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Lockwood rutschte auf seinem Stuhl herum. Er zermarterte sich das Hirn nach einer logischen Erklärung. Aber es gab keine.

Die Tür zum Krisenraum öffnete sich, und Roger Morton kam mit ein paar Blatt Papier herein. Lockwoods Blick folgte ihm. Er hatte den Mann nie gemocht, doch jetzt verabscheute er ihn geradezu, mit seiner Hornbrille, seinem makellosen Anzug und der Krawatte, die saß, als sei sie an seinem Hemd festgeklebt. Morton war der Inbegriff des Washingtoner Strippenziehers.

Mit diesen säuerlichen Gedanken beobachtete er, wie Morton mit dem Präsidenten konferierte; sie steckten die Köpfe zusammen und studierten eines der Blätter. Sie winkten Galdone zu sich herüber, und alle drei betrachteten ausgiebig die Papiere.

Der Präsident blickte zu Lockwood auf. »Stan, sehen Sie sich das mal an.«

Lockwood erhob sich und gesellte sich zu den dreien. Der Präsident reichte ihm den Ausdruck einer E-Mail. Lockwood begann zu lesen: Meine lieben Freunde in Jesus Christus

»Dieser Brief ist im gesamten Internet verbreitet«, sagte Morton, ehe Lockwood zu Ende gelesen hatte. »Und ich meine wirklich überall

Lockwood schüttelte den Kopf und legte den Brief auf den Tisch. »Ich finde es deprimierend, dass es im Amerika des einundzwanzigsten Jahrhunderts noch Leute gibt, die so mittelalterlich denken.«

Der Präsident starrte ihn an. »Dieser Brief ist mehr als ›deprimierend‹, Stan. Er ruft zu einem bewaffneten Angriff auf eine Einrichtung der amerikanischen Regierung auf.«

»Mr. President, ich persönlich würde das nicht ernst nehmen. Der Brief enthält keine konkreten Anweisungen, keinen Plan, keinen Treffpunkt. Das ist nur heiße Luft. Solches Zeug kursiert doch jeden Tag im Web. Wissen Sie, wie viele Leute diese Bücherserie Finale gelesen haben? Die sind auch nicht gleich auf die Straße gegangen.«

Morton starrte ihn feindselig an. »Lockwood, dieser Brief ist bereits auf Tausende Websites gestellt worden. Er zirkuliert wie verrückt. Wir müssen das ernst nehmen.«

Der Präsident seufzte schwer. »Stan, ich wünschte, ich könnte das so optimistisch sehen wie Sie. Aber diese Predigt, und nun noch dieser Brief obendrauf …« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein.«

Galdone räusperte sich grollend. »Leute, die glauben, der Weltuntergang stünde unmittelbar bevor, könnten zu unbedachten Handlungen neigen. Sogar gewalttätig werden.«

»Das Christentum ist doch angeblich eine gewaltfreie Religion«, sagte Lockwood.

»Wir diskutieren hier nicht über irgendjemandes religiöse Überzeugungen, Stan«, sagte der Präsident scharf. »Uns allen hier muss klar sein, dass das ein sehr sensibler Bereich ist, in dem sich die Leute leicht auf die Zehen getreten fühlen.« Er warf den Brief auf den Tisch und wandte sich dem Chef der Homeland Security zu. »Wo ist die nächste Einheit der Nationalgarde stationiert?«

»Stützpunkt Camp Navajo in Bellemont, unmittelbar nördlich von Flagstaff.«

»Wie weit entfernt ist das von der Red Mesa?«

»Knapp zweihundert Kilometer.«

»Mobilisieren Sie die Einheit, und lassen Sie sie per Hubschrauber zur Red Mesa fliegen. Nur zur Sicherheit.«

»Ja, Sir. Bedauerlicherweise ist die halbe Einheit gerade in Übersee, und die Ausrüstung und Hubschrauberflotte sind nicht gerade das, was man sich für einen solchen Einsatz wünschen würde.«

»Wie schnell können Sie die Einheit aufstocken?«

»Wir könnten Ausrüstung und Personal aus Phoenix und Nellis dazunehmen. Das würde drei bis fünf Stunden dauern, wenn wir schnell sind.«

»Fünf Stunden sind zu lang. Tun Sie in drei Stunden, was Sie können. Ich will, dass Ihre Leute um vier Uhr fünfundvierzig heute Morgen da oben sind.«

»Vier Uhr fünfundvierzig«, wiederholte der Sicherheitschef. »Jawohl, Mr. President.«

»Informieren Sie die Arizona State Police, aber machen Sie keinen großen Wind darum: Die sollen ihre Streifenfahrten verdoppeln und jeglichen ungewöhnlichen Verkehr auf den Interstates und Landstraßen rund um das Navajo-Reservat melden. Und bereit sein, sehr schnell Straßensperren zu errichten.«

»Jawohl, Mr. President.«

Lockwood ergriff das Wort. »Es gibt einen kleinen Posten der Navajo-Stammespolizei in Piñon, nur dreißig Kilometer von der Red Mesa entfernt.«

»Hervorragend. Die sollen sofort eine Streife zur Zufahrtsstraße schicken.«

»Sehr wohl, Sir.«

»Ich will, dass das alles still und unauffällig abläuft. Wenn wir überreagieren, wird uns die christliche Rechte wie einen Fußball durch die Gegend treten. Sie werden uns vorwerfen, wir seien antichristliche, gottlose Liberale, die Panik schüren – diese Leute würden sonst was behaupten.« Der Präsident blickte sich um. »Weitere Empfehlungen?«

Niemand meldete sich zu Wort.

Er wandte sich Lockwood zu. »Ich hoffe, dass Sie recht haben. Bei Gott, in diesem Augenblick könnten schon zehntausend Irre auf dem Weg zur Red Mesa sein.«

54

Ford spürte, wie ihm der Schweiß über die Kopfhaut rann. Es wurde immer heißer in der Brücke, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Isabella summte und sang, die Wände vibrierten. Er warf einen Blick zu Kate hinüber, doch deren Aufmerksamkeit galt allein dem Visualizer.

Wenn das Universum einen Zustand maximaler Entropie erreicht, was dem Hitzetod des Universums entspricht, wird die universale Rechenoperation abbrechen. Ich werde sterben.

»Ist das unvermeidlich, oder gibt es eine Möglichkeit, dies zu verhindern?«, fragte Hazelius.

Genau das ist die Frage, die ihr beantworten müsst.

»Das also ist der ultimative Sinn der menschlichen Existenz?«, fragte Ford. »Diesen mysteriösen Hitzetod zu verhindern? Hört sich an wie aus einem Science-Fiction-Roman.«

Den Hitzetod zu umgehen ist lediglich der erste Schritt auf dem Weg.

»Auf dem Weg zu was?«, fragte Hazelius.

Auf diese Weise bekommt das Universum die Fülle an Zeit, die es braucht, um sich selbst in den letzten Zustand voranzudenken.

»Und was ist dieser letzte Zustand?«

Ich weiß es nicht. Er wird nichts gleichen, was ihr oder selbst ich uns jemals vorstellen könnten.

»Du erwähnst die ›Fülle an Zeit‹«, sagte Edelstein. »Wie lang genau soll das sein?«

Die Anzahl von Jahren wird sein zehn Fakultät hoch zehn Fakultät, diese Zahl wiederum hoch zehn Fakultät, und das Ergebnis mal zehn hoch dreiundachtzig, die daraus resultierende Zahl hoch ihrer selbst in ihrer eigenen Fakultät mal zehn hoch siebenundvierzig. In eurer mathematischen Notation sähe diese Zahl – die erste Gotteszahl – so aus:

(10!↑↑1083)[10!↑↑1083)!↑↑1047]

Dies ist die Länge der Zeit in Jahren, die das Universum brauchen wird, um sich in den finalen Zustand zu denken und die ultimative Antwort zu finden.

»Das ist eine absurd große Zahl!«

Das ist nur ein Tropfen im Ozean der Unendlichkeit.

»Wo ist die Rolle von Moral und Ethik in deinem schönen neuen Universum?«, fragte Ford. »Von Erlösung und der Vergebung von Sünden?«

Ich wiederhole es noch einmaclass="underline" Getrenntheit ist nichts als eine Illusion. Menschliche Wesen sind wie Zellen in einem Körper. Zellen sterben, doch der Körper lebt weiter. Hass, Grausamkeit, Krieg und Völkermord sind eher wie Autoimmunkrankheiten denn das Produkt von etwas, das ihr »das Böse« nennt. Diese Vision der Allverbundenheit, die ich euch darlege, bietet ein weites Feld für moralisches Handeln, in dem Selbstlosigkeit, Mitgefühl und gegenseitige Verantwortung eine zentrale Rolle spielen. Euer Schicksal ist ein einziges Schicksal. Die Menschheit wird geeint überleben oder geeint sterben. Niemand wird errettet, weil niemand verloren ist. Niemandem wird vergeben, weil niemand beschuldigt wird.