Выбрать главу

Dann, ganz schwach, hörte er zwei leise Geräusche aus der Ferne, die wie Schüsse klangen; dann noch zwei Mal.

»Haben Sie das gehört?«, fragte er Miller.

»Ja.« Der Mann war mit zur Seite geneigtem Kopf stehengeblieben. »Etwa viereinhalb Kilometer entfernt.«

Sie lauschten noch einen Moment lang, doch es kam nichts mehr.

»Vermutlich nur ein Indianer, der auf einen Kojoten ballert«, sagte Miller.

Wolfs Beine fühlten sich wackelig an, als er Miller zum Rand der Klippe folgte. Er hatte erwartet, dass sie ihn in einem Käfig oder so hinunterlassen würden, doch es war nichts dergleichen zu sehen.

»Sir? Ich nehme Ihren Rucksack. Wir lassen ihn runter, so-bald Sie unten sind.«

Wolf setzte den Rucksack ab und übergab ihn Miller. »Vorsichtig, da ist ein Laptop drin.«

»Wir passen gut darauf auf, Sir. Wenn Sie jetzt bitte hier herüberkommen?«

»Moment mal«, sagte Wolf. »Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass ich … mich an so einem Seil herunterlasse?«

»Doch, Sir.«

»Wie denn?«

»Das zeigen wir Ihnen gleich. Bitte bleiben Sie hier stehen.«

Wolf wartete. Die meisten anderen Soldaten hatten sich bereits abgeseilt, so dass die beiden fast allein am Rand der Klippe standen. Die Stromleitungen summten und knisterten.

Das Funkgerät des Soldaten zischte, und er sprach hinein. Wolf hörte nur mit halbem Ohr zu. Ein Streifenwagen der Staatspolizei berichtete von irgendeinem Problem auf der Zufahrtsstraße zur Mesa. Wolf hörte weg. Er konnte an nichts denken als an diese Klippe.

Das Gespräch über Funk dauerte noch eine Weile, dann sagte Miller: »Hier entlang, Sir. Wir setzen Sie in dieses Geschirr. Haben Sie sich schon mal abgeseilt?«

»Nein.«

»Mit diesem Gurtsystem ist es völlig sicher. Lehnen Sie sich einfach ein bisschen zurück, stemmen Sie die Füße gegen die Felswand, und stoßen Sie sich vorsichtig ab, machen Sie kleine Hüpfer. Sie können nicht abstürzen, auch dann nicht, wenn Sie das Seil loslassen.«

»Sie machen wohl Witze.«

»Ihnen kann überhaupt nichts passieren, Sir.«

Miller und die verbliebenen Männer legten ihm die Gurte an, die um seine Beine, seinen Hintern und seinen Rücken geführt wurden, und befestigten ihn mit einer Reihe von Karabinern am Seil. Dann stellten sie ihn mit dem Rücken zum Abgrund ganz an den Rand. Er spürte den Wind, der von unten heraufwehte.

»Lehnen Sie sich zurück, und treten Sie rückwärts über den Rand.«

Waren die denn wahnsinnig?

»Lehnen Sie sich zurück, Sir. Machen Sie einen kleinen Schritt rückwärts. Achten Sie darauf, dass das Seil gespannt bleibt. Wir lassen Sie von hier aus vorsichtig runter, Sir.«

Wolf starrte Miller ungläubig an. Der Agent sah aus wie ein mit Wachstumshormonen gedopter Gorilla, und seine Stimme war so unendlich höflich, dass sie schon beinahe verächtlich klang.

»Ich kann das nicht«, sagte Wolf.

Das Seil wurde schlaff, und Panik stieg in ihm auf.

»Zurücklehnen«, sagte Miller bestimmt.

»Holen Sie mir einen Käfig oder so was, und lassen Sie mich darin herunter.«

Miller packte ihn und kippte ihn hintenüber, hielt ihn beinahe zärtlich im Arm. »So ist es richtig. Genau. Sehr gut, Dr. Wolf.«

Wolfs Herz hämmerte. Wieder spürte er, wie ihm die kühle Luft aus der Tiefe über den Rücken strich. Der Soldat ließ ihn los, und an einem zweiten Seil wurde er über den Rand hinabgelassen. Seine Füße rutschten ab, und er knallte seitlich gegen die Felswand.

»Lehnen Sie sich nach hinten, und stemmen Sie die Füße gegen den Fels.«

Mit wild hämmerndem Herzen versuchte er, mit den Füßen Halt an der Felswand zu finden. Er schaffte es und zwang sich, sich zurückzulehnen. Es schien zu funktionieren. Während sie ihn langsam herunterließen, machte er leichte, kleine Schritte und hielt sich weit zurückgelehnt. Sobald er die Oberfläche der Mesa nicht mehr sehen konnte, wurde es dunkel um ihn herum, doch er konnte den Rand noch erkennen, von hinten beleuchtet. Je weiter es abwärtsging, desto ferner schimmerte der Rand. Er wagte es nicht, nach unten zu schauen.

Unglaublich, dass er das tat, schwankend diese Steilwand hinunterhüpfte, während er mit Haut und Haaren von der Dunkelheit verschluckt wurde. Endlich packten Soldaten von unten seine Beine und ließen sie auf steinernen Boden hinab. Als er sich aufrappelte, zitterten seine Knie. Die Soldaten halfen ihm aus den Gurten. Sein Rucksack kam gleich darauf an einem Seil herabgebaumelt, und die Soldaten fingen ihn ein. Miller kam als Nächster.

»Gut gemacht, Sir.«

»Danke.«

Aus der Bergflanke war eine große, halboffene Höhle geschlagen worden. Am anderen Ende war eine massive Tür aus Titan in der Felswand verankert. Die Fläche davor wurde bereits von grellen Scheinwerfern beleuchtet und sah nun aus wie der Zugang zur Insel von Dr. No. Wolf spürte Isabellas summende Vibration in dem Berg. Es war wirklich sehr seltsam, dass sie alle Kommunikationswege nach drinnen verloren hatten. Dazu gab es zu viele Back-up-Systeme. Und der Sicherheitschef müsste sie inzwischen längst auf den Überwachungsmonitoren gesehen haben – außer, diese wären auch ausgefallen.

Sehr merkwürdig.

Die Soldaten bauten drei konische Metallschüsseln auf dreibeinigen Ständern auf und richteten sie auf die Tür aus – sie wirkten wie zu kurz geratene Granatwerfer. Ein Mann begann, die Kegel mit etwas zu laden, das nach C4 aussah.

Doerfler stand daneben und gab Anweisungen.

»Was sind das für Dinger?«, fragte Wolf.

»Vorrichtungen zur besonders schnellen Sprengung von Wänden, geladen mit C4«, sagte Miller. »Genau abgestimmte Ladungen, da, treffen an einem einzelnen Punkt zusammen und sprengen ein Loch, das groß genug ist, um durchzukriechen.«

»Und dann?«

»Dann schicken wir ein Team durch das Loch, das den Bunker sichert, und ein zweites, das die innere Tür zur Brücke öffnet. Wir sichern die Brücke, holen eventuell vorhandene böse Jungs raus und nehmen die Wissenschaftler in Gewahrsam. Es könnte einen Schusswechsel geben. Wir wissen ja nichts. Sobald die Brücke vollständig gesichert ist, bringe ich Sie rein. Persönlich. Sie schalten dann Isabella ab.«

»Es dauert drei Stunden, das System herunterzufahren«, bemerkte Wolf.

»Dafür sind Sie zuständig.«

»Was geschieht mit Dr. Hazelius und den anderen Wissenschaftlern?«

»Unsere Männer werden sie an einen sicheren Ort bringen, wo man sie befragen wird.«

Wolf verschränkte die Arme. In der Theorie klang das ganz gut, kein Zweifel. Wie der Krieg im Irak.

61

Stanton Lockwood rutschte wieder auf dem billigen Holzstuhl herum und versuchte, eine bequeme Haltung zu finden, obwohl das unmöglich war. Die Stimmung am Mahagonitisch im Krisensitzungsraum war zunehmend von Fassungslosigkeit geprägt. Gegen drei Uhr – ein Uhr nachts auf der Red Mesa – klangen die Neuigkeiten wirklich übel.

Lockwood war in der Bay Area aufgewachsen, hatte Schulen an der West-und Ostküste besucht und wohnte seit zwölf Jahren in Washington. Er hatte nur im Fernsehen Blicke auf das andere Amerika da draußen erhascht, das Amerika der Kreationisten und Christlichen Nationalisten, der Fernsehprediger und glitzernden Mega-Kirchen. Dieses Amerika war ihm immer so fern erschienen, begrenzt auf abgelegene Gebiete in Kansas oder Oklahoma.

Es war nicht mehr so fern.

Der FBIDirektor fragte: »Mr. President?«

»Ja, Jack?«

»Die Arizona Highway Patrol meldet Vorfälle an den Straßensperren auf der Route 89 bei Grey Mountain, Route 160 bei Tuba City und auch bei Tes Nez Iah.«