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Das Wesen neigte den Kopf. »Ich bin Abbadon. Ich bin der Herrscher des Abgrunds. Mein ist die ewige Leere zwischen den Welten. Mein ist der Wind und die unendliche Dunkelheit. Ich bin keines jener jämmerlichen Wesen, die ihr Dämonen nennt – so wenig, wie man einen Adler eine Fliege nennen könnte. Lasset alle Hoffnung fahren, mich besiegen zu können. Gebt mir den Kelch oder sterbt.«

Isabelles Peitsche zitterte. »Ein Dämonenfürst«, flüsterte sie.

»Jace, wenn wir …«

»Was ist mit Madame Dorothea?«, fragte Clary mit schriller Stimme, noch ehe sie sich zurückhalten konnte. »Was ist mit ihr passiert?«

Der Dämon heftete seine leeren Augen auf sie. »Sie war nichts als eine Hülle«, dröhnte er. »Sie öffnete das Portal und ich ergriff Besitz von ihr. Ihr Tod kam schnell und schmerzlos.« Sein Blick wanderte zu dem Kelch in ihrer Hand. »Deiner wird es nicht sein.«

Im nächsten Moment bewegte er sich auf sie zu. Jace stellte sich ihm in den Weg, das glänzende Schwert in einer Hand, eine Seraphklinge in der anderen. Alec beobachtete ihn mit panischem Entsetzen in den Augen.

»Beim Erzengel«, sagte Jace und musterte den Dämon. »Ich wusste ja, dass Dämonenfürsten hässlich sind, aber niemand hat mich gewarnt, dass sie auch so stinken.«

Abbadon öffnete den Mund und fauchte. Im Inneren seiner Mundöffnung funkelten zwei Reihen gezackter, rasiermesserscharfer Zähne.

»Ich verstehe ja nicht viel von diesem ganzen HeulenderWindund-dräuende-Dunkelheit-Tamtam«, fuhr Jace fort, »aber für mich riecht das hier mehr nach Mülldeponie. Bist du sicher, dass du nicht von der auf Staten Island stammst?« Der Dämon warf sich auf ihn. Blitzschnell riss Jace seine Klingen hoch und stieß sie dem Dämon tief in den fleischigsten Teil seines Körpers, kurz unterhalb der Brust. Die Kreatur heulte auf, schlug nach ihm und schleuderte ihn beiseite wie eine Katze eine Maus. Jace überschlug sich und kam wieder auf die Füße, doch an der Art, wie er sich seinen Arm hielt, sah Clary, dass er verletzt war.

Das war zu viel für Isabelle. Sie schnellte vorwärts und schlug mit ihrer Peitsche nach dem Dämon. Die gräuliche Haut riss auf und ein roter Striemen erschien, aus dem Blut tropfte. Doch Abbadon ignorierte sie und stampfte auf Jace zu.

Mit seiner unverletzten Hand zog Jace eine zweite Seraphklinge hervor. Er flüsterte etwas und die Klinge erwachte zum Leben, schimmernd und funkelnd. Er hob die Klinge genau in dem Moment, als der Dämon über ihm stand – verglichen mit ihm wirkte er fast schon lächerlich klein, wie ein Kind vor einem Riesen. Doch Jace grinste, selbst als der Dämon nach ihm griff. Mit einem Schrei schlug Isabelle erneut mit der Peitsche auf die Kreatur ein und ein Strahl von Blut ergoss sich auf den Boden …

Dann griff der Dämon an; seine rasiermesserscharfe Klaue schlug nach Jace. Jace stolperte rückwärts, blieb jedoch unverletzt. Irgendetwas hatte sich zwischen ihn und Abbadon geworfen, ein schlanker schwarzer Schatten mit einer schimmernden Klinge in der Hand. Alec. Der Dämon kreischte auf – Alecs Klingenstab hatte seine Haut durchbohrt. Schnaubend schlug er zurück; seine Knochenhand traf Alec mit solcher Wucht, dass dieser von den Füßen gehoben und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert wurde. Mit einem entsetzlichen Knirschen prallte er gegen das Mauerwerk und sank zu Boden.

Isabelle schrie den Namen ihres Bruders, doch der bewegte sich nicht. Sie ließ die Peitsche sinken und rannte auf ihn zu.

Der Dämon drehte sich und traf sie mit einem Rückhandschlag, der sie zu Boden gehen ließ. Blut spuckend versuchte sie, wieder auf die Füße zu kommen, doch Abbadon traf sie erneut und dieses Mal blieb sie liegen.

Der Dämon bewegte sich nun auf Clary zu.

Jace blickte wie erstarrt hinüber zu Alecs zusammengesacktem Körper; er wirkte wie jemand, der nicht aus einem Albtraum erwachen kann. Clary schrie auf, als Abbadon immer näher kam. Bleich vor Entsetzen wich sie rückwärts die Treppe hinauf und stolperte fast über eine zerbrochene Treppenstufe. Die Stele brannte in ihrer Hand. Wenn sie nur eine Waffe hätte, irgendetwas … Isabelle hatte sich mühsam wieder aufgesetzt, schob sich das blutige Haar aus dem Gesicht und schrie Jace irgendetwas zu. Clary hörte ihren eigenen Namen in Isabelles Schrei und sah, wie Jace sich plötzlich schüttelte, als ob er aus einem Traum erwachte. Dann drehte er sich blitzschnell um und lief auf sie zu. Inzwischen war der Dämon Clary so nahe, dass sie die schwarzen Geschwüre auf seiner Haut sehen konnte – irgendwelche Dinge krochen darin herum. Er griff nach ihr …

Aber Jace war zur Stelle und schlug Abbadons Klaue zur Seite. Dann schleuderte er die Seraphklinge auf den Dämon; sie blieb in seiner Brust stecken, nahe der Stelle, an der bereits die beiden anderen Klingen saßen. Doch der Dämon schnaubte nur kurz, als ob die Waffen ihm schlicht lästig wären. »Schattenjäger«, knurrte er. »Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu töten. Ich will deine Knochen so bersten hören wie die deines Freundes …«

Jace sprang auf das Treppengeländer und warf sich von dort aus auf Abbadon. Die Wucht des Aufpralls ließ den Dämon rückwärtsstolpern; er taumelte, doch Jace klammerte sich an seinem Rücken fest, zog eine der Seraphklingen aus Abbadons Brust, wobei eine Fontäne von Eiter aufspritzte, und jagte die Klinge wieder und wieder in den Rücken des Dämons, bis dessen Schultern vor schwarzer Flüssigkeit glänzten. Schnaubend wich Abbadon rückwärts zur Wand zurück:

Jace musste abspringen oder er wäre zerquetscht worden. Er ließ sich zu Boden fallen, kam leichtfüßig auf die Beine und hob erneut die Klinge. Aber Abbadon war zu schnell für ihn; seine Klaue schoss nach vorn und presste Jace gegen die Treppe, wo er zu Boden sackte. Die Krallen des Dämons waren nur Millimeter von seiner Kehle entfernt.

»Sag ihr, sie soll mir den Kelch geben«, knurrte Abbadon.

»Sag ihr, sie soll ihn mir geben, und ich werde sie am Leben lassen.«

Jace schluckte. »Clary …«

Doch Clary sollte nie erfahren, was er hatte sagen wollen, denn im selben Augenblick flog die Haustür auf. Einen Moment lang sah sie nur blendende Helligkeit und musste mehrmals blinzeln, um durch das feurige Nachglühen auf ihrer Netzhaut Simon erkennen zu können, der in der offenen Tür stand. Simon. Sie hatte ganz vergessen, dass er noch draußen war, hatte beinahe vergessen, dass er überhaupt existierte.

Er sah sie zusammengekrümmt auf der Treppe hocken; dann schoss sein Blick zu Abbadon und Jace. Blitzschnell griff er mit einer Hand rückwärts über seine Schulter. Sie erkannte, dass er in der anderen Hand Alecs Bogen hielt und dessen Köcher umgeschnallt hatte. Er zog einen Pfeil daraus hervor, legte ihn auf die Sehne und hob den Bogen mit gekonntem Schwung, so als ob er das schon Hunderte von Malen getan hätte.

Der Pfeil schnellte von der Sehne. Mit einem wütenden Brummen, wie dem einer gewaltigen Hummel, schoss er über Abbadons Kopf hinweg in Richtung Dach …

Und durchschlug das Oberlicht. Schmutzige Glassplitter regneten zu Boden und durch die zerbrochene Scheibe strömte Sonnenlicht hinein – breite goldene Lichtstrahlen, die wie Dolche hinabstießen und das Treppenhaus mit Licht durchfluteten.

Abbadon schrie auf, stolperte rückwärts und versuchte, seinen missgebildeten Kopf mit den Händen zu schützen. Jace legte eine Hand um seine unverletzte Kehle und starrte ungläubig auf den Dämon, der sich heulend auf dem Boden zusammenkrümmte. Einen Moment lang kam Clary der Gedanke, dass er eigentlich in Flammen aufgehen müsste, doch stattdessen begann er, immer stärker in sich zusammenzufallen. Seine Beine klappten in Richtung Rumpf, sein Totenschädel schrumpelte wie verkokelndes Papier und kaum eine Minute später war er vollkommen verschwunden und hinterließ nur ein paar Brandflecken.

Simon senkte den Bogen. Er blinzelte ein paar Mal und starrte mit offenem Mund auf die Flecken. Er sah genauso verblüfft aus, wie Clary sich fühlte.