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Simon sah den drei Schattenjägern nach, die den von Rosenbüschen gesäumten Weg zum Haus entlanggingen. »Anzeichen für dämonische Aktivität? Haben die etwa ein Gerät, mit dem sich messen lässt, ob die Dämonen im Haus Power-Yoga betreiben?«

»Nein«, sagte Clary und schob ihre feuchte Kapuze so weit zurück, dass sie die Wärme des Sonnenlichts auf ihrem Haar spüren konnte. »Der Sensor zeigt ihnen, wie mächtig die Dämonen sind – falls überhaupt welche da sind.«

Simon sah beeindruckt aus. »Das ist mal wirklich praktisch.«

Sie wandte sich ihm zu. »Simon, wegen gestern Nacht …«

Er hob eine Hand. »Wir brauchen nicht darüber zu reden. Ehrlich gesagt wär mir das sogar lieber.«

»Dann lass mich dir nur eins sagen«, meinte sie schnell. »Als du sagtest, dass du mich liebst, habe ich dir nicht die Antwort gegeben, die du hören wolltest. Das weiß ich.«

»Stimmt. Ich hatte immer gehofft, wenn ich eines Tages ›Ich liebe dich‹ zu einem Mädchen sage, würde sie mit ›Ich weiß‹ antworten, so wie Prinzessin Leia zu Han Solo in Rückkehr der Jedi-Ritter

»Das ist so kitschig«, konnte Clary sich einfach nicht verkneifen.

Er starrte sie wütend an.

»Tut mir leid«, murmelte sie. »Schau mal, Simon, ich …«

»Nein«, unterbrach er sie. »Schau du mal, Clary. Schau mich an und versuche, mich wirklich zu sehen. Kriegst du das hin?«

Sie sah ihn an. Betrachtete seine dunklen Augen, die zum äußeren Rand der Iris hin heller wurden, die vertrauten, etwas ungleichen Augenbrauen, die langen Wimpern, das dunkle Haar, das zögernde Lächeln und die feingliedrigen, musikalischen Hände, die so zu Simon gehörten, wie er zu ihr gehörte. Hatte sie tatsächlich nicht gewusst, dass er sie liebte? Oder hatte sie einfach nicht gewusst, was sie hätte antworten sollen, wenn er ihr seine Liebe gestand?

Sie seufzte. »Zauberglanz lässt sich leicht durchschauen. Das kann man von Leuten nicht gerade behaupten.«

»Wir alle sehen, was wir sehen wollen«, sagte er leise.

»Jace nicht«, erwiderte sie unwillkürlich und musste an seinen klaren, unbestechlichen Blick denken.

»Für den gilt das mehr als für jeden anderen.«

Sie runzelte die Stirn. »Was willst du …«

»Alles okay«, unterbrach Jace’ Stimme ihren Satz. Clary drehte sich hastig um. »Wir haben uns das ganze Haus angesehen – nichts. Niedrige Aktivität. Wahrscheinlich nur die Forsaken und selbst die dürften uns in Ruhe lassen, solange wir nicht versuchen, die obere Wohnung zu betreten.«

»Und wenn sie uns doch nicht in Ruhe lassen sollten«, sagte Isabelle mit einem Grinsen, so gefährlich wie ihre Peitsche, »werden wir ihnen einen höllischen Empfang bereiten.«

Alec zerrte die schwere Segeltasche von der Ladefläche des Transporters und ließ sie auf den Bürgersteig fallen. »Alles klar«, verkündete er. »Lasst uns ein paar Dämonen fertigmachen!«

Jace schaute ihn ein wenig irritiert an. »Alles okay mit dir?«

»Bestens.« Ohne Jace’ Blick zu erwidern, legte Alec Bogen und Pfeile beiseite und griff nach einem Stab aus poliertem Holz, aus dem auf einen leichten Druck seiner Finger zwei funkelnde Klingen hervorschossen. »Der ist besser.«

Isabelle warf ihrem Bruder einen besorgten Blick zu. »Aber der Bogen …«

»Ich weiß, was ich tue, Isabelle«, schnitt Alec ihr das Wort ab.

Der Bogen lag auf dem Rücksitz, glänzte im Sonnenlicht. Simon griff danach, zog jedoch sofort seine Hand weg, als eine Gruppe junger Frauen mit Kinderwagen vorbeikam und lachend in Richtung des Parks ging. Sie schienen die drei schwer bewaffneten Teenager neben dem gelben Transporter überhaupt nicht zu bemerken. »Wieso kann ich euch alle sehen?«, fragte Simon. »Was ist mit eurem Unsichtbarkeitszauber passiert?«

»Du kannst uns sehen«, antwortete Jace, »weil du nun die Wahrheit dessen kennst, was du ansiehst.«

»Stimmt«, sagte Simon. »Ich schätze, das tue ich.«

Er sträubte sich ein wenig, als sie ihn aufforderten, beim Bus zu bleiben, aber Jace überzeugte ihn schließlich mit der Bemerkung, wie wichtig ein Fluchtfahrzeug sei, das abfahrbereit vor dem Haus auf sie wartete. »Sonnenlicht kann für Dämonen tödlich sein, macht aber den Forsaken nichts aus. Was ist, wenn sie uns jagen? Und was passiert, wenn man unser Auto dann abgeschleppt hat?«

Das Letzte, was Clary von Simon sah, als sie sich auf der Veranda noch einmal umdrehte, um ihm zuzuwinken, waren seine langen Beine – sie lagen auf dem Armaturenbrett, während er in aller Ruhe Erics CD-Sammlung durchsah. Sie seufzte erleichtert; wenigstens war Simon in Sicherheit.

Als sie das Haus betraten, traf der Gestank sie wie ein Schlag. Er war kaum zu beschreiben, wie eine Mischung aus verfaulten Eiern, madigem Fleisch und Algen, die an einem warmen Strand verrotten.

Isabelle rümpfte angeekelt die Nase und Alec wurde grün im Gesicht, doch Jace sah so aus, als schnupperte er ein kostbares Parfüm. »Hier sind Dämonen gewesen«, verkündete er mit einem kalten Funkeln in den Augen. »Und zwar vor kurzer Zeit.«

Clary schaute ihn ängstlich an. »Aber sie sind nicht mehr da, oder?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Der Sensor hätte es angezeigt. Trotzdem ist Vorsicht geboten.« Er deutete mit dem Kinn in Richtung von Madame Dorotheas Wohnungstür, die so sorgfältig verschlossen war, dass kein Lichtschimmer durch den Türspalt drang. »Sie dürfte einige unangenehme Fragen zu beantworten haben, wenn der Rat erfährt, dass sie Dämonen Unterschlupf gewährt hat.«

»Der Rat wird von der ganzen Aktion ohnehin nicht sehr erfreut sein«, meinte Isabelle. »Gut möglich, dass sie am Ende sogar weniger Ärger kriegt als wir.«

»Das alles wird den Rat nicht weiter interessieren, wenn wir ihm den Kelch zurückbringen.« Alec schaute sich um; seine blauen Augen streiften prüfend über das imposante Treppenhaus, die gewundene Treppe hinauf ins Obergeschoss, die Flecken an den Wänden. »Und wenn wir dabei auch gleich noch ein paar Forsaken töten.«

Jace schüttelte den Kopf. »Die sind in der oberen Wohnung. Ich schätze, dass sie uns in Ruhe lassen, solange wir nicht versuchen, da oben einen Fuß durch die Tür zu setzen.«

Isabelle blies sich eine klebrige Haarsträhne aus dem Gesicht und warf Clary einen düsteren Blick zu. »Worauf wartest du noch?«

Clary schaute unwillkürlich Jace an, der ihr kurz zulächelte. Nur keine Angst, sagten seine Augen.

Mit leisen, vorsichtigen Schritten ging sie durch das Treppenhaus auf Madame Dorotheas Wohnungstür zu. Durch das verschmutzte Oberlicht drang kein Licht, und da auch die Birne im Treppenhaus noch nicht ausgewechselt worden war, leuchtete nur Jace’ Elbenlicht ihr den Weg. Die Luft war warm und stickig und vor ihr schienen die Schatten an den Wänden emporzuwuchern wie Nachtschattengewächse in einem Zauberwald. Sie hob die Hand und klopfte an – zunächst zögernd und leise und dann noch einmal und mit mehr Kraft. Als die Tür aufschwang, ergoss sich eine Woge von goldenem Licht ins Treppenhaus. Vor ihr stand Madame Dorothea, wuchtig und imposant in grünen und orangefarbenen Gewändern. Dieses Mal trug sie einen leuchtend gelben Turban, bestickt mit Zackenlitze, auf dem ein ausgestopfter Kanarienvogel thronte. Lüsterförmige Ohrringe baumelten zu beiden Seiten ihres Gesichts herab und ihre großen Füße waren nackt. Das überraschte Clary – sie hatte Madame Dorothea zuvor noch nie barfuß gesehen oder mit anderem Schuhwerk als ihren ausgeblichenen Pantoffeln.

Ihre Zehennägel waren in einem hellen, überraschend geschmackvollen Muschelrosa lackiert.

»Clary!«, rief sie und zog Clary in einer alles überwältigenden Umarmung an sich. Einen Augenblick kämpfte Clary dagegen an, weil sie in der Fülle von parfümiertem Fleisch, Samtgewändern und den Quasten von Madame Dorotheas Schal zu ersticken drohte. »Liebe Güte, Mädchen«, sagte die Hexe und schüttelte den Kopf, wobei ihre Ohrringe hin und her flogen wie Windspiele in einem Sturm. »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bist du durch mein Portal verschwunden. Wo seid ihr damals gelandet?«