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»So, so. Verliebt ist er also. Die Nachricht wird in dieser Praxis ja einschlagen wie eine Bombe. Schätze, die Hälfte der Patienten hier wird nur angeschleppt, weil Frauchen sich mit dem Tierarzt unterhalten will. Ich zum Beispiel werde auch deutlich häufiger entwurmt, seit Wagner die Praxis von seinem Vater übernommen hat.«

Das freut mich natürlich. Schließlich ist das Beste respektive der Beste für Carolin gerade gut genug, und man will sich ja keinen Ladenhüter einhandeln. Es verdeutlicht mir aber auch, dass ich schnell handeln muss. Die Konkurrenz steht schon in den Startlöchern.

Vor dem Tresen macht die Katzenbesitzerin schließlich Halt, um ihren Liebling anzumelden. Die junge Frau dahinter guckt erst zur Katze, dann zu mir.

»Oh, haben Sie jetzt auch einen Hund, Frau Urbanczik?«

Die schüttelt den Kopf. »Nein, warum?«

»Das kleine Kerlchen hier ist doch mit Ihnen hereingekommen.« Sie deutet auf mich.

»Ach, den habe ich gar nicht bemerkt, der muss mir einfach hinterhergelaufen sein. Aber das ist nicht mein Hund.«

Die junge Frau im Kittel schaut in den Warteraum. »Gehört irgendjemand dieser Hund?«

Auf den aufgereihten Plastikstühlen sitzen drei Menschen, sie alle schütteln wortlos den Kopf. So, wenn Wagner nicht gleich auftaucht, ist mein Plan gescheitert. Denn die Helferin wird mich bestimmt gleich rausschmeißen. Ich setze meinen mideidigsten Blick auf.

»Hm, irgendwie kommt mir der Hund bekannt vor. Aber ohne Besitzer kann ich die meisten Tiere gar nicht zuordnen.« Sie überlegt. »Was machen wir denn jetzt mit dir? Ich will dich auch nicht einfach vor die Tür setzen. Wenn du allerdings ganz allein bist, sollten wir dich vielleicht ins Tierheim bringen, bis sich dein Herrchen findet.«

WUFF! Tierheim? Auf keinen Fall! Mist, ich habe mich offensichtlich gerade selbst ans Messer geliefert. Auweia, wie komme ich hier wieder raus? Und wo bleibt eigentlich Dr. Wagner? In diesem Moment geht die Tür des Sprechzimmers auf. Ich will schon meinem Schöpfer danken, doch statt Marc Wagner kommt ein kleines Mädchen durch die Türe. Heute klappt aber auch nichts. Das kleine Mädchen guckt mich an. Es hat ganz große blaue Augen, braune lockige Haare und viele kleine braune Punkte auf der Nase.

»Na, bist du der Nächste? Wie heißt du denn?«

»Wir wissen gar nicht, wie er heißt. Er scheint einfach so hereingekommen zu sein«, erklärt die Helferin dem Mädchen. »Ich werde gleich mal beim Tierheim anrufen.«

»Och nö!«, ruft das Mädchen. »Der ist doch so süß!« Sie bückt sich zu mir und krault mich hinter den Ohren. »Dann will ich ihn behalten. Warte, ich frage gleich mal Papa!«

Die Helferin lächelt. »Aber, Luisa, so einfach geht das nicht. Ich bin mir sicher, dass der Kleine schon längst ein Herrchen oder Frauchen hat, die ihn wahrscheinlich bald vermissen werden. Das Tierheim passt nur auf, bis sich die Besitzer melden.«

Das Mädchen, das Luisa heißt, verzieht den Mund. »Er ist so niedlich. Ich will ihn behalten!« Spricht's und stampft davon in Richtung Sprechzimmer. Durch die halb geöffnete Tür hört man sie mit jemandem sprechen.

»Papa, draußen sitzt ein niedlicher Hund, der ganz allein ist. Guck doch mal, ich glaube, der braucht unsere Hilfe. Können wir ihn nicht behalten? Frau Warnke will ihn ins Tierheim bringen.«

Papa? Mit wem spricht das Kind da bloß?

Die Tür zum Sprechzimmer schwingt jetzt wieder ganz auf und heraus kommen Luisa - und Marc Wagner! Wagner ist »Papa«? Heißt das etwa, Wagner hat ein Kind? Und demnach auch eine Frau? Völlig verwirrt lasse ich mich auf den Po plumpsen.

»Herkules! Was machst du denn hier?«

»Sie kennen das Tier?«

»Ja, Frau Warnke. Das ist der Hund von Frau Neumann. Ist er wirklich allein hier?«

»Ja, er ist eben mit reingekommen, als Frau Urbanczik ihre Katze anmelden wollte. Ich dachte schon, ich müsste das Tierheim anrufen. Aber wenn Sie den Hund kennen, dann rufe ich jetzt einfach die Besitzerin an.«

Marc Wagner überlegt kurz. »Warten Sie damit noch einen Augenblick. Und du kommst mal mit rein, Herkules.«

»Ich will auch mit!«, ruft Luisa und läuft hinter Wagner her. Als wir alle im Sprechzimmer sind, schließt Wagner die Tür hinter uns. Dann hebt er mich auf den Untersuchungstisch und mustert mich.

»So, Herkules. Dann erzähl mal. Wieder jemand in Not?«

Luisa kichert. »Aber, Papa, Hunde können doch nicht sprechen.«

»Du wirst dich wundern, mein Schatz. Dieser schon!«

Genau! Zur Bestätigung belle ich einmal kurz. Luisa macht große Augen.

»Also, weiß Carolin, dass du hier bist?«

Ich schüttle den Kopf, so gut ich kann. Dann packe ich mit meinem Fang vorsichtig einen Armel von Wagners Kittel und ziehe daran.

»Ich soll mitkommen? Zu Carolin?«

Ich kläffe zweimal. Ich weiß zwar nicht, ob man als Zeichen so direkt sein darf, aber Herrn Beck kann ich schlecht fragen.

»Also, Herkules, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.«

Aha. Er hat nämlich schon eine Frau. Wahrscheinlich ist es das. Ich lasse deprimiert den Kopf sinken.

»Ach komm, sei nicht traurig. Ich würde liebend gerne mitkommen. Aber dein Frauchen hat eindeutig gesagt, dass sie mich nicht mehr treffen will. Glaube mir, dagegen zu verstoßen, kommt bei Frauen gar nicht gut an.«

Doch keine andere Frau? Sondern Taktik? Ich bin einigermaßen verwirrt, beschließe aber, mich davon nicht ablenken zu lassen. Offenbar hat Wagner nach wie vor Interesse an Carolin, das soll mir reichen. Vielleicht gibt es auch für alles eine gute Erklärung.

»Ich habe eine viel bessere Idee. Dafür musst du jetzt aber mal ehrlich zu mir sein. Weißt du noch, als ich dich nach deinem Anfall neulich untersucht habe?«

Wie könnte ich das vergessen? Ich versuche also wieder zu nicken.

»Sehr gut. Ich hatte damals offen gestanden den Eindruck, dass es dir ganz hervorragend geht. Ist es denkbar, dass dieser Anfall Ausdruck deines enormen schauspielerischen Könnens war?«

Ertappt. Wie peinlich.

»Also, Papa, jetzt verstehe ich gar nichts mehr.« »Warte mal ab, Luisa. So, Herkules, komm: Mach den Anfall!«

Bitte, soll das etwa ein Kommando sein? »Mach den Anfall, los!«

Na, wenn er meint. Das kann er haben. Ich lasse mich auf die linke Seite kippen und fange an, mit Vorder- und Hinterläufen gleichzeitig zu zucken. Winde mich, schäume, jaule -und achte gleichzeitig darauf, nicht vom Untersuchungstisch zu fallen. Ich finde, es ist eine ziemlich beeindruckende Vorstellung. Luisa reißt die Augen noch ein Stück weiter auf, Wagner grinst.

»Donnerwetter. Unser Dackel ist ein Staatsschauspieler. Ich hab's ja gewusst. So, braver Hund, kannst aufhören.«

Ich bleibe ruhig liegen, Luisa krault mich am Bauch.

»Das war ja wie im Zirkus, Papa!«

»Richtig.«

»Und was passiert jetzt?«

»Jetzt soll der liebe Herkules mal wieder nach Hause laufen. Und dort, Herkules, wirst du diesen schönen Anfall noch mal deinem Frauchen vorführen. Es sollte mich sehr wundern, wenn sie sich darauf nicht bei mir meldet. Und dann erscheine ich als Retter in der Not. Alles klar?«

Alles klar! Ein Spitzenplan. Er könnte glatt von mir und Herrn Beck sein. Ich springe wieder auf und belle einmal kurz. Dann hebt mich Wagner vom Tisch und bringt mich nach draußen.

»So, du weißt, was du zu tun hast. Ich warte auf Carolins Anruf!«

Ich winde mich in furchtbaren Krämpfen. Dies muss einfach die überzeugendste Darstellung sein, die ich jemals abgeliefert habe. Kaum war Daniel heute weg, schon habe ich mich noch in der Werkstatt praktisch direkt vor Carolins Füße geworfen. Die scheint mir den Anfall abzukaufen, sie ist vor Schreck ganz weiß um die Nase. Ich hoffe, sie reagiert so, wie Wagner es vorausgesagt hat.