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Marquoz nickte.

»Deshalb bin ich hierher, ausdrücklich hierher nach Hakazit, geschickt worden«, erklärte er dem anderen, als er zum erstenmal selbst die Wahrheit begriff. »Äh, sagen Sie, Sie haben natürlich eine Geheimpolizei?«

»Eine sehr gute«, bestätigte der Höchste Lord stolz.

»Aha. Und wie kommt man an die Spitze dieser Organisation?«

Der Führer wirkte ein wenig verlegen.

»Nun ja… wissen Sie…«

»Oh«, entfuhr es Marquoz. »Ihr Chef der Geheimpolizei hört doch nicht auch diesen Raum ab, oder?«

Der Höchste Lord wirkte entsetzt.

»Natürlich nicht! Nur ich bestimme hier. Der Beweis dafür ist, daß ich noch da bin.«

Das erschien Marquoz plausibel.

»Hmmmm… dieser Chef, ist er an sich ein netter Bursche? Liebevolles Eheweib und Kinderchen?«

»General Yutz? Ha!« gluckste der Diktator. »Er ist ein niederträchtiger Dreckskerl, der niederträchtigste, den ich je gesehen habe. Seine letzte Ehefrau und seinen ältesten Sohn hat er erdrosselt, weil er glaubte, sie planten etwas gegen ihn.«

»Freut mich aber sehr, das zu hören«, erwiderte Marquoz aufrichtig. »Ich hätte sonst Schuldgefühle, wenn ich ihn beseitige.«

Der Führer sah ihn erstaunt an.

»Beseitigen? Leichter gesagt als getan, mein Freund.«

Marquoz lachte trocken in sich hinein.

»Ach, hören Sie, Euer Lordschaft, wenn Sie ihn nicht jederzeit, sobald Sie Lust dazu hätten, töten könnten, hätte er inzwischen schon Ihren Posten. Sein Tod sollte leicht zu arrangieren sein.«

Der Höchste Lord von Hakazit sah Marquoz an, als sähe er ihn zum erstenmal, und schüttelte mit unverhüllter Bewunderung und Faszination den Kopf.

»Wissen Sie, Marquoz«, sagte er nach einer Pause, »ich glaube, das könnte der Anfang einer wunderschönen Freundschaft sein.«

»Könnte sein, Euer Lordschaft«, erwiderte Marquoz und erzwang auf seinem steifen, grimmigen Gesicht ein schwaches Lächeln. »Könnte durchaus sein. Ich würde viel lieber mit Ihnen zusammenarbeiten, als Sie stürzen. Dadurch wird meine Arbeit viel angenehmer.«

Sehr viel angenehmer, dachte er für sich, und auch viel leichter. Viel leichter als bei dem Alternativplan, der vorgesehen hätte, das ganze verdammte System aus den Angeln zu heben.

»Das machen wir«, sagte der Höchste Lord schließlich.

Awbri

Das Land Awbri war ein fremdartiger, wuchernder Regenurwald mit riesigen Bäumen, die aus einem dichtbewachsenen Sumpf emporragten und sich Tausende, vielleicht Zehntausende von Metern in die Luft erhoben. Die Luft war schwer und feucht; sie schien ständig von kleinen Tröpfchen erfüllt zu sein, und es gab im Grunde nichts als Wasser, Wasser, Wasser… Wasser von Wasserfällen, die an den Bäumen und über breites Laub in einer Reihe von Kaskaden herabstürzten, hinab, ewig hinab auf den Waldboden tief unten. Und doch gab es ein wenig Sonnenlicht; die gigantischen Bäume blockierten es irgendwo da oben, in den allgegenwärtigen grauen Wolken selbst, vielleicht sogar über diesen Wolken. Die Bewohner von Awbri schienen sich, wenn sie es wußten, nicht darum zu kümmern.

Und unten, tief, tief unten, lag der Boden, der Sockel des Waldes und das Ziel dieser vielstufigen Wasserfälle. Dort unten, so hieß es, befinde sich ein grauenhafter Sumpf, mit Treibsand und Morast und mit Sumpfgeschöpfen, Wesen sowohl Tier wie Schmarotzerpflanze — und sogar fleischfressende Pflanze —, die einander in unaufhörlichem Krieg bekämpften und alles verschlangen, was in ihre Nähe kam.

Doch keines davon konnte klettern, und selbst die Parasiten schienen aufgehalten zu werden, während sie emporwuchsen, von Absonderungen der Riesenbäume zum Stillstand gebracht. Die Insekten waren zumeist Symbioten, oder, wenn parasitär, dann bei Tieren und nicht bei den Bäumen. Von Insekten schien es eine unendliche Vielzahl zu geben. Manche konnten selbst die Körper der Awbrier durchdringen und lebenspendendes Blut heraussaugen, aber auch das war nur gerecht: Zusätzlich zu den Früchten der Bäume und den Pflanzen der Ranken, die sich um gewaltige Äste schlangen, verzehrten die Awbrier ungeheure Mengen von diesen Insekten.

Die Awbrier selbst lebten nur in den Bäumen, ab einer Höhe von etwa hundert Metern bis zu einer solchen von ungefähr fünfzehnhundert Metern. Sie besaßen komisch aussehende kurze Entenschnäbel, die in gewisser Weise biegsam waren, angebracht an dünnen, flachen Köpfen, deren lange Stützhälse sie mit elastischen, beinahe unendlich wendigen Nagetierkörpern verbanden. Ihre vier Gliedmaßen endeten allesamt in gleichgroßen Affenhänden, eine jede davon mit opponierendem Daumen ausgestattet; es gab keinen Unterschied zwischen Hand und Fuß, und sie wurden angesichts des unendlich biegsamen Rückgrats und ebensolcher Gliedmaßen der Awbri jeweils nach Lage der Dinge gebraucht. Abgesehen von den nackten grauen Handflächen und langen, flachen, fast starren, papierdrachenartigen Schwänzen, waren ihre Leiber mit einem dichten Pelz bedeckt, dessen Öle wasserabweisend waren. Alle Gliedmaßen waren durch pelzumhüllte Membranen miteinander verbunden, und ihre Knochen waren hohl, was ihnen in der Luft beträchtlichen vogelartigen Auftrieb verlieh, etwas, das sie brauchten, damit die Wesen mit ausgestreckten Armen und Beinen, den Schwanz als Ruder benutzend, zwischen den Bäumen dahinfliegen und weite Strecken segeln konnten, hurtig um Äste, Laub und andere Hindernisse herumschießend. Im Gegensatz zu Vögeln waren sie letzten Endes Opfer der Schwerkraft, eher Gleiter als durch Körperkraft angetriebene Flieger. Durch das Erspüren der Luftströmungen, von Geschwindigkeiten und Entfernungen konnten sie aber wie Segelflugzeuge sehr lange in der Luft bleiben.

Solcherart war die äußere Welt, in der Yua, ehemals Hohepriesterin von Olympus, durch den Schacht der Seelen wiedergeboren worden war. Die kulturelle Welt war für sie von größerer Schockwirkung gewesen.

Wie bei ihrem eigenen Volk wurden hier viel mehr Frauen als Männer geboren, vielleicht zehnmal soviel oder noch mehr. Aber hier herrschten allein die Männer, während sie in ihrer eigenen Welt lediglich als verzärtelte Kurtisanen eine Funktion gehabt hatten. Sie hatte die Führung des Landes hier gesucht, als sie erwacht war, und war schließlich an den örtlichen Rat verwiesen worden, der seinen Sitz in einem gigantischen Baum ein wenig abseits von den anderen hatte. Bis jetzt war sie unhöflich, ja ausgesprochen grob behandelt worden, und empfand wenig Zuneigung zu ihrem neuen Volk, ein Gefühl, das noch unheilschwangerer wurde, als sie dahinterkam, daß sie einer Familie von niedrigem Rang zugeteilt werden sollte. Sie war eine praktisch denkende Person und nahm die Herrschaft der anderen zunächst hin, weil sie nichts anderes tun konnte und weil die Alternative darin bestand, mit Drogen oder einem Eingriff ins Gehirn zu Zustimmung und Unterwerfung gezwungen zu werden.

Awbri besaß keine Zentralregierung. Das Hex bestand aus Klans, von denen jeder eine ausgedehnte Familie war, in der alle zusammenlebten und arbeiteten. Jeder Baum konnte zwischen zwölf und zwanzig Awbrier versorgen; Klans breiteten sich auf benachbarten Bäumen aus, und ihre jeweilige Macht und ihre soziale Stellung beruhten auf der Anzahl der Mitglieder des Klans und dadurch auf der Zahl der Bäume, die er bewohnte und beherrschte. Innerhalb der Klans, die von so wenig Mitgliedern wie hundert bis zu über fünftausend umfaßten, war der männliche Rang eine Kombination von Alter, Geburt und Proben von Kraft und Ausdauer. Der weibliche Rang hing mehr vom Alter und der Beziehung zum obersten männlichen Mitglied des Klans als von irgendwelchen anderen Dingen ab, allerdings stand die Frau mit dem höchsten Rang immer noch weit unter dem Mann mit dem niedrigsten.

Eine junge Awbrier-Frau holte sie am Morgen. Sie sei Dhutu von Tokar, erklärte sie der Neuen, und wolle Yua helfen, zu ihrem neuen Heim zu gelangen, und wolle sie bei der Eingewöhnung unterstützen.