleinen Mistkerle. Ihr wusstet, dass ihre Maschinen mit Dämonenenergie fahren. Ich glaube nicht, dass er es reparieren kann.«

»Ein motorisierter Blutsauger weniger«, sagte Jace. »Mir bricht das Herz.«

»Ich habe gehört, dass einige von ihren Maschinen fliegen können«, warf Alec ein, der ausnahmsweise einmal lebhaft wirkte. Er lächelte fast.

»Das ist lediglich ein altes Hexenmärchen«, sagte Magnus, dessen Katzenaugen funkelten. »Seid ihr deshalb zu meiner Party gekommen? Nur um die Maschine eines Blutsaugers zu ruinieren?«

»Nein.« Jace war wieder vollkommen ernst. »Wir müssen mit dir reden. Am liebsten irgendwo, wo uns keiner stört.«

Magnus zog eine Augenbraue hoch. Verdammt, dachte Clary, noch einer, der das kann. »Habe ich Ärger mit dem Rat?«

»Nein«, sagte Jace.

»Vermutlich nicht«, mischte Alec sich ein. »Au!« Er warf Jace, der ihm einen Tritt verpasst hatte, einen wütenden Blick zu.

»Nein«, wiederholte Jace. »Wir können unter dem Siegel des Bündnisses reden. Wenn du uns hilfst, wird alles, was du sagst, vertraulich behandelt.«

»Und wenn ich euch nicht helfe?«

Jace streckte seine Hände aus. Die schwarzen Runenmale auf seinen Handflächen stachen deutlich hervor. »Vielleicht passiert nichts; vielleicht bekommst du aber auch Besuch aus der Stadt der Stille.«

Magnus’ Stimme klang wie über Eisscherben rinnender Honig. »Das ist ja eine tolle Wahl, vor die du mich da stellst, kleiner Schattenjäger.«

»Es ist überhaupt keine Wahl«, entgegnete Jace.

»Ja«, sagte der Hexenmeister. »Genau das meinte ich.«

Magnus’ Schlafzimmer glich einer Explosion von Farben: kanariengelbes Bettzeug auf einer Matratze auf dem Boden, ein stahlblauer Frisiertisch, auf dem mehr Töpfe, Pinsel und Make-up-Utensilien lagen als auf dem von Isabelle. Samtvorhänge in Regenbogenfarben verdeckten die vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster und ein verfilzter Wollteppich lag auf dem Fußboden.

»Hübsches Zimmer«, meinte Jace und zog einen der schweren Vorhänge zur Seite. »Man verdient wohl ganz gut als Oberster Hexenmeister von Brooklyn?«

»Es geht«, sagte Magnus. »Zusätzliche Krankenversicherungsleistungen kann man allerdings vergessen. Kein Zahnersatz.« Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Als er die Arme verschränkte, schob sich sein Hemd etwas nach oben und legte einen Teil seines flachen goldbraunen, aber nabellosen Bauches frei. »Also«, sagte er. »Was habt ihr auf dem Herzen, ihr verschlagenen kleinen Mistkerle?«

»Es geht gar nicht um sie«, sagte Clary, die ihre Stimme gefunden hatte, ehe Jace antworten konnte. »Ich bin diejenige, die mit Ihnen sprechen möchte.«

Magnus richtete seine katzenartigen Augen auf sie. »Du bist keine von ihnen«, sagte er. »Du gehörst nicht zum Rat. Aber du kannst die Verborgene Welt sehen.«

»Meine Mutter gehörte dem Rat an.« Zum ersten Mal hatte sie es laut ausgesprochen und sie wusste, dass es stimmte. »Aber sie hat mir nichts davon erzählt. Sie hat es geheim gehalten. Und ich weiß nicht, warum.«

»Dann frag sie.«

»Das kann ich nicht. Sie ist …« Clary zögerte. »Sie ist verschwunden.«

»Und dein Vater?«

»Er starb, bevor ich geboren wurde.«

Magnus seufzte genervt. »Wie hat Oscar Wilde es einmal formuliert: ›Ein Elternteil zu verlieren, das könnte man noch als Missgeschick durchgehen lassen. Aber alle beide zu verlieren, das sieht doch schon sehr nach Unachtsamkeit aus.‹«

Clary hörte, dass Jace ein kleines, zischendes Geräusch machte, als würde er Luft durch seine Zähne einsaugen. »Ich habe meine Mutter nicht verloren«, sagte sie. »Sie wurde verschleppt. Von Valentin.«

»Ich kenne keinen Valentin«, sagte Magnus, doch seine Augen flackerten wie die Flamme einer Kerze und Clary wusste, dass er log. »Es tut mir leid, dass du in einer so unangenehmen Situation steckst, aber ich wüsste nicht, was das alles mit mir zu tun hat. Wenn du mir sagen könntest …«

»Sie kann dir nichts sagen, weil sie sich an nichts erinnert«, unterbrach Jace ihn in scharfem Ton. »Jemand hat ihre Erinnerungen ausgelöscht. Deshalb haben wir die Stadt der Stille aufgesucht, um zu sehen, was die Brüder aus ihrem Kopf herausholen können. Sie fanden zwei Worte. Und ich glaube, du kannst dir denken, wie sie lauten.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann zog Magnus die Mundwinkel hoch und zeigte ein bitteres Lächeln. »Meine Signatur. Als ich es tat, wusste ich, dass es eine Torheit war. Ein Akt der Hybris …«

»Sie haben meinen Geist signiert?«, fragte Clary ungläubig.

Magnus hob die Hand und schrieb mit glühenden Buchstaben etwas in die Luft. Als er die Hand wieder senkte, schwebten die Schriftzeichen im Raum, heiß und golden: Magnus Bane.

»Ich war stolz auf meine Arbeit – auf das Werk, das ich an dir vollbracht hatte«, sagte er gedehnt und schaute Clary an. »So sauber. So perfekt. Alles, was du sahst, hast du im gleichen Moment wieder vergessen. Kein Bild einer Fee, eines Kobolds oder einer langbeinigen Bestie blieb dir im Gedächtnis und konnte deinen unschuldigen irdischen Schlaf stören. Und genau so hat sie es gewollt.«

Clarys Stimme klang dünn vor Anspannung. »Wer hat das so gewollt?«

Magnus seufzte und sein Atem ließ die Feuerbuchstaben zu glühender Asche zerfallen. Schließlich setzte er zu einer Antwort an – und obwohl sie nicht überrascht war, obwohl sie genau gewusst hatte, was er erwidern würde, trafen die Worte Clary bis ins Mark.

»Deine Mutter«, sagte er.

13

Dem Vergessen entrissen

»Meine Mutter hat mir das angetan?«, fragte Clary, doch ihr überraschtes Entsetzen klang nicht überzeugend; das hörte sie selbst. Sie schaute sich zu Jace um und sah das Bedauern in seinem Blick; selbst Alec hatte es offenbar bereits vermutet und schien Mitleid mit ihr zu haben. »Aber warum?«

»Ich weiß es nicht.« Magnus spreizte die Finger seiner langen weißen Hände. »Es ist nicht mein Aufgabe, Fragen zu stellen. Ich tue das, wofür ich bezahlt werde.«

»Innerhalb der Grenzen des Bündnisses«, erinnerte Jace ihn mit einer Stimme, so weich wie das Fell einer Katze.

Magnus legte den Kopf auf die Seite. »Innerhalb der Grenzen des Bündnisses, natürlich.«

»Also erlaubt das Bündnis diese geistige Vergewaltigung?«, fragte Clary verbittert. Als niemand ihr antwortete, ließ sie sich auf die Kante von Magnus’ Bett sinken. »Ist es nur einmal passiert? War es etwas Bestimmtes, das ich vergessen sollte? Wissen Sie, worum es dabei ging?«

Magnus marschierte rastlos vor dem Fenster auf und ab. »Ich glaube, du verstehst nicht ganz. Das erste Mal, als ich dich sah, musst du ungefähr zwei Jahre alt gewesen sein. Damals schaute ich aus diesem Fenster« – er tippte an das Glas und Staub und Farbpartikel rieselten zu Boden – »und sah, wie sie die Straße entlangkam und etwas an sich drückte, das in eine Decke gehüllt war. Ich war ziemlich überrascht, als sie vor meiner Tür stehen blieb. Sie sah so normal aus, so jung.«