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Und immer, wenn ich aus dem Sessel aufstand, wo ich diese Dinge tatsächlich nicht nur geträumt hatte, erlebte ich die doppelte Tragödie, sie als null und nichtig zu erkennen und doch zu wissen, daß sie nicht allesamt Träume waren und daß etwas von ihnen an der abstrakten Schwelle meines Denkens und ihres Seins zurückblieb.

Ich war ein Genie, in mehr als in Träumen und in weniger als im Leben. Das ist meine Tragödie. Ich war der Läufer, der in Führung lag und kurz vor dem Ziel stürzte.

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Gäbe es in der Kunst den Beruf des Vervollkommners, ich hätte im Leben als Künstler eine Funktion …

Einzig das bereits von einem anderen geschaffene Werk vervollkommnen … So entstand vielleicht die Ilias.

Nur nicht als erster schöpferisch sein müssen!

Wie sehr beneide ich all jene, die Romane schreiben, sie beginnen, daran arbeiten und sie abschließen! Ich kann Romane ersinnen, Kapitel für Kapitel, manchmal mit Dialogen und dem, was zwischen den Dialogen steht, doch wäre ich niemals imstande, diese Träume vom Schreiben zu Papier zu bringen […]

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Alles Handeln, sei es im Krieg, sei es im Denken, ist falsch; und jeder Verzicht ist ebenso falsch. Wüßte ich doch, wie man weder handelt noch auf das Handeln verzichtet! Dies wäre die Traumkrone meines Ruhmes, das Schweigezepter meiner Größe.

Ich leide nicht einmal. Meine Verachtung für alles ist so groß, daß ich mich selbst verachte und daß ich, da ich fremdes Leid verachte, auch das meine verachte und so, mit meiner Verachtung, mein eigenes Leid mit Füßen trete.

Doch so leide ich mehr … Denn wer dem eigenen Leid Wert beimißt, vergoldet es mit der Sonne des Stolzes. Wer viel leidet, kann sich in der Illusion wiegen, Auserwählter des Schmerzes zu sein. So […]

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Schmerzhaftes Intervall

Wie jemanden, der nach langem […] von einem Buch aufschaut und das reine, helle Sonnenlicht grell in den Augen spürt, schmerzt und brennt es mich, wenn ich bisweilen von mir selbst aufschaue und sehe, wie klar und deutlich unabhängig von mir das äußere Leben ist, die Existenz der anderen, der Ort und das Zusammenspiel der Bewegungen im Raum. Ich strauchle über die wirklichen Gefühle der anderen, der Antagonismus ihrer und meiner Psyche behindert mich, bringt mich aus dem Tritt. Ich gleite aus und purzle mitten hinein in den Klang ihrer, für meine Ohren befremdlichen Worte, mitten hinein zwischen ihre festen, sicheren Schritte auf diesem Boden hier, ihre wirklichen Gesten, ihre verschiedenen, vielschichtigen Arten, andere zu sein und nicht Spielarten meiner Person.

In diesen Seelen, in die ich mich mitunter stürze, fühle ich mich schutzlos und leer, als sei ich gestorben und lebte zugleich als bleicher, schmerzhafter Schatten fort, den der erste Lufthauch zu Boden wirft, die erste Berührung in Staub auflöst.

Und ich frage mich dann, ob all meine Anstrengung, mich zu isolieren und zu erheben, die Mühe lohnt, ob der langsame Leidensweg, zu dem ich mein Leben gemacht habe, um meines gekreuzigten Ruhmes willen, wirklich die Mühe lohnt? Und selbst wenn ich wüßte, sie lohnt sich, überkommt mich in diesen Augenblicken das Gefühl, sie lohnt sich nicht und wird sich niemals lohnen.

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Geld, Kinder (Verrückte) […]

Reichtum sollte man nie neiden, allenfalls platonisch; Reichtum ist Freiheit.

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Geld ist schön, es macht frei.

In Peking sterben wollen und dies nicht können gehört zu den Dingen, die auf mir lasten wie der Gedanke an eine bevorstehende Katastrophe.

Die Käufer unnützer Dinge sind klüger, als sie meinen – sie kaufen kleine Träume. Beim Kaufen sind sie Kinder. Wenn Leute mit Geld dem Charme all dieser kleinen, nutzlosen Gegenstände erliegen, nehmen sie so glücklich von ihnen Besitz wie ein Kind, das Muscheln am Strand sammelt – ein Bild, das mehr als jedes andere das ganze kindliche Glück widerspiegelt. Muscheln am Strand auflesen! Nie sind zwei gleich für ein Kind! Es schläft mit den beiden schönsten ein in der Hand, und wenn es sie verliert oder man sie ihm wegnimmt – was für ein Verbrechen! ihm Sichtbares seiner Seele zu nehmen! Hand an seinen Traum zu legen! –, weint es wie ein Gott, dem man sein eben geschaffenes Universum wegnimmt.

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Die Sucht nach dem Absurden und Paradoxen ist die tierische Freude der Traurigen. So wie ein gewöhnlicher Mensch aus Lebensfreude Unsinn redet und aus Übermut anderen auf die Schulter klopft, schlagen die zu Begeisterung und Fröhlichkeit Unfähigen intellektuelle Purzelbäume und vollziehen so, auf ihre Weise, die Bewegung des Lebens.

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Reductio ad absurdum ist eines meiner Lieblingsgetränke.

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Alles ist absurd. Der eine verwendet sein Leben darauf, Geld zu verdienen, das er spart, und hat weder Kinder, denen er es hinterlassen kann, noch die Hoffnung, daß irgendein Himmel einen transzendenten Betrag für ihn bereithalten könnte. Ein anderer strebt nach postumem Ruhm und glaubt nicht an jenes Überleben, das ihm von diesem Ruhm Nachricht bringen könnte. Wieder ein anderer verausgabt sich auf der Jagd nach Dingen, die er nicht wirklich möchte […]

Der eine liest, um zu lernen, vergeblich. Ein anderer genießt, um zu leben, ebenfalls vergeblich.

Ich fahre in der Straßenbahn und beobachte, wie es meine Art ist, geruhsam und in allen Einzelheiten, die Personen, die ich vor Augen habe. Für mich sind diese Einzelheiten Dinge, Stimmen, Sätze. Das Kleid des jungen Mädchens vor mir betrachte ich unter verschiedenen Gesichtspunkten: dem Stoff, aus dem es gefertigt ist, und der Arbeit, die es erforderte – denn ich sehe es als Kleid und nicht als Stoff –, und in der feinen Stickerei, die den Halskragen säumt, sehe ich wiederum die Seidenfäden, mit denen man sie anfertigte, und die Arbeit, die diese Stickerei kostete. Und unvermittelt wie in einem Lehrbuch für Volkswirtschaft erstehen vor mir die Fabriken und die Arbeitsleistungen – die Fabrik, in der der Stoff hergestellt wurde; die Fabrik, in der die dunkleren Seidenfäden gewebt wurden, die den Stoff mit kleinen verdrehten Dingen verzieren, wo er den Hals umschließt; und ich sehe die einzelnen Abteilungen der Fabriken, die Maschinen, die Arbeiter, die Näherinnen, mein nach innen gekehrter Blick dringt in die Büros, ich sehe die Geschäftsführer, um Gelassenheit bemüht, und verfolge in den Hauptbüchern die Buchhaltung des Ganzen; doch nicht nur das: Ich habe darüber hinaus das häusliche Leben der Menschen vor Augen, deren soziales Leben sich in diesen Fabriken und Büros abspielt … Die ganze Welt bietet sich mir dar, nur weil ich vor mir um einen braunen Hals, mit einem mir unbekannten Gesicht auf der anderen Seite, eine regelmäßig unregelmäßige dunkelgrüne Bordüre auf dem Hellgrün eines Kleides wahrgenommen habe.

Das ganze soziale Leben liegt vor meinen Augen.

Darüber hinaus ahne ich die Lieben, die Sekrete [sic] und Seelen all derer, die dafür gearbeitet haben, daß diese Frau, die vor mir in der Elektrischen sitzt, um ihren sterblichen Hals die verschlungene Banalität eines dunkelgrünen Seidenzwirns auf einem weniger dunkelgrünen Stoff tragen kann.

Mich schwindelt. Die Bänke der Elektrischen, aus einem kräftigen, engmaschigen Strohgeflecht, befördern mich in ferne Regionen, vervielfältigen sich zu Industrien, Arbeitern, Arbeiterwohnungen, Lebensläufen, Wirklichkeiten, zu allem.