»Was ist mit Gottes Versprechen einer besseren Welt?«
Eure diversen Konzepte des Himmelreichs sind bemerkenswert armselig.
»Entschuldige bitte, aber Erlösung ist alles andere als armselig!«
Die Vision spiritueller Vollkommenheit, die ich euch darbiete, ist unermesslich herrlicher als jedes Himmelreich, das auf der Erde je erträumt wurde.
»Was ist mit der Seele? Leugnest du die Existenz der unsterblichen Seele?«
»Wyman, bitte!«, rief Hazelius dazwischen. »Sie verschwenden kostbare Zeit mit diesen lächerlichen theologischen Fragen!«
»Entschuldigung, aber ich halte diese Fragen für sehr wichtig«, sagte Kate. »Das sind die Fragen, die die Leute uns stellen werden – und dann sollten wir lieber eine Antwort darauf haben.« Wir? Ford fragte sich, wen Kate damit meinte.
Information geht nie verloren. Mit dem Tod des Körpers verändert die Information, die durch dieses Leben erschaffen wurde, ihre Form und Struktur, doch sie geht nie verloren. Der Tod ist ein Informationsübergang. Fürchtet ihn nicht.
»Verlieren wir durch den Tod unsere Individualität?«, fragte Ford.
Ihr braucht diesen Verlust nicht zu betrauern. Von diesem starken Gefühl der Individualität, das für die Evolution so notwendig ist, rühren viele Dinge her, denen die menschliche Existenz nicht entkommen kann, Gutes und Schlechtes: Angst, Schmerz, Leid und Einsamkeit ebenso wie Liebe, Glück und Mitgefühl. Deshalb müsst ihr eure biochemische Existenz überwinden. Wenn ihr euch von der Tyrannei des Fleisches befreit, werdet ihr das Gute – Liebe, Glück, Mitgefühl und Selbstlosigkeit – mit euch nehmen. Das Schlechte werdet ihr zurücklassen.
»Ich finde es nicht sonderlich erhebend, dass die kleinen Quantenfluktuationen, die meine Existenz hervorgebracht hat, uns irgendeine Form von Unsterblichkeit verleihen sollen«, bemerkte Ford sarkastisch.
Ihr solltet gerade in dieser Sicht der Dinge großen Trost finden. Information kann in diesem Universum nicht vergehen. Nicht ein einziger Schritt, nicht eine einzige Erinnerung, nicht ein einziger Kummer eures Lebens wird je vergessen. Ihr als Individuum geht im Sturm der Zeit verloren, eure Moleküle werden darin zerstreut. Doch wer ihr wart, was ihr getan habt, wie ihr gelebt habt, das wird für immer in die universelle Rechnung eingebettet bleiben.
»Nimm es mir nicht übel, aber das klingt immer noch so mechanistisch, so seelenlos, dieses Gerede über die Existenz als ›Rechnen‹.«
Dann nennt es Träumen, wenn euch das lieber ist, oder Begehren, Wollen, Denken. Alles, was ihr seht, ist Teil einer unvorstellbar großen und schönen Berechnung, von einem Baby, das sein erstes Wort ausspricht, bis hin zu einem Stern, der zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Unser Universum ist eine prachtvolle Rechenoperation, die seit ihrem Anfang mit einem einzigen Axiom größter Einfachheit nun schon seit über dreizehn Milliarden Jahren läuft. Wir haben unser Abenteuer noch kaum begonnen! Wenn ihr eine Möglichkeit findet, eure eigenen, vom Fleisch beschränkten Denkprozesse auf andere natürliche Quantensysteme anzuheben, werdet ihr beginnen, die Berechnung selbst zu kontrollieren. Ihr werdet beginnen, ihre Schönheit und Vollkommenheit zu begreifen.
»Wenn alles eine Rechenoperation ist, was ist dann der Sinn der Intelligenz? Des Verstandes?«
Intelligenz existiert überall um euch herum, selbst in nichtlebenden Prozessen. Ein Gewitter ist eine wesentlich anspruchsvollere, komplexere Operation als ein menschlicher Verstand. Es ist auf seine eigene Art selbst intelligent.
»Ein Gewitter hat kein Bewusstsein. Ein menschlicher Geist ist sich seiner selbst gewahr. Er ist bewusst. Das ist ein Unterschied, und der ist keineswegs trivial.«
Habe ich euch nicht gesagt, dass gerade dieses Bewusstsein des Selbst eine Illusion ist, hervorgebracht von der Evolution? Der Unterschied ist nicht einmal groß genug, um als trivial bezeichnet zu werden.
»Eine Schlechtwetterfront ist nicht kreativ. Sie fällt keine Entscheidungen. Sie kann nicht denken. Sie ist nur ein mechanistisches Zusammenspiel verschiedener Kräfte.«
Woher wollt ihr wissen, dass ihr nicht auch ein mechanistisches Zusammenspiel von Kräften seid? Wie der Verstand, so hat auch eine Gewitterfront komplexe chemische, elektrische und mechanische Eigenschaften. Sie denkt. Sie ist kreativ. Ihre Gedanken unterscheiden sich von euren Gedanken. Ein menschliches Wesen erschafft Komplexität, indem es einen Roman auf die Oberfläche von papiernen Blättern schreibt; ein Gewittersturm erschafft Komplexität, indem er Wellen auf die Oberfläche eines Ozeans schreibt. Was ist der Unterschied zwischen der Information, die in den Worten eines Romans enthalten ist, und jener auf den Wogen des Meeres? Hört zu, und die Wellen werden sprechen, und eines Tages, das sage ich euch, werdet auch ihr eure Gedanken auf die Oberfläche des Meeres schreiben.
»Was berechnet das Universum denn?«, fragte Innes ungeduldig. »Was ist das für ein großes Problem, das es zu lösen versucht?«
Das ist das tiefste und wunderbarste aller Mysterien.
»Am Zaun wurde Alarm ausgelöst«, sagte Wardlaw. »Wir haben Besuch.«
Hazelius drehte sich um. »Sagen Sie bloß, dieser Priester ist wieder da.«
»Nein, nein … Du lieber Himmel. Dr. Hazelius, das sollten Sie sich lieber mal ansehen.«
Ford und die Übrigen folgten Hazelius zum Arbeitsbereich des Sicherheitschefs. Über Wardlaws Schultern hinweg spähten sie nach den Monitoren an der Wand.
»Was zum Teufel …?«, entfuhr es Hazelius.
Wardlaw drückte auf ein paar Knöpfe. »Ich hätte nicht so sehr darauf achten sollen, was dieses verrückte Ding auf dem Bildschirm sagt. Schauen Sie, ich spule die Aufzeichnung dieser Kamera hier zurück. Da fängt es an. Ein Hubschrauber … ein Militärhubschrauber, ein Black Hawk UH-sechzig A, der auf unserem Flugfeld landet.«
Alle standen da und sahen fassungslos zu. Ford konnte einen ganzen Trupp Männer in Kampfanzügen sehen, die schwerbewaffnet aus dem Hubschrauber hervorquollen.
»Sie brechen die Hangars auf«, kommentierte Wardlaw das Bild, »und nehmen sich unsere Humvees. Sie beladen sie … Jetzt durchbrechen sie die Tore zur Sicherheitszone … Das hat den Alarm ausgelöst. Okay, jetzt sind wir wieder live.«
Ford sah zu, wie die Soldaten, oder was immer das für Leute sein mochten, aus den Humvees sprangen und mit bereitgehaltenen Waffen ausschwärmten.
»Was ist da los? Was zum Teufel tun die hier?«, rief Hazelius erschrocken.
»Sie gehen für einen Angriff in Stellung«, sagte Wardlaw.
»Angriff? Worauf denn?«
»Auf uns.«
55
Russ Eddy hockte geduckt hinter einem Wacholderbusch und spähte hinüber in den eingezäunten Sicherheitsbereich. Die Männer in Schwarz hatten den Zaun durchbrochen und waren eifrig dabei, Scheinwerfer aufzubauen und Ausrüstung aus zwei Militärjeeps zu laden. Er zweifelte nicht daran, dass diese Männer hierhergeschickt worden waren, um das Isabella-Projekt zu schützen – das war eine Reaktion auf seinen Brief. Der enge zeitliche Zusammenhang konnte kein Zufall sein. Paramilitärische Kräfte der neuen Weltordnung, die in schwarzen Hubschraubern gekommen waren, genau wie Mark Koernke es prophezeit hatte.
Eddy wusste nun, dass sein Brief auch die Mächtigen erreicht hatte.
Er achtete genau darauf, wie viele es waren und was sie an Waffen und Ausrüstung bei sich trugen, und kritzelte alles in sein Notizbuch.
Die Soldaten hatten einen Halbkreis aus mobilen Scheinwerfern aufgebaut und verbunden, die nun den gesamten Bereich in gleißend weißes Licht tauchten. Eddy kroch tiefer in den Schatten und zog sich bis zur Straße zurück. Er hatte genug gesehen. Bald würden die ersten Streiter für die Armee Gottes eintreffen – er musste alles organisieren.