Steel hatte es plötzlich sehr eilig, das Labor zu verlassen. Ich hätte eine Menge darum gegeben, mit ihm gehen zu können, aber ich musste Bach nicht einmal ansehen, um die Antwort auf diese Frage zu kennen. Ich hörte, wie die Tür wieder abgeschlossen wurde, dann erklangen draußen auf dem Gang trappelnde, sehr hastige Schritte. Noch nicht einmal eine Minute später drang das dünne Winseln einer Alarmsirene durch die Tür.
»Was bedeutet das?« fragte Hertzog nervös.
Bachs Stimme blieb so unbewegt und kühl, wie sie es die ganze Zeit über gewesen war. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme, Doktor.« Er deutete auf Branden. »Bitte.«
Hertzog schluckte. Er glaubte Bach die Geschichte von der reinen Vorsichtsmaßnahme so wenig wie ich, aber noch viel mehr Angst schien ihm das zu machen, was er in Brandons Schädel entdeckt hatte.
»Ich bin doch nicht verrückt!« keuchte er. »Da ist irgendetwas in ihm drin, und ...«
»... und ich möchte, dass Sie es herausholen, Doktor«, unterbrach ihn Bach. »Unbeschädigt.«
Einen Moment lang starrte Hertzog Bach fast trotzig an, sichtbar hin und her gerissen zwischen der Angst vor dem Etwas in Branden und der Furcht vor Bach. Dann drehte er sich mit fest zusammengepressten Lippen herum, trat an einen Schrank und nahm ein verchromtes Instrument heraus, das wie eine zu groß geratene Barbecue-Zange aussah.
Bach gab mir einen Wink mit den Augen, ein paar Schritte zurückzutreten, und griff unter die Jacke. Ich selbst war nicht bewaffnet, aber zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte eine Waffe - auch wenn es weit und breit nichts zu geben schien, auf das sich zu schießen lohnte.
Hertzog griff mit der Zange in Brandons Schädel. Im ersten Moment geschah nichts, bis auf eine Anzahl schmatzender, widerwärtiger Laute, die zum Großteil wahrscheinlich nur in meiner Einbildung existierten - und plötzlich schoss Brandons rechte Hand blitzartig nach oben und schloss sich um Hertzogs Kehle!
Hertzog keuchte, ließ seine Zange fallen und griff mit beiden Händen nach Brandons Fingern. Er zerrte mit aller Kraft, aber die tödliche Umklammerung lockerte sich nicht.
»John!«
Bach hatte seine Waffe gezogen, feuerte jedoch nicht, sondern war mit einem Satz neben Hertzog und griff ebenfalls mit beiden Händen zu, um den mörderischen Griff zu lockern, und sein Schrei riss auch mich aus meiner Erstarrung. Obwohl ich vor Entsetzen am liebsten laut aufgeschrien hätte, war ich mit einem Satz am Tisch, griff nach Brandons Handgelenk und zerrte ebenfalls daran. Gleichzeitig blockierte ich mit dem Knie Brandons anderen Arm, der ebenfalls zu zucken begonnen hatte.
Selbst zu dritt gelang es uns kaum, den Griff des Toten zu sprengen. Bach musste Brandons Finger brechen, ehe sie sich von Hertzogs Kehle lösten. Hertzog taumelte würgend zurück, fiel auf die Knie und rang qualvoll hustend um Atem. Brandons Finger hatten tiefe, dunkelrote Abdrücke auf seiner Kehle hinterlassen.
Mir blieb jedoch keine Zeit, ihm irgendwie zu helfen. Brandons Leichnam bewegte sich noch immer. Bach und ich pressten seine Arme mit aller Gewalt gegen den Tisch, aber ich wusste nicht, wie lange wir ihn noch halten konnten. Der auf so furchtbare Weise wieder zum Leben erwachte Körper entwickelte unvorstellbare Kräfte.
»Hertzog!« brüllte Bach. »Holen Sie es raus!«
Der Arzt rang immer noch verzweifelt nach Atem und war mehr bewusstlos als wach, und trotzdem schien er die Gefahr instinktiv zu begreifen. Taumelnd stemmte er sich in die Höhe, griff nach der Zange und packte ein zweites Mal zu. Brandons Bewegungen steigerten sich zu purer Raserei - und hörten dann wie abgeschaltet auf, als Hertzog die Zange mit einem Ruck zurückzog.
Etwas zappelte darin. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war; ein faustgroßes, rotbraunes Ding, das nur aus peitschenden Tentakeln und langen, beweglichen Fühlern zu bestehen schien, aber es wehrte sich mit erstaunlicher Kraft.
»Verletzen Sie es nicht!« schrie Bach. Mit einem Satz war er neben Hertzog und half ihm, die immer heftiger zuckende Zange zu halten. Auch ich wollte hinzuspringen, aber Bach schüttelte hastig den Kopf und rief:
»Holen Sie ein Gefäß, John! Irgendetwas mit einem Deckel!«
Ich sah mich wild um, musterte und verwarf binnen einer einzigen Sekunde drei oder vier verschiedene Behältnisse und nahm schließlich einen dickwandigen Glasbehälter mit einem schweren Schraubdeckel zur Hand. Hastig öffnete ich ihn, trug ihn zu Bach und Hertzog hin und hielt instinktiv die Luft an, als Hertzog das Ding in seiner Zange hineinfallen ließ. Blitzartig legte ich den Deckel auf und schraubte ihn zu. Ich hätte es kaum geschafft. Das Ding sprang mit einem so wütenden Satz gegen den Deckel, dass er mir fast aus der Hand geschlagen worden wäre. Das Glas knirschte bedrohlich, hielt dem Wüten des Monsters jedoch stand.
Hastig stellte ich das Glas ab und schob es ein Stück weit von mir weg. Das Ding in seinem Inneren tobte und wütete immer heftiger, und ich glaubte, so etwas wie ein dünnes, sehr hohes Pfeifen zu hören.
Ich konnte das Ding jetzt deutlicher erkennen. Sein Körper war nicht größer als eine Babyfaust, aber die Unzahl von Tentakeln, Fühlern und peitschenden Fäden ließ es weit größer erscheinen. Ich konnte keinerlei Sinnesorgane oder Körperöffnungen erkennen, aber eines spürte ich sofort: Diese Kreatur verströmte den gleichen Odem von Fremdartigkeit und Gefahr, der auch den Leichnam des Alien in Bachs Kühlkammer umgab.
»Was ... ist ... das?« krächzte Hertzog. Er hatte Mühe, zu sprechen. Seine Atemzüge wurden von einem pfeifenden Laut begleitet, und ich fragte mich, woher er überhaupt noch die Kraft nahm, auf den Beinen zu stehen.
Bevor Bach antworten konnte, stellte das Ungeheuer seine Attacken gegen den Deckel ein - und warf sich mit aller Kraft gegen das Glas.
Ein helles Splittern erklang. Ein gezackter Riss erschien in dem fast daumendicken Glas, und ein Schauer winziger Splitter schlitterte über den verchromten Tisch.
»Der Kühlschrank!« Bach hetzte mit zwei, drei gewaltigen Schritten um den Tisch herum, riss die Kühlschranktür auf und fegte den Inhalt eines der Fächer achtlos zu Boden, und im gleichen Moment warf sich das Ungeheuer ein zweites Mal von innen gegen das Glas. Der Riss wurde länger, und diesmal flog ein fast daumengroßes Stück aus dem Glas. Einen dritten Angriff würde der Behälter nicht mehr aushalten.
»John!« schrie Bach.
Ich war wie gelähmt. Ich wollte Bachs Befehl ausführen, aber ich konnte es nicht. Schon die bloße Vorstellung, dass dieses Ding mich berühren könnte, war mehr, als ich ertrug.
Es war Hertzog, der zuerst seine Überraschung überwand. Er taumelte zum Tisch, packte das halb zerbrochene Glas mit beiden Händen und raste damit zum Kühlschrank. Bach warf die Tür zu, und praktisch in der gleichen Sekunde erscholl aus dem Kühlschrank ein lautstarkes Splittern und Bersten, dann prallte etwas mit einem dumpfen Knall gegen die Innenseite der Tür. Bach wich instinktiv einen halben Schritt zurück, und auch ich wäre nicht einmal mehr erstaunt gewesen, hätte das außerirdische Monster den Schrank aufgesprengt.
Natürlich geschah das nicht. Ein zweiter, noch heftigerer Schlag traf die Tür, dann begann ein lang anhaltendes Splitern und Klirren; wahrscheinlich randalierte die winzige Bestie im Inneren des Kühlschrankes und zertrümmerte dabei alles, was ihr in den Weg kam.
»Es ... es kann doch nicht heraus, oder?« fragte Hertzog nervös. »Ich meine, es ... ist nicht so stark, dass es die Tür aufbekommt?«
Bach zögerte einen Sekundenbruchteil zu lange, um sein Kopfschütteln noch wirklich überzeugend wirken zu lassen. »Nein«, sagte er. »Es hört gleich auf. Die Kälte wird es betäuben, keine Sorge.«
Das war im Grunde keine wirkliche Antwort auf Hertzogs Frage, aber der Arzt stellte sie nicht noch einmal, sondern wankte zum Tisch zurück und ließ sich dagegensinken. Dass er Brandons Leichnam dabei fast herunterwarf, bemerkte er nicht einmal. Stöhnend schloss er die Augen, presste die Hände gegen seinen misshandelten Kehlkopf und wankte leicht hin und her.