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»Alles ruhig wie das Grab«, sagte Mendel und antwortete für beide.

Ein stilles Haus bekommt viele Besucher

Es gibt Augenblicke, die zu vollgepackt sind, als daß man sie zu dem Zeitpunkt, da sie geschehen, ganz erleben könnte. Für Guillam und alle anderen Anwesenden war das jetzt der Fall. Smileys fortgesetzte Zerstreutheit und seine häufigen vorsichtigen Blicke aus dem Fenster, Haydons Gleichgültigkeit, Poljakows programmgemäße Entrüstung, seine Forderungen, daß man ihn behandle, wie es einem Mitglied des diplomatischen Corps zustehe -Forderungen, die Guillam von seinem Sofaplatz aus in barschen Worten zu erfüllen drohte - das Hereinplatzen Allelines und Blands, weitere Proteste und die Wallfahrt nach oben, wo Smiley die Bänder abspielte, das lange düstere Schweigen, das ihrer Rückkehr ins Wohnzimmer folgte; die Ankunft Lacons und schließlich Esterhases und Fawns, Millie McCraigs schweigendes Hantieren mit der Teekanne: alle diese Ereignisse rollten mit einer bühnenhaften Unwirklichkeit ab, die genau wie die Fahrt nach Ascot vor einer Ewigkeit durch die unwirkliche Nachtstunde vertieft wurde. Es stimmte ferner, daß diese Begebenheiten, zu denen in einem früheren Stadium die körperliche Gewaltanwendung gegen Poljakow gehörte - und ein Schwall russischer Verwünschungen gegen Fawn, der ihm trotz Mendels Wachsamkeit einen Schlag versetzt hatte, der Himmel weiß wohin - wie eine kindische Mini-Verschwörung gegen Smileys einziges Ziel wirkten, weswegen er diese Versammlung einberufen hatte: er wollte Alleline davon überzeugen, daß Haydon seine einzige Chance darstellte, mit Karla zu verhandeln und zu retten - im menschlichen, wenn auch nicht im professionellen Sinn -, was immer von den Netzen, die Haydon verraten hatte, noch übrig sein mochte. Smiley war nicht ermächtigt, diese Transaktionen zu tätigen, und es schien ihm auch gar nicht daran gelegen zu sein; vielleicht nahm er an, daß Esterhase und Bland und Alleline die geeigneteren Leute seien, zu erfahren, welche Agenten theoretisch noch vorhanden waren. Jedenfalls begab er sich bald nach oben, wo Guillam ihn wiederum ruhelos von einem Raum zum anderen stapfen hörte, als er seine Wache an den Fenstern erneut aufnahm.

Während sich also Alleline und seine Leutnants zusammen mit Poljakow ins Eßzimmer zurückzogen, um dort ihre Geschäfte unter sich zu besprechen, saßen die übrigen schweigend im Wohnzimmer und blickten entweder Haydon an oder geflissentlich von ihm weg. Er schien ihre Anwesenheit nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er saß allein, das Kinn in die Hand gestützt, in einer Ecke, bewacht von Fawn, und wirkte recht gelangweilt. Dann war die Besprechung im Eßzimmer zu Ende, die Teilnehmer strömten heraus, und Alleline vermeldete Lacon, der darauf bestanden hatte, bei der Unterredung nicht anwesend zu sein, daß man sich in drei Tagen am gleichen Ort wieder treffen wolle und daß in der Zwischenzeit »der Oberst Gelegenheit haben wird, seine Vorgesetzten zu konsultieren«. Lacon nickte. Es hätte eine Aufsichtsratssitzung sein können. Der Abzug der Gesellschaft war sogar noch seltsamer, als ihre Ankunft gewesen war. Besonders der Abschied zwischen Esterhase und Poljakow verlief dramatisch. Esterhase, der schon immer lieber den Gentleman gespielt hätte als den Spion, schien ein »ritterliches Schauspiel« daraus machen zu wollen und bot Poljakow die Hand, die Poljakow erbittert ausschlug. Esterhase blickte sich hilflos nach Smiley um, vielleicht in der Hoffnung, ihn weiter für sich einzunehmen, dann zuckte er die Achseln und legte Bland den Arm um die breiten Schultern. Bald darauf gingen sie zusammen weg. Sie verabschiedeten sich von niemandem, Bland wirkte furchtbar erschüttert, und Esterhase schien ihn zu trösten, obwohl ihm seine eigene Zukunft in diesem Augenblick kaum rosig erscheinen konnte. Bald darauf kam ein Funktaxi für Poljakow, und auch er ging weg, ohne irgend jemandem auch nur zuzunicken. Jetzt war das Gespräch völlig verstummt; als der Russe nicht mehr anwesend war, wurde das Theater erbärmlich provinziell. Haydon, noch immer von Fawn und Mendel bewacht, verharrte in seiner gelangweilten Pose. Lacon und Alleline starrten ihn in stummer Verlegenheit an. Es wurde noch einige Male telefoniert, vor allem nach Taxis. Einmal kam Smiley von oben herunter und erwähnte Tarr. Alleline rief den Circus an und diktierte ein Telegramm nach Paris des Inhalts, Tarr könne in allen Ehren nach England zurückkehren, was immer das bedeuten mochte; und ein zweites an Mackelvore, das Tarr als vertrauenswürdige Persönlichkeit auswies, was Guillam wiederum Ansichtssache zu sein schien.

Endlich kam zur allgemeinen Erleichterung ein fensterloser Lieferwagen aus der Nursery an, und zwei Männer stiegen aus, die Guillam noch nie gesehen hatte, der eine groß und hinkend, der andere teigig und mit rostbraunem Haar. Schaudernd wurde ihm klar, daß es Inquisitoren waren. Fawn holte Haydons Mantel aus der Diele, durchsuchte die Taschen und half ihm respektvoll hinein. In diesem Augenblick mischte Smiley sich höflich ein und bestand darauf, daß während Haydons Gang von der Vordertür zum Lieferwagen das Licht in der Diele ausgeschaltet sein und daß die Begleitmannschaft zahlreich sein müsse. Guillam, Fawn und sogar Alleline wurden zu diesem Dienst gezwungen, und schließlich schlurfte der ganze Geleitzug mit Haydon in der Mitte durch den Garten zum Lieferwagen.