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»Also, wenn es Ihnen möglich wäre«, sagte Smiley, »ich meine, wenn es nicht zu viele Umstände macht, bringen Sie Ihren Wagen in Ihre Werkstatt. Treffen Sie die Verabredung über Ihr privates Telefon, in der Hoffnung, daß Toby zuhört...« In der Hoffnung. Heilige Perlmutter. Und all sein Liebesgeflüster mit Camilla? Noch immer acht Minuten.

Die übrige Akte schien aus Telegrammen des Foreign Office zu bestehen, aus tschechischen Zeitungsausschnitten, Zeitfunkberichten von Radio Prag, Auszügen einer Verfahrensregelung für die Rückführung und Rehabilitation von »verbrannten« Agenten, Aufträgen an das Schatzamt und einen post mortem Allelines, worin er Control die Schuld an dem Fiasko gab. Lieber du als ich, George.

Guillam fing an, im Geist die Entfernung von seinem Tisch zur Hintertür zu messen, wo Alwyn an der Empfangstheke döste. Er schätzte sie auf fünf Schritt und beschloß, eine taktische Zwischenstation zu machen. Zwei Schritt von der Tür entfernt stand eine Kartentruhe wie ein großes gelbes Klavier. Sie war mit allem möglichen Nachschlagematerial gefüllt. Generalstabskarten, alten Exemplaren von Who's Who, alten Baedekern. Er klemmte sich einen Bleistift zwischen die Zähne, nahm die Akte Testify, schlenderte zur Truhe, suchte ein Telefonbuch von Warschau heraus und fing an, Namen auf ein Blatt Papier zu schreiben. Meine Schrift! Es schrie in ihm: meine Schrift ist ganz zittrig, sie fährt über die ganze Seite, schau dir diese Zahlen an, als wäre ich betrunken! Wieso merkt das niemand? Das Mädchen Juliet kam mit einem Tablett herein und stellte eine Tasse auf seinen Tisch. Er warf ihr eine zerstreute Kußhand zu. Er suchte ein zweites Telefonbuch heraus, von Poznan, glaubte er, und legte es neben das erste. Als Alwyn hereinkam, blickte er nicht einmal auf. »Telefon, Sir«, flüsterte Alwyn.

»Ach, Mist«, sagte Guillam, ins Telefonbuch vertieft. »Wer denn?«

»Stadtgespräch, Sir. Rauher Bursche. Ich glaube die Werkstatt wegen Ihres Wagens. Sagt, er hat schlechte Nachrichten für Sie«, sagte Alwyn hocherfreut.

Guillam hielt die Akte Testify mit beiden Händen, verglich scheinbar etwas mit dem Telefonbuch. Er wandte Sal den Rücken und spürte, wie seine Knie gegen die Hosenbeine schlotterten. Der Bleistift steckte immer noch in seinem Mund. Alwyn ging voraus und hielt ihm die Tür, und er durchschritt sie eifrig lesend: wie ein verdammtes Greenhorn, dachte er. Er wartete, daß der Blitzstrahl ihn traf, daß Sal Mordio schrie, Ben, der Superspion, plötzlich zum Leben erwachte, aber nichts geschah. Er fühlte sich viel besser: Alwyn ist mein Verbündeter, ich vertraue ihm, wir sind gegen den Delphin verschworen, ich kann rausgehen. Die Schwingtür schloß sich, er ging die drei Stufen hinunter, und da stand wieder Alwyn und hielt die Tür der Telefonkabine auf. Der untere Teil war undurchsichtig, der obere Teil verglast. Er nahm den Hörer auf und legte die Akte neben seine Füße und hörte Mendel ihm mitteilen, er brauche ein neues Getriebe, der Spaß könne bis zu hundert Pfund kosten. Das hatten sie sich für die Personalabteilung ausgedacht, oder wer immer die Aufzeichnung lesen würde, und Guillam hielt das Gespräch ungezwungen in Gang, bis Alwyn hinter seiner Theke verschwunden war, wo er mit gerecktem Hals lauschte. Es klappt, dachte er, es klappt, ich fliege, es klappt doch. Er hörte sich sagen: »Na, schön, aber fragen Sie zuerst beim Haupthändler nach, wie lange es dauert, bis sie das verdammte Ding beschaffen können. Haben Sie die Nummer?« Und gereizt: »Bleiben Sie am Apparat.« Er öffnete die Tür einen Spalt und drückte das Mundstück fest an sein Hinterteil, damit die nächsten Worte auf keinen Fall registriert werden könnten. »Alwyn, werfen Sie mir den Sack mal rüber, ja?« Alwyn brachte ihn schneidig herbei, wie der Erste-Hilfe-Mann bei einem Fußballmatch. »In Ordnung, Mister Guillam, Sir? Soll ich ihn für Sie aufmachen?«

»Lassen Sie ihn nur hier fallen, danke.«

Der Sack lag auf dem Boden vor der Kabine. Jetzt bückte er sich, zog den Sack herein und öffnete den Reißverschluß. In der Mitte, zwischen seinen Hemden und einer Menge Zeitungen, steckten drei blinde Ordner, einer lederfarben, einer grün, einer rosa. Er nahm den rosa Ordner und sein Notizbuch heraus und steckte dafür die Akte Testify hinein. Er zog den Verschluß zu, richtete sich auf und las Mendel eine Telefonnummer vor, übrigens die richtige. Er hängte ein, gab Alwyn den Sack und ging mit dem Blindband zurück in den Lesesaal. Allitson führte sein Stückchen auf, erst zog er am Waschkorb, dann versuchte er es mit Schieben.

»Peter, helfen Sie uns bitte, ich bring ihn nicht vom Fleck.«

»Sekunde.«

Er holte die Akte vier-drei wieder aus dem Fach, ersetzte sie durch den Blindband, stellte sie an ihren richtigen Platz in der Nische vier-drei und zog den grünen Zettel aus der Klammer. Gott thront im Himmel, und die erste Nacht war eine Wucht. Er hätte am liebsten laut gesungen: Gott thront im Himmel, und ich kann noch immer fliegen.

Er brachte den Zettel Sal, die ihn abzeichnete und auf einen Dorn spießte. Wie immer. Später am Tag würde sie nachsehen. War die Akte an ihrem Platz, dann würde sie den grünen Zettel und auch den Abschnitt in der Schachtel vernichten, und nicht einmal die kluge Sal würde sich erinnern, daß er sich vor Nische vier-vier aufgehalten hatte. Er wollte gerade ins Archiv zurück, um dem alten Allitson zu helfen, als er plötzlich direkt in die braunen unfreundlichen Augen Toby Esterhases blickte. »Peter«, sagte Toby in seinem nicht ganz perfekten Englisch. »Tut mir leid, wenn ich störe, aber wir haben eine kleine Krise, und Percy Alleline möchte Sie dringend sprechen. Können Sie jetzt kommen? Das wäre sehr freundlich.« Und an der Tür, als Alwyn sie hinausließ: »Er möchte Ihre Meinung hören«, bemerkte er mit der Beflissenheit eines kleinen, aber kommenden Mannes. »Er möchte in einer Sache Ihre Meinung einholen.« In einem verzweifelten, aber erleuchteten Moment wandte Guillam sich an Alwyn. »Mittags fährt ein Bus nach Brixton. Rufen Sie doch bitte bei der Transportabteilung an, und bitten Sie, daß das Ding da für mich mit hinausgenommen wird, ja?«

»Wird gemacht, Sir«, sagte Alwyn. »Wird gemacht. Vorsicht, Stufe.«

Und sprich ein Gebet für mich, dachte Guillam.

Mit Percy Alleline als Circus-Direktor arbeitet Peter Guillam am Hochseil ohne Netz

»Unsere graue Eminenz«, nannte ihn Haydon. Die Portiers nannten ihn Schneewittchen wegen seines Haars. Toby Esterhase kleidete sich wie ein Dressman, aber sobald er die Schultern senkte und die winzigen Fäuste ballte, wurde er eindeutig zum Boxer. Guillam ging hinter ihm durch den Korridor des vierten Stocks, sah wieder den Kaffeeautomaten, hörte wieder Lauder Stricklands Stimme verkünden, daß er nicht zu sprechen sei, und dachte: »Herrgott, wir sind wieder drunten in Bern und auf der Flucht.« Er spielte schon mit dem Gedanken, es Toby laut zuzurufen, verwarf den Vergleich jedoch als nicht opportun. Sooft er an Toby dachte, mußte er an die Schweiz vor zehn Jahren denken, als Toby noch ein simpler Beschatter gewesen war und sich mit seiner Fähigkeit, nebenbei die Ohren zu spitzen, immer mehr einen Namen machte. Guillam war aus Nordafrika zurück und im Wartestand, und so schickte der Circus die beiden zu einem Sondereinsatz nach Bern, wo sie im Haus belgischer Waffenhändler, die mit Schweizer Hilfe ihre Waren in unerwünschte Richtungen verschickten, Meisen kleben sollten. Sie mieteten eine Villa neben dem Zielhaus, und in der nächsten Nacht stellte Toby einen Anschluß her und sorgte dafür, daß sie über ihr eigenes Telefon die Gespräche der Schweizer abhören konnten. Guillam war Boß und Kurier, zweimal täglich lieferte er die Bänder an die Außenstelle Bern, wobei er einen geparkten Wagen als Briefkasten benutzte. Mit gleicher Leichtigkeit bestach Toby den Briefträger, der ihm die Post der Belgier vor der Zustellung zur Durchsicht überließ, und die Putzfrau, die im Salon, wo gewöhnlich die Besprechungen stattfanden, ein Mikrophon installierte. Zur Ablenkung gingen sie ins Chikito, wo Toby mit den jüngsten Mädchen tanzte. Gelegentlich brachte er eine von den Kleinen mit nach Hause, aber am nächsten Morgen war sie immer verschwunden, und Toby hatte alle Fenster geöffnet, um den Geruch loszuwerden.