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»Aber Jace lebt.«

Alec blickte Clary direkt in die Augen. »Da bin ich mir absolut sicher.«

»Dann pfeif auf den Rat. Wir werden Jace auf eigene Faust finden«, verkündete Clary.

»Clary… wenn das möglich wäre… meinst du nicht, dass wir dann längst…«, setzte Alec an.

»Bisher haben wir nur das getan, was der Rat von uns verlangt hat«, warf Isabelle ein. »Patrouillen, Suchtrupps. Aber es gibt noch andere Mittel und Wege.«

»Wege, die gegen das Gesetz verstoßen, meinst du wohl«, erwiderte Alec zögerlich.

Clary hoffte, er würde jetzt nicht den Schattenjäger-Wahlspruch zitieren: Dura lex sed lex – das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz. Das würde sie jetzt nicht ertragen können. »Die Elbenkönigin hat angeboten, mir einen Gefallen zu tun«, sagte sie rasch. »Bei der Siegesfeier in Idris.« Die Erinnerung an jene Nacht, in der sie so glücklich gewesen war, versetzte ihr einen Stich ins Herz, und sie brauchte einen Augenblick, um wieder zu Atem zu kommen. »Und sie hat mir einen Weg gezeigt, um mit ihr Kontakt aufzunehmen.«

»Die Königin des Lichten Volkes macht keine Geschenke.«

»Das weiß ich. Was auch immer sie im Gegenzug verlangt, ich werde es auf mich nehmen.« Clary erinnerte sich wieder an die Worte der Elfe, die ihr die Silberglocke überreicht hatte. Du würdest alles tun, um ihm zu helfen. Ganz gleich, was es dich kosten würde, ganz gleich, was du dem Himmel oder der Hölle dafür schulden würdest, habe ich recht? »Ich möchte nur, dass einer von euch mich begleitet. Ich bin nicht besonders gut darin, diese Feensprache immer richtig zu treffen. Dadurch kann der mögliche Schaden zumindest begrenzt werden. Aber wenn die Königin irgendetwas tun kann…«

»Ich komme mit«, sagte Isabelle sofort.

Alec warf seiner Schwester einen finsteren Blick zu. »Wir haben bereits mit dem Lichten Volk gesprochen. Der Rat hat die Feenwesen intensiv befragt. Und sie können ja nicht lügen.«

»Der Rat hat sie gefragt, ob sie wüssten, wo Jace und Sebastian sind, aber nicht, ob sie bereit wären, nach ihnen zu suchen«, entgegnete Clary. »Die Elbenkönigin wusste von meinem Vater, wusste von dem Engel, den er herbeigerufen und gefangen gehalten hatte, und sie kannte die Wahrheit über mein Blut und das von Jace. Ich denke, in dieser Welt passieren nur wenige Dinge, über die sie nicht genau Bescheid weiß.«

»Das stimmt«, bestätigte Isabelle mit zunehmender Begeisterung in der Stimme. »Du weißt doch, dass man den Feenwesen die richtigen Fragen stellen muss, um irgendwelche nützlichen Informationen aus ihnen herauszukriegen, Alec. Sie lassen sich nur schwer verhören, selbst wenn sie verpflichtet sind, die Wahrheit zu sagen. Aber ein Gefallen, den sie von sich aus anbieten, ist etwas vollkommen anderes.«

»Dafür ist das damit verbundene Risiko völlig unkalkulierbar«, erwiderte Alec. »Wenn Jace wüsste, dass ich Clary erlaube, die Elbenkönigin aufzusuchen, dann würde er…«

»Das ist mir egal«, unterbrach Clary ihn. »Jace würde für mich dasselbe tun. Versuch mir nicht zu erzählen, dass das nicht stimmt. Wenn ich verschwunden wäre…«

»Würde er die ganze Welt in Schutt und Asche legen, um dich aus den Trümmern ausgraben zu können. Ich weiß«, räumte Alec leicht erschöpft ein. »Glaubt ihr wirklich, ich würde das nicht auch wollen? Ich versuche doch nur…«

»Wie ein älterer Bruder zu handeln«, ergänzte Isabelle. »Ich versteh schon.«

Einen Moment lang sah Alec aus, als müsste er um seine Fassung ringen. »Wenn dir etwas zustoßen würde, Isabelle – nach dem, was mit Max passiert ist, und nun Jace…«

Izzy sprang auf, durchquerte den Raum und schlang die Arme um Alec. Ihre dunklen Haare, die exakt denselben Farbton besaßen, schoben sich ineinander, als Isabelle ihrem Bruder etwas ins Ohr flüsterte.

Mit einem leichten Anflug von Neid beobachtete Clary die beiden. Sie hatte sich immer einen Bruder gewünscht. Jetzt hatte sie einen: Sebastian. Es schien, als hätte sie sich einen Welpen zu Weihnachten erhofft und wäre stattdessen mit einem Höllenhund überrascht worden. Sie sah zu, wie Alec seiner Schwester liebevoll durch die Haare fuhr, dann nickte und sie losließ.

»Wir gehen gemeinsam«, verkündete er. »Aber ich muss wenigstens Magnus erzählen, was wir vorhaben. Alles andere wäre nicht fair.«

»Du kannst mein Handy benutzen«, sagte Isabelle und streckte ihm das zerbeulte pinkrosa Mobiltelefon entgegen.

Doch Alec schüttelte den Kopf. »Er wartet unten, zusammen mit den anderen. Du wirst Luke ebenfalls irgendeine Ausrede auftischen müssen, Clary. Denn ich bin mir sicher, er erwartet, dass du ihn nach Hause begleitest. Außerdem meinte er, dass es deiner Mutter wegen dieser ganzen Geschichte ziemlich mies geht.«

»Sie gibt sich die Schuld an Sebastians Existenz.« Clary stand auf. »Auch wenn sie die ganze Zeit gedacht hat, er wäre tot.«

»Das ist doch nicht ihr Fehler.« Isabelle nahm die goldene Peitsche vom Wandhaken und wickelte sie um ihr Handgelenk, sodass sie wie eine Reihe glänzender Armbänder wirkte. »Und es macht ihr doch auch niemand einen Vorwurf.«

»Das spielt keine Rolle«, wandte Alec ein. »Nicht, wenn man sich selbst die Schuld gibt.«

Schweigend machten die drei sich auf den Weg durch die Gänge des Instituts, in dem es untypischerweise von Schattenjägern nur so wimmelte. Einige der Nephilim gehörten den Spezialeinheiten an, die Idris zur Unterstützung in diesem Fall entsandt hatte. Aber niemand von ihnen schenkte Isabelle, Alec oder Clary besondere Beachtung. Anfangs hatte Clary das Gefühl gehabt, man würde sie von allen Seiten anstarren, und geflüsterte Bemerkungen wie »Valentins Tochter« hatten sie beinahe dazu gebracht, nicht mehr ins Institut zu kommen. Doch inzwischen hatte sie oft genug vor dem Rat ausgesagt, dass ihr Anblick für die meisten Schattenjäger nichts Besonderes mehr war.

Der Aufzug brachte sie hinunter in das Mittelschiff des Instituts, das mit Elbenlichtfackeln und Wachskerzen hell erleuchtet war. Zahlreiche Ratsmitglieder und ihre Familien standen in den Gängen und unterhielten sich. Luke und Magnus saßen in einer der Kirchenbänke, in ein Gespräch vertieft. Daneben entdeckte Clary eine groß gewachsene Frau mit blauen Augen, die genau wie Luke aussah. Ihre eigentlich grauen Haare waren braun gefärbt und lockig, doch Clary erkannte sie trotzdem wieder: Lukes Schwester Amatis.

Als Magnus Alec erblickte, stand er auf und ging zu ihm hinüber; Izzy schien eine Bekannte in einer der anderen Bänke zu erspähen und marschierte direkt auf sie zu – wie üblich, ohne irgendjemandem zu erzählen, was sie vorhatte. Clary schlenderte hinüber zu Luke und Amatis; beide wirkten sehr erschöpft und Amatis klopfte ihrem Bruder mitfühlend auf die Schulter. Luke umarmte Clary und auch Amatis gratulierte ihr zu ihrem Freispruch, woraufhin sie stumm nickte. Sie fühlte sich wie betäubt, als wäre sie gar nicht richtig anwesend, und reagierte mehr oder weniger auf Autopilot.

Aus dem Augenwinkel sah sie Magnus und Alec. Die beiden unterhielten sich, die Köpfe dich beieinander – so wie Clary es auch schon bei anderen Paaren beobachtet hatte: einander eng zugewandt, allein in ihrem eigenen, kleinen Universum. Obwohl Clary sich freute, die beiden glücklich zu sehen, schmerzte sie der Anblick. Und sie fragte sich, ob sie selbst etwas Ähnliches jemals wieder erleben würde oder es überhaupt erleben wollte. Unwillkürlich musste sie an Jace’ Worte denken: Aber ich will niemand anderen außer dir. Ich will noch nicht mal jemand anderen als dich wollen.

»Erde an Clary«, bemerkte Luke in dem Moment. »Sollen wir nach Hause fahren? Deine Mutter will dich unbedingt sehen und sie möchte sich bestimmt gern noch in Ruhe mit Amatis unterhalten, ehe sie morgen nach Idris zurückkehrt. Ich dachte, wir könnten zusammen eine Kleinigkeit essen gehen. Du darfst das Restaurant auswählen«, sagte er und versuchte dabei, die Sorge in seiner Stimme zu überspielen.

Doch Clary konnte sie trotzdem hören. Sie hatte in letzter Zeit nicht viel gegessen und ihre Kleidung hing ihr allmählich ziemlich locker von den Schultern. »Mir ist eigentlich nicht nach Feiern zumute«, stellte sie fest. »Jedenfalls nicht, solange der Rat die Suche nach Jace als weniger wichtig eingestuft hat.«