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Giles der Tänzer ritt an ihrer Seite — wie immer. Unauffällig gekleidet und ohne Harnisch, war er schlank von Gestalt und mittelgroß. Sein ebenmäßiges Gesicht hatte kaum markante, individuelle Züge. In einer größeren Menschenmenge bliebe er unbemerkt. Er war ein Schwertmeister, ein Mann, der so vollkommen zu fechten gelernt hatte, dass er mit einem Schwert in der Hand kaum zu bezwingen war. Schwertmeister hatte es auch schon vor dem Dämonenkrieg nur wenige gegeben; inzwischen, so hieß es, gab es im ganzen Hag nur zwei von ihnen, und der Tänzer war einer der beiden. Er verhielt sich immer sehr still und höflich, und sein Blick war flüchtig und scheu. Keiner wusste genau, wie viele Männer er schon getötet hatte; man munkelte, dass er sich selbst nicht mehr erinnerte. Er und Flint waren Partner seit sie dem Trupp von MacNeil angehörten. Sie standen in dem Ruf, jeden Job zu Ende zu bringen, koste es, was es wolle. Die beiden waren nicht durchweg beliebt, aber Respekt wurde ihnen überall entgegengebracht. Sie waren nunmehr schon fast sieben Jahre mit MacNeil zusammen, nicht zuletzt deshalb, weil er der Einzige war, der sie halbwegs unter Kontrolle halten konnte. Sie respektierten ihn. Meistens.

An Flint gewandt, sagte der Tänzer, als sie auf die beiden anderen zuritten: »Wir müssten bald da sein, oder, Jessica?«

»Ja«, antwortete Flint geduldig. »Weshalb hast du es so eilig? Bislang sind alle, die sich dem Fort genähert haben, spurlos von der Bildoberfläche verschwunden.«

»Das waren Stümper«, sagte der Tänzer. »Wir sind besser.«

»Du wirst immer selbstgefälliger«, entgegnete Flint. »Eines Tages gerätst du noch an jemanden, der tatsächlich so gut mit dem Schwert umgehen kann, wie du's zu können meinst, und dann bin ich womöglich nicht zur Stelle, um den anderen hinterrücks abzustechen und dich zu retten.«

»Dazu wird's nie und nimmer kommen«, sagte der Tänzer.

Flint schnaubte verächtlich.

»Ich kann kaum erwarten, mich im Fort umzusehen«, begann der Tänzer. »Ein Geheimnis zu lüften kommt mir als Abwechslung sehr gelegen. Ein verlassenes Fort, entlegen, den Elementen preisgegeben… Da läuft's einem doch kalt den Rücken runter. Was meinst du?«

»Du hast wieder diesen albernen Bänkelsängern zu lange zugehört«, schimpfte Flint.

»Was kann ich dafür, dass ich tief im Innern so romantisch bin?«

»Du bist krank, wenn du mich fragst. Aber jammere mir nichts vor, wenn du wieder mal Albträume hast. Du weißt selbst, wie sehr dir diese Schauergeschichten nachhängen.« Flint blickte nach vorn auf Constance, die neben MacNeil am Ende des Pfades geduldig wartete. »Giles«, fragte sie, »was hältst du eigentlich von unserer neuen Hexe?«

»Sie macht einen ganz tüchtigen Eindruck.«

»Ist aber noch grün hinter den Ohren. Sie hat noch nie bei einer richtigen Mission mitgemacht. Wer weiß, wie sie unter Druck reagiert.«

»Sie wird sich schon eingewöhnen. Gib ihr Zeit.«

»Ein echter Ersatz für Salamander ist sie jedenfalls nicht. Die kannte sich aus.«

Der Tänzer schaute Flint schmunzelnd an. »Du konntest Salamander doch nicht ausstehen. Gib's zu.«

»Ich hab sie nicht besonders gut leiden mögen, zugegeben, aber sie hatte ihre Stärken. Wir haben hier eine gefährliche Mission zu erfüllen. Da stört eine neue, unerfahrene Hexe doch nur. Wenn sie Mist macht, geht's uns womöglich allen an den Kragen.«

»Wenn's heute Nacht gewittert, wird sie vielleicht vom Blitz erschlagen«, antwortete der Tänzer. »Du machst dir viel zu viele Gedanken, Jessica.«

»Und du machst dir zu wenige.«

»Du denkst ja für mich mit.«

»Das muss ich wohl«, sagte Flint.

Schweigend ritten sie auf MacNeil zu. »Gibt's was Besonderes zu melden?«, fragte der.

»Nein«, antwortete Flint. »Wir sind noch mal ein kurzes Stück zurückgeritten, für den Fall, dass uns jemand folgt, aber dem ist nicht so. Tatsächlich sind wir schon seit Tagen keiner Menschenseele mehr begegnet. Der Wald scheint hier in dieser Gegend ganz und gar verlassen zu sein. Da ist nirgends eine Siedlung oder ein Gehöft.«

»Kein Wunder. Wir sind ja auch ganz in der Nähe der Grenze zum Finsterholz«, erklärte MacNeil.

»Aber da rührt sich so bald nichts mehr«, meinte der Tänzer. »Nicht zu unseren Lebzeiten.«

»Das ist nicht gesagt«, entgegnete Flint.

»Nein«, bestätigte Constance.

MacNeil schaute die Hexe an. Sie starrte mit düsterem Blick auf die Lichtung hinaus.

»Was ist los?«, fragte MacNeil leise. »Siehst du was?«

»Ich bin nicht sicher«, antwortete Constance. »Aber mir scheint, das Fort…«

»Was ist damit?«

»Tief in der Erde hat es früher Riesen gegeben«, flüsterte sie. Dann erschauerte sie merklich, schaute weg und schlang den Umhang fester um sich. »Mir gefällt's hier nicht.«

MacNeil runzelte die Stirn. »Siehst du was… Bestimmtes?«

»Nein. Meine Sicht ist hier verschwommen. Aber ich habe in den vergangenen drei Nächten von diesem Fort geträumt. Es waren schreckliche Träume, und jetzt, da ich vor Ort bin… Diese Lichtung ist kalt, Duncan. Kalt wie ein Grab. Und das Fort ist finster. Es fühlt sich alt an, uralt.«

MacNeil schüttelte den Kopf. »Mir scheint, dir geraten Gefühle und magische Eingebungen durcheinander.

Dieses Fort ist nicht alt. Es wurde vor nicht mehr als vier oder fünf Jahren gebaut. Und etwas anderes hat's hier vorher nicht gegeben.«

»Aber da ist etwas«, sagte Constance. »Und das schon seit langem…« Ihre Stimme wurde immer dünner.

Flint und der Tänzer sahen einander an. Sie sagten nichts, verstanden sich auch ohne Worte. MacNeil wusste, was ihnen durch den Kopf ging. Eine solche Aussage aus dem Munde Salamanders wäre ernst genommen worden. Sie hatte das Zweite Gesicht, und wenn sie einen Ort für gefährlich hielt, dann war er es auch. Punkt.

Doch diese neue Hexe… ihre Fähigkeiten waren noch nicht wirklich auf die Probe gestellt worden, und bevor sie sich nicht bewährt hatte, würde keine ihre Warnungen ernst nehmen. Constance schaute MacNeil an und erwartete eine Antwort.

»Indem wir hier stehen bleiben und Maulaffen feilhalten, werden wir über das Fort nichts in Erfahrung bringen«, sagte er in gewollt ruhigem Tonfall. »Sehen wir uns innerhalb der Mauern um, und wir werden bald wissen, ob es möglich ist, die Nacht dort zu verbringen.«

Er gab seinem Pferd die Sporen und lenkte es auf die Lichtung hinaus. Flint und der Tänzer folgten; ganz zum Schluss setzte sich auch Constance in Bewegung. Sie hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Ihr Blick wirkte sehr kalt.

Als er aus der Deckung der Bäume heraustrat, spannte MacNeil unwillkürlich die Muskeln an. Es hatte sich zwar noch keine Gefahr gezeigt, doch nach so langer Zeit im Wald fühlte er sich auf freier Flur entblößt und verwundbar. Die Lichtung hatte einen Durchmesser von gut einer halben Meile, war kreisrund und wie mit Axt und Säge aus dem Wald herausgeschnitten worden. MacNeil schaute sich argwöhnisch nach allen Seiten hin um.

Nirgends bewegte sich etwas, und es war verdächtig still auf der Lichtung. Da sang kein einziger Vögel, und es summten nicht einmal Insekten. Erst jetzt gewahrte er, dass schon den ganzen Tag über eine ungewöhnliche Stille im Wald geherrscht hatte. Es war kein Wild und kein Vögel zu entdecken gewesen. Vielleicht hatten sich alle Tiere vor dem heraufziehenden Gewittersturm ins Unterholz verzogen. Jetzt war nur das Getrappel der Pferdehufe zu hören; es tönte laut in der Stille, und MacNeil drängte sich zunehmend der Verdacht auf, beobachtet zu werden.

Sie näherten sich dem Fort. Die hohen Mauern schimmerten gelblich und fahl; das natürliche Weiß der Bruchsteine war durch Sonne, Wind und Regen verfärbt worden. Die Schießscharten waren leer, die Wehrgänge verlassen und das große Doppeltor fest verschlossen, gerade so, als würde das Fort belagert. MacNeil blickte suchend über das Gras der Lichtung. Es gab keine Spuren, die darauf hingewiesen hätten, dass jemand vor kurzem hier gewesen war. Anscheinend war von den ausgeschickten Boten keiner so weit gekommen. Dieser Waldabschnitt war berühmt und berüchtigt für seine vielen Wegelagerer und Banditen.