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»Das war ziemlich clever«, meinte Jace. »Der Dämon ergriff von ihr Besitz und verbarg dann den Großteil seiner ätherischen Form kurz hinter dem Portal, wo ihn der Sensor nicht aufspüren konnte. Also gingen wir rein, erwarteten bestenfalls ein paar Forsaken und stießen stattdessen auf einen Dämonenfürst. Abbadon – einer der Alten. Der Herrscher des Abgrundes.«

»Sieht so aus, als müsste der Abgrund von jetzt an ohne ihn auskommen«, meinte Simon und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu.

»Abbadon ist nicht tot«, erklärte Isabelle. »Kaum jemandem ist es je gelungen, einen Dämonenfürsten zu töten. Man muss sie in ihrer irdischen und ihrer ätherischen Form töten, damit sie wirklich sterben. Wir haben ihn nur verjagt.«

»Ach so.« Simon wirkte enttäuscht. »Und was ist mit Madame Dorothea? Wird sie wieder in Ordnung kommen, jetzt wo …«

Er unterbrach sich, weil Alec zu husten begonnen hatte; bei jedem Atemzug kam ein Pfeifen aus seiner Brust. Jace fluchte leise, von tödlichem Ernst erfüllt. »Warum sind wir noch nicht da?«

»Wir sind gerade angekommen. Ich will nur nicht gegen die Wand knallen.« Während Simon den Bus vorsichtig an der Ecke ausrollen ließ, sah Clary, dass die Tür des Instituts offen stand und Hodge sie im Eingang erwartete.

Sobald der Wagen stand, sprang Jace hinaus und hob Alec so mühelos vom Rücksitz, als ob er ein kleines Kind auf den Arm nehmen würde. Isabelle folgte ihm den Weg zum Institut hinauf, den blutigen Klingenstab ihres Bruders in den Händen. Dann schlug die Tür des Instituts hinter ihnen zu.

Von einer Welle der Müdigkeit erfasst, schaute Clary Simon an. »Tut mir leid, aber ich hab keine Ahnung, wie wir Eric das ganze Blut erklären sollen.«

»Scheiß auf Eric«, sagte er mit Inbrunst. »Geht es dir gut?«

»Ich hab nicht mal ’nen Kratzer. Alle anderen wurden verletzt, nur ich hab nichts abbekommen.«

»Das ist ihre Aufgabe, Clary«, meinte Simon sanft. »Sie wurden dazu ausgebildet, Dämonen zu bekämpfen – du nicht.«

»Aber was ist dann meine Aufgabe, Simon?«, fragte sie und suchte in seinem Gesicht nach einer Antwort.

»Tja … du hast den Kelch gefunden«, sagte er. »Oder etwa nicht?«

Sie nickte und klopfte auf ihre Tasche. »Doch.«

Er wirkte erleichtert. »Ich habe mich beinahe nicht zu fragen getraut. Das ist doch gut, oder?«

»Und ob«, sagte sie. Sie musste an ihre Mutter denken und ihre Hand schloss sich um den Kelch. »Und ob es das ist.«

Church erwartete sie am Ende der Treppe, maunzend wie ein Nebelhorn, und führte sie zur Krankenstation. Durch die geöffneten Doppeltüren sah sie Alecs Körper reglos auf einem der weißen Betten liegen. Hodge stand über ihn gebeugt; neben ihm hielt Isabelle ein silbernes Tablett in den Händen.

Jace war nicht bei ihnen. Er lehnte vor der Krankenstation an der Wand, die blutigen Hände zu Fäusten geballt. Als Clary zu ihm trat, öffneten sich seine Lider ruckartig und sie sah, dass alles Gold aus seinen großen Pupillen verschwunden war; stattdessen wirkten sie nun tiefschwarz. »Wie geht es ihm?«, fragte sie, so sanft wie möglich.

»Er hat viel Blut verloren. Vergiftungen durch Dämonen sind nichts Ungewöhnliches, aber da es ein Dämonenfürst war, ist Hodge sich nicht sicher, ob seine üblichen Gegenmittel auch wirken werden.«

Sie streckte ihre Hand aus, um seinen Arm zu berühren. »Jace …«

Er zuckte zurück. »Nicht.«

»Ich habe nie gewollt, dass Alec irgendwas passiert. Es tut mir so leid«, murmelte sie leise.

Er schaute sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. »Es ist nicht deine Schuld«, erwiderte er. »Es ist meine.«

»Deine? Nein, Jace, das stimmt nicht …«

»Oh doch«, sagte er mit einer Stimme, so dünn und zerbrechlich wie ein Eissplitter. »Mea culpa, mea maxima culpa.«

»Was bedeutet das?«

»Meine Schuld, meine übergroße Schuld. Es ist Latein.« Geistesabwesend strich er ihr eine Haarlocke aus der Stirn. »Ein Teil der Liturgie.«

»Ich dachte, du glaubst nicht an Religion.«

»Ich glaube zwar nicht an die Sünde«, sagte er, »aber ich empfinde Schuld. Wir Schattenjäger leben nach einem Verhaltenskodex und dieser Kodex ist eindeutig. Begriffe wie Ehre, Schuld und Buße sind für uns keine hohlen Phrasen; allerdings haben sie nichts mit Religion zu tun, sondern ausschließlich damit, wer und was wir sind. So bin ich nun mal, Clary«, fuhr er verzweifelt fort. »Ich gehöre dem Rat an. Es steckt in meinen Genen, in meinem Blut. Wenn du dir also so sicher bist, dass es nicht mein Fehler war, dann sag mir eines: Woher kommt es, dass ich im ersten Moment, als ich Abbadon sah, nicht an meine Mitkämpfer gedacht habe, sondern an dich?« Er hob die andere Hand und hielt ihr Gesicht zwischen seinen Handflächen fest. »Ich weiß … ich wusste … dass Alec nicht wie er selbst handelte. Ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Doch stattdessen habe ich nur an dich gedacht …«

Er ließ den Kopf sinken, bis seine Stirn die ihre berührte. Clary konnte spüren, wie sein Atem ihre Wimpern erbeben ließ. Sie schloss die Augen, gab sich ganz dem Gefühl seiner Nähs hin. »Wenn Alec stirbt, wird es so sein, als ob ich ihn getötet hätte«, murmelte Jace. »Ich habe meinen Vater sterben lassen und jetzt habe ich den einzigen Bruder umgebracht, den ich je hatte.«

»Das stimmt nicht«, flüsterte sie.

»Doch.« Sie standen so dicht beieinander, dass er sie hätte küssen können. Und noch immer hielt er sie so fest, als ob nichts ihn davon überzeugen könnte, dass sie real war. »Clary«, sagte er, »was passiert mit mir?«

Sie suchte verzweifelt nach einer Antwort – und hörte plötzlich, wie jemand sich räusperte. Als sie die Augen öffnete, stand Hodge in der Tür der Krankenstation; sein ehemals makelloser Tweedanzug war mit Flecken übersät. »Ich habe getan, was ich konnte. Er hat Beruhigungsmittel bekommen und ist schmerzfrei, aber …« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss die Stillen Brüder informieren. Das hier geht über meine Fähigkeiten hinaus.«

Jace ließ Clary langsam los. »Wie lange wird es dauern, bis sie hier sind?«

»Keine Ahnung.« Kopfschüttelnd ging Hodge den Korridor entlang. »Ich werde Hugo sofort losschicken, aber letztlich entscheiden die Brüder selbst, wann sie sich der Sache annehmen.«

»Aber in einem Fall wie diesem …« Selbst Jace hatte Mühe, mit Hodges langen Schritten mitzuhalten; Clary war inzwischen einige Meter hinter den beiden zurückgeblieben und verstand ihre Worte nur noch bruchstückhaft. »Er könnte sonst sterben.«

»Das wäre möglich«, erwiderte Hodge knapp.

Die Bibliothek war dunkel und roch nach Regen: Eines der Fenster stand offen und unter den Vorhängen hatte sich eine Wasserpfütze gebildet. Hugo krächzte und hüpfte auf seiner Stange auf und ab, während Hodge zu ihm hinüberging und auf dem Weg die Lampe auf seinem Schreibtisch einschaltete. »Ein Jammer«, sagte Hodge und griff nach Papier und Füllfederhalter, »dass ihr den Kelch nicht gefunden habt. Ich bin mir sicher, für Alec und gewiss auch für seine Familie wäre es ein großer Trost gewesen, wenn …«

»Aber wir haben den Kelch«, rief Clary verwirrt. »Hast du es ihm denn nicht erzählt, Jace?«

Jace blinzelte, wobei Clary nicht sagen konnte, ob das an seiner eigenen Verblüffung oder der plötzlichen Helligkeit im Raum lag. »Dafür war noch gar keine Zeit … ich habe erst Alec nach oben gebracht …«

Hodge stand plötzlich stocksteif da; die Spitze des Füllers verharrte bewegungslos auf dem Papier. »Ihr habt den Kelch?«

»Ja.« Clary holte den Kelch aus ihrer Tasche: Er fühlte sich immer noch kalt an, als ob der Kontakt mit ihrer Haut das Metall nicht erwärmen konnte. Die Rubine glitzerten wie rote Augen. »Hier ist er.«

Der Füller glitt Hodge aus den Fingern, rollte über den Tisch und fiel neben seinen Füßen zu Boden. Das aufwärtsscheinende Licht der Lampe ließ sein zerfurchtes Gesicht plötzlich noch härter, sorgenvoller und verzweifelter wirken als je zuvor. »Das da ist der Engelskelch?«