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»Aber du hast mir doch mitgeteilt, dass du keinen Gefallen von mir benötigen würdest. Weil du bereits alles hättest, was du dir nur wünschen könntest«, entgegnete die Königin.

Verzweifelt versuchte Clary, sich daran zu erinnern, wie Jace sich während der ersten Audienz am Lichten Hof verhalten hatte, wie er die Königin umgarnt und ihr geschmeichelt hatte. Er hatte plötzlich ganz neue Worte und Formulierungen verwendet. Ratlos warf Clary einen Blick über die Schulter zu Isabelle und Alec, doch Isabelle machte nur eine gereizte Handbewegung und gab ihr zu verstehen, sie solle einfach fortfahren. »Die Dinge ändern sich«, sagte Clary vorsichtig.

Die Königin reckte genüsslich ihre langen Beine. »Nun gut. Und was wünschst du von mir?«

»Ich möchte, dass Ihr Jace Lightwood findet.«

In dem darauffolgenden Schweigen hörte man nur noch die gedämpften Schmerzensschreie der Irrlichter. Schließlich sagte die Königin: »Du musst uns für sehr mächtig halten, wenn du glaubst, das Lichte Volk könnte dort Erfolg haben, wo der Rat versagt hat.«

»Der Rat will Sebastian finden. Aber mich interessiert Sebastian nicht. Ich will Jace«, erklärte Clary. »Außerdem weiß ich, dass Ihr über mehr Informationen verfügt, als Ihr zugeben wollt. Ihr habt vorausgesagt, dass das hier passieren würde. Niemand sonst wusste davon. Außerdem denke ich nicht, dass Ihr mir diese Glocke geschickt habt, noch dazu in derselben Nacht, in der Jace verschwunden ist, ohne genau zu wissen, dass sich etwas zusammenbraute.«

»Möglicherweise habe ich davon gewusst«, sagte die Königin und betrachtete ihre schimmernden Zehennägel.

»Mir ist aufgefallen, dass die Feenwesen gern ›möglicherweise‹ sagen, wenn sie irgendetwas zu verbergen haben«, bemerkte Clary. »Dadurch brauchen sie keine direkte Antwort zu geben.«

»Möglicherweise«, spöttelte die Königin mit einem belustigten Lächeln.

»›Eventuell‹ ist auch ein schönes Wort«, schlug Alec vor.

»Genau wie ›unter Umständen‹«, fügte Izzy hinzu.

»›Vielleicht‹ ist ebenfalls nicht schlecht«, warf Simon ein. »Zugegeben, es klingt ziemlich modern, bringt aber den Kern der Sache sehr schön rüber.«

Die Königin wischte die Bemerkungen der vier beiseite, als handelte es sich um Bienen, die ihren Kopf umschwirrten. »Ich traue dir nicht, Valentinstochter«, beschied sie Clary von oben herab. »Es gab einmal eine Zeit, da erbat ich einen Gefallen von dir, doch dieser Moment ist verstrichen. Meliorn hat seinen Sitz in der Kongregation eingenommen. Ich wüsste nicht, was du mir noch zu bieten hättest.«

»Wenn Ihr das glauben würdet, hättet Ihr mir die Glocke niemals geschickt«, konterte Clary.

Einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Die Königin war atemberaubend schön, aber hinter ihrem Gesicht verbarg sich etwas, das Clary an die Knochen eines kleinen Tiers denken ließ, die langsam in der Sonne bleichten. Schließlich erwiderte die Königin: »Nun gut. Möglicherweise kann ich dir helfen. Aber ich erwarte eine Gegenleistung.«

»Das ist ja mal ’ne Überraschung«, murmelte Simon. Er hatte die Hände in die Taschen gestopft und musterte die Königin voller Abscheu.

Alec lachte laut auf.

In dem Moment blitzten die Augen der Königin und einen Sekundenbruchteil später stieß der junge Schattenjäger einen bestürzten Schrei aus und taumelte rückwärts. Fassungslos starrte er auf seine Hände: Die Haut wurde fleckig und runzlig, seine Gelenke schwollen an und die Finger krümmten sich nach innen. Sein Rücken formte sich zu einem Buckel, das Haar ergraute und die blauen Augen verblassten und versanken in tiefen Falten. Erschrocken schnappte Clary nach Luft. Dort, wo sich Alec befunden hatte, stand nun ein alter Mann, altersgebeugt, weißhaarig und auf zittrigen Beinen.

»Wie schnell die Anmut der Sterblichen doch dahinschwindet«, amüsierte sich die Königin. »Sieh dich an, Alexander Lightwood. Ich gewähre dir einen Vorgeschmack auf dein Ebenbild in gerade einmal sechzig Jahren. Was wird dein Hexenmeister wohl dann von deiner Schönheit halten?«

Alecs Brust hob und senkte sich stoßweise. Sofort eilte Isabelle zu ihm und nahm seinen Arm. »Alec, keine Sorge. Das ist nur ein Zauberglanz.« Aufgebracht wandte sie sich an die Königin. »Hebt diese Täuschung auf! Nehmt den Zauber von ihm!«

»Wenn du und deinesgleichen mir mehr Respekt entgegenbringt, werde ich mich möglicherweise dazu bereiterklären.«

»Das werden wir«, versicherte Clary ihr hastig. »Wir entschuldigen uns für jede Unhöflichkeit.«

Gekränkt rümpfte die Königin die Nase. »Ich vermisse ja euren Jace«, klagte sie. »Von euch allen war er der Attraktivste und Wohlerzogenste.«

»Wir vermissen ihn ebenfalls«, sagte Clary leise. »Es war nicht unsere Absicht, uns unhöflich zu benehmen. Wir Menschen können manchmal recht schwierig sein, wenn wir Kummer haben.«

»Pah!«, schnaubte die Königin, schnippte aber mit den Fingern, worauf der Zauberglanz von Alec abfiel. Er war wieder er selbst, wenn auch etwas verstört und kreidebleich im Gesicht. Die Königin bedachte ihn mit einem überlegenen Blick und wandte sich dann wieder Clary zu: »Es gibt da ein Paar Ringe, die einst meinem Vater gehörten. Ich wünsche die Rückkehr dieser Objekte, da sie von Elfenhand gefertigt sind und große Macht besitzen. Die Ringe erlauben uns, miteinander zu sprechen, per Gedankenübertragung, genau wie eure Brüder der Stille. Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, befinden sich die Ringe derzeit in einem Schaukasten im Institut.«

»Ich erinnere mich, dass ich so was Ähnliches schon mal gesehen habe«, meinte Isabelle gedehnt. »Zwei Elbenringe in einer Vitrine, auf der Galerie der Bibliothek.«

»Ihr wollt, dass ich für Euch etwas aus dem Institut stehle?«, fragte Clary überrascht. Von allen Gefallen, die sie als Gegenleistung in Betracht gezogen hatte, rangierte Diebstahl definitiv im unteren Bereich der Liste.

»Es handelt sich nicht um Raub, wenn ein Objekt seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgebracht wird«, erwiderte die Königin.

»Und dann werdet Ihr Jace für uns finden?«, hakte Clary nach. »Und sagt jetzt nicht ›möglicherweise‹. Was genau werdet Ihr tun?«

»Ich werde euch bei der Suche nach ihm behilflich sein«, erklärte die Königin. »Ich gebe euch mein Wort, dass meine Unterstützung von unschätzbarem Wert sein wird. So kann ich euch beispielsweise verraten, warum all eure Ortungsversuche vergebens gewesen sind. Ich kann euch verraten, in welcher Stadt er sich höchstwahrscheinlich befindet…«

»Aber der Rat hat Euch doch befragt«, warf Simon ein. »Wie habt Ihr es geschafft, die Ratsmitglieder anzulügen?«

»Sie haben einfach nicht die richtigen Fragen gestellt.«

»Warum habt Ihr sie belogen?«, fragte Isabelle fordernd. »Wem gegenüber seid Ihr zur Loyalität verpflichtet?«

»Ich bin niemandem verpflichtet. Aber Jonathan Morgenstern könnte ein mächtiger Verbündeter werden, wenn ich ihn mir nicht vorher zum Feind mache. Warum sollte ich ihn in Gefahr bringen oder seinen Zorn heraufbeschwören, ohne gleichzeitig einen Vorteil daraus zu ziehen? Das Lichte Volk ist sehr alt; wir treffen keine unüberlegten Entscheidungen, sondern warten erst einmal ab, in welche Richtung der Wind sich dreht.«

»Aber diese Ringe bedeuten Euch so viel, dass Ihr dafür in Kauf nehmen würdet, ihn zu verärgern?«, hakte Alec nach.

Statt einer Antwort zeigte die Königin nur ein laszives verheißungsvolles Lächeln. »Ich denke, das reicht für heute«, sagte sie schließlich. »Bringt mir die Ringe und wir unterhalten uns weiter.«

Clary zögerte und schaute fragend zu Alec und Isabelle. »Seid ihr damit einverstanden? Ich meine, dass wir etwas aus dem Institut stehlen?«

»Wenn das bedeutet, dass wir dadurch Jace finden, dann ja«, erklärte Isabelle.

Alec nickte. »Was auch immer dafür nötig sein sollte.«

Clary wandte sich wieder der Königin zu, die sie erwartungsvoll musterte. »Dann haben wir also eine Abmachung.«