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»Clary, das bedeutet nicht, dass die Suche vollkommen eingestellt würde«, erklärte Luke.

»Ich weiß. Es ist nur so… wie in diesen Berichterstattungen, in denen davon geredet wird, dass die ›Such- und Rettungsaktion‹ jetzt nur noch eine Leichensuche ist. Genau so klingt es jedenfalls.« Clary musste schlucken. »Na jedenfalls habe ich sowieso daran gedacht, mit Isabelle und Alec zu Taki’s zu gehen und da was zu essen«, sagte sie. »Einfach… was ganz Normales machen.«

Amatis spähte in Richtung Tür. »Draußen regnet es ziemlich heftig.«

Clary spürte, wie sich ihr Mund zu einem Lächeln verzog. Und sie fragte sich, ob dieses Lächeln wohl genauso falsch wirkte, wie es sich anfühlte. »Mir passiert schon nichts. Ich bin ja nicht aus Zucker.«

»Aber versprich mir, dass du auch wirklich etwas isst«, verlangte Luke und drückte ihr etwas Geld in die Hand, sichtlich erleichtert, dass sie etwas Normales unternehmen und mit ihren Freunden essen gehen wollte.

»Okay.« Trotz eines Anflugs von schlechtem Gewissen gelang es Clary, ihm ein wenigstens halbwegs aufrichtiges Lächeln zu schenken, ehe sie sich auf den Weg machte.

Magnus und Alec standen nicht mehr dort, wo sie sich kurz zuvor noch unterhalten hatten. Fragend schaute Clary sich um und entdeckte schließlich Izzys vertrauten schwarzen Haarschopf in der Menge. Die junge Schattenjägerin lehnte an der großen Doppelflügeltür des Instituts und sprach mit jemandem, den Clary nicht sehen konnte. Als sie näher kam, erkannte sie plötzlich und mit einem leichten Schreck ein Gesicht in der Gruppe rund um Isabelle: Aline Penhallow, deren glänzende schwarze Haare zu einer modischen, schulterlangen Frisur geschnitten waren. Neben Aline stand ein schlankes Mädchen mit platinblonden Ringellocken; sie hatte sie nach hinten gebunden, wodurch ihre leicht spitzen Ohren zum Vorschein kamen. Das Mädchen trug die Ratsrobe und Clary bemerkte, dass ihre Augen einen strahlenden, ungewöhnlichen Blaugrünton besaßen – eine Farbe, die in Clary zum ersten Mal seit zwei Wochen den Wunsch weckte, ihre Zeichenstifte hervorzuholen.

»Muss doch irgendwie merkwürdig sein, dass deine Mutter die neue Konsulin ist«, sagte Isabelle gerade zu Aline, als Clary sich zu ihnen gesellte. »Nicht, dass Jia schlechter wäre als… Hey, Clary. Aline, du erinnerst dich doch an Clary, oder?«

Die beiden Mädchen nickten sich zu. Clary hatte Aline mal beim Knutschen mit Jace überrascht. Damals war dieser Anblick einfach schrecklich gewesen, doch nun versetzte ihr die Erinnerung daran keinen Stich mehr. Denn inzwischen hatte Clary einen Punkt erreicht, an dem sie erleichtert gewesen wäre, wenn sie Jace bei einem Kuss mit einer anderen ertappt hätte – schließlich würde das bedeuten, dass er noch lebte.

»Und das hier ist Helen Blackthorn, Alines Freundin«, fügte Isabelle übertrieben betont hinzu.

Verärgert warf Clary ihr einen Blick zu. Hielt Isabelle sie etwa für bescheuert? Außerdem erinnerte sie sich daran, dass Aline ihr erzählt hatte, sie habe Jace nur versuchsweise geküsst, als eine Art Experiment, um herauszufinden, welche Sorte von Jungs ihr Typ war. Offenbar gar keiner.

»Helens Familie leitet das Institut in Los Angeles. Helen, das ist Clary Fray«, fuhr Isabelle fort.

»Valentins Tochter«, sagte Helen und betrachtete Clary überrascht und ein wenig beeindruckt.

Clary zuckte zusammen. »Ich versuche, nicht allzu oft darüber nachzudenken.«

»’tschuldigung. Ich versteh schon, warum du das nicht willst«, erwiderte Helen und errötete, wobei ihre sehr helle, fast schon perlmuttartig schimmernde Haut einen leichten Rosaton annahm. »Ich habe mich übrigens dafür ausgesprochen, dass die Suche nach Jace weiterhin oberste Priorität hat. Tut mir leid, dass wir überstimmt wurden.«

»Danke«, sagte Clary. Da sie nicht länger über dieses Thema sprechen wollte, wandte sie sich an Aline und meinte: »Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung deiner Mutter. Das muss doch toll sein, dass sie jetzt die neue Konsulin ist.«

Aline zuckte die Achseln. »Sie ist jetzt noch viel mehr unterwegs als sonst.« Dann wandte sie sich an Isabelle: »Hast du gewusst, dass dein Dad sich für den Posten des Inquisitors beworben hat?«

Clary spürte, wie Isabelle neben ihr erstarrte.

»Nein. Nein, das hab ich nicht gewusst.«

»Ich war auch überrascht«, fuhr Aline fort. »Ich dachte, sein Herz hinge an der Leitung des hiesigen Instituts…« Plötzlich verstummte Aline, schaute an Clary vorbei und meinte dann: »Helen, ich glaub, dein Bruder versucht gerade, den größten Wachsflecken der Welt zu fabrizieren. Wahrscheinlich solltest du besser eingreifen.«

Helen schnaubte genervt, murmelte irgendetwas über zwölfjährige Jungs und verschwand in dem Augenblick in der Menge, als Alec sich einen Weg zu ihnen bahnte und Aline zur Begrüßung herzlich umarmte. Manchmal vergaß Clary, dass die Penhallows und die Lightwoods sich schon seit Jahren kannten…

»War das gerade deine Freundin?«, fragte Alec und schaute Helen nach.

Aline nickte. »Ja, Helen Blackthorn.«

»Ich hab gehört, dass durch die Adern ihrer Familie Feenblut fließen soll«, sagte Alec.

Ah, dachte Clary, das erklärt die spitzen Ohren. Das Blut der Nephilim war zwar dominant, sodass das Kind eines Feenwesens und eines Schattenjägers auf jeden Fall auch ein Nephilim wurde, aber manchmal schlug das Feenblut eben doch durch und machte sich noch Generationen später auf eigentümliche Weise bemerkbar.

»Ja, ein wenig«, bestätigte Aline. »Hör mal, Alec, ich möchte mich bei dir bedanken.«

Verwundert schaute Alec sie an. »Wofür?«

»Für das, was du in der Halle des Abkommens getan hast: Magnus in aller Öffentlichkeit zu küssen«, erklärte Aline. »Das hat mir den nötigen Anstoß gegeben, es meinen Eltern zu erzählen… ich meine, mich zu outen. Und wenn ich das nicht getan hätte, wäre ich danach vermutlich nicht in der Lage gewesen, Helen anzusprechen, als ich sie das erste Mal traf… ich hätte einfach nicht den Mut dazu gehabt.«

»Ach ja?« Alec wirkte verblüfft, als hätte er nie darüber nachgedacht, welche Auswirkungen seine Handlungen auf andere Menschen haben konnten – Menschen, die nicht zu seinem engsten Familienkreis gehörten. »Und deine Eltern… wie haben sie darauf reagiert?«

Aline rollte mit den Augen. »Sie ignorieren es. Als wäre es nur eine Phase, die vorübergeht, wenn man nicht darüber spricht.«

Clary erinnerte sich daran, was Isabelle über die Haltung des Rats zur Homosexualität gesagt hatte: Wenn jemand schwul ist, dann wird nicht darüber gesprochen.

»Aber es könnte schlimmer sein«, fügte Aline hinzu.

»Definitiv«, bestätigte Alec mit einem so bitteren Ton in der Stimme, dass Clary ihn erstaunt musterte.

Aline schaute ihn an und lächelte verständnisvoll. »Das tut mir leid – wenn deine Eltern nicht…«

»Sie haben kein Problem damit«, warf Isabelle etwas zu scharf ein.

»Na ja, wie dem auch sei. Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen. Jedenfalls nicht jetzt, wo Jace verschwunden ist. Ihr macht euch bestimmt furchtbare Sorgen.« Aline holte tief Luft. »Ich bin mir sicher, dass ihr schon die dämlichsten Dinge über ihn zu hören bekommen habt – so wie die Leute nun mal reden, wenn sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Ich… ich wollte euch nur schnell was erzählen.« Ungeduldig wich sie einem vorbeischlendernden Ratsmitglied aus und trat näher an die Lightwood-Geschwister und Clary heran. »Alec, Izzy…«, setzte sie mit gesenkter Stimme an, »ich erinnere mich noch gut an einen eurer Ferienaufenthalte in Idris, als ihr uns besucht habt. Ich war dreizehn und Jace war… ich glaub, er war zwölf. Damals wollte er unbedingt in den Brocelind-Wald, also haben wir uns ein paar Pferde geliehen und sind losgeritten. Und natürlich haben wir uns total verirrt. Dieses Gebiet ist schließlich nicht umsonst für sein undurchdringliches Dickicht berüchtigt. Jedenfalls wurde es immer dunkler und der Wald immer dichter und ich immer ängstlicher. Ich dachte, wir müssten dort sterben. Aber Jace hatte nicht die geringste Angst. Für ihn bestand überhaupt kein Zweifel daran, dass wir wieder aus dem Wald hinausfinden würden. Es hat zwar Stunden gedauert, aber letztendlich hat er es geschafft: Er hat uns da rausgelotst. Ich war ihm total dankbar, aber er hat mich nur angesehen, als hätte ich den Verstand verloren. Für ihn war es selbstverständlich, dass er einen Weg aus dem Wald finden würde. Etwas anderes kam gar nicht infrage. Ich will damit nur sagen: Er wird einen Weg zu euch zurück finden. Ich weiß es einfach.«