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            Chatter sog die Luft ein. »Ja, genau so läuft es ab. Ich habe es gesehen. Frauen, Kinder, das interessiert sie nicht. Sie besitzen kein Gewissen, und sie lieben Vernichtung. Und sie gedeihen auch durch die Furcht, die sie erzeugen, nicht nur durch das Fleisch ihrer Opfer.« Er schürzte die Lippen, als müsste er weinen, dann schüttelte er den Kopf. »Sie schwelgen im Blut.«

            Ich schaute zu ihm auf. Das Bild tauchte vor meinem inneren Auge auf, und ich sah das Geschehen in nur allzu lebendigen Farben. Blutrausch. Die Piranhas der Feenwelt. Wieder dachte ich an die Leute, die verschwunden waren. Heather und Peyton und Elise … o ihr Götter. Elise. Ich drehte mich zu Leo um, der so weiß geworden war wie der frisch gefallene Schnee.

            »Meine Schwester. Wenn sie nicht hier ist und sie sie nicht verwandelt haben, dann haben sie sie gegessen. Einfach so … dass das Blut und die Knochensplitter nur so gespritzt haben.«

            Rhia schmiegte sich an ihn und nahm seine Hand. »Das wissen wir doch gar nicht«, sagte sie leise.

            »Doch, das wissen wir. Denn wenn sie sie nicht gewaltsam verwandelt haben, dann ist genau das passiert. Ich kenne meine Schwester. Sie würde ihnen niemals freiwillig helfen.« Er rieb sich mit der Hand über die Augen und sah aus, als sei ihm schlecht. »Wir müssen sie ausrotten.«

            »Tja, im Kleinen scheint uns das ja schon mal ganz gut zu gelingen«, sagte ich und wischte mein Messer an meiner Hose ab. Meine Seele und meine Hände würden nun ewig blutbefleckt sein, warum nicht auch meine Hose? »So ist das wohl, wenn man in den Krieg zieht.«

            »So ungefähr, ja. Man tut, was man muss, Cicely. Und jetzt müssen wir vor allem Peyton finden. Wir werden wahrscheinlich noch auf andere treffen, und die müssen wir erledigen, bevor sie ihre Artgenossen warnen können.« Chatter wirkte stärker als je zuvor, fast wieder wie in alten Zeiten. Nun konnten wir auf ihn zählen.

            »Was, denkst du, wird mit Grieve geschehen?«, flüsterte ich.

            Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber wir haben jetzt keine Zeit, darüber zu spekulieren. Lasst uns weitergehen.«

            Wir schlichen durch den Flur zum nächsten Eingang, doch die Kammer war leer, dann zur dritten, der letzten vor der Biegung. Vorsichtig spähte ich um die Ecke, und dort, hinter Eisenstangen eingesperrt, war Peyton. Sie war offenbar nackt und lag unter einer zerschlissenen Decke, aber ich konnte ihre Augen sehen. Sie wirkten normal – anscheinend hatte man sie nicht verwandelt. Sie blickte auf, entdeckte mich und schoss hoch. Ich legte einen Finger auf meine Lippen, und sie nickte.

            »Kann jemand Schlösser knacken?«

            Kaylin schob sich nach vorn. »Lass mich mal.«

            Während er sich mit dem Schloss beschäftigte, suchte Peyton ihre Zelle ab und band sich schließlich die fadenscheinige Decke wie eine Toga um den Körper. Mir wurde bewusst, dass der Mangel an Kleidung ein Problem werden würde, wenn wir im Schneesturm durch den Wald zurückmussten.

            Einen Augenblick später hatte Kaylin das Ding geknackt, und die Tür öffnete sich mit einem schwachen Quietschen. Peyton stürzte vor und sank mir in die Arme. Ich hielt sie einen Moment lang fest und flüsterte in ihr Ohr.

            »Meinst du, du bist reisefest?« Die Frage nach ihrem Befinden stellte ich erst gar nicht. Ich hatte die Vermutung, dass es einem Stich ins Wespennest gleichkäme, und gewisse Gespräche mussten warten, bis wir in Sicherheit waren.

            Sie nickte. »Aber man hat mir Kleidung und Schuhe abgenommen. Ich habe nichts außer dieser Decke.« Ihre Arme waren voller blauer Flecke, und bei genauerem Hinsehen entdeckte ich, dass auch eine Gesichtsseite angeschlagen wirkte, obwohl sie kein blaues Auge hatte.

            Ich wandte mich an die anderen. »Wie sollen wir sie nach Hause schaffen? Sie kann ja nicht zwei Stunden nur mit dieser dünnen Decke durch den Schnee laufen. Und nichts, was die Wachen tragen, würde ihr passen. Sie ist viel größer als die meisten Indigo-Feen.«

            »Ich habe eine Idee«, sagte Leo. »Peyton, kannst du dich in einen Berglöwen verwandeln?«

            »Ich dachte, sie sei ein Werpuma«, sagte ich.

            »Ist dasselbe – Berglöwe, Puma, Silberlöwe. Verschiedene Namen für ein und dieselbe Katze. Und ich muss es wissen, ich habe mich mit diesem Zweig meines Stammbaums beschäftigt«, gab Peyton zurück. »Und ja, das kann ich, aber nicht hier. Man hat hier irgendeine magische Barriere errichtet, die verhindert, dass ich in der Zelle die Gestalt wechseln kann.«

            Ich blickte den Tunnel entlang. Und wenn Elise noch hier war? Und andere? »Sollten wir nicht …?«

            Leo berührte meinen Arm. »Nicht jetzt. Wir sind gekommen, um Peyton, Chatter und Grieve zu retten. Wir können Grieve nicht mit uns nehmen, aber Peyton und Chatter haben wir. Falls meine Schwester hier ist«, setzte er flüsternd hinzu, »ist sie auf ihrer Seite. Und wenn nicht, ist sie tot. Halten wir unsere Verluste in Grenzen und verschwinden wir von hier.«

            Er hat recht. Ihr müsst gehen. Der Nachmittag verstreicht, und ihr müsst vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein, denn dann werden die Vampirfeen ihre volle Kraft zurückerhalten und schlimmer denn je sein. Sie verändern sich. Was immer Lainule und Lannan mit dem Virus zu erreichen gehofft haben, rächt sich nun.

            Ich nickte. Uleans eindringliches Wispern riss mich aus meiner Unentschlossenheit. Ich winkte den anderen, und wir gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren. Endlich traten wir hinaus in das schwindende Licht. Es schneite noch immer, inzwischen so stark, dass man kaum zehn Meter weit sehen konnte. Sobald wir die Wärme der Höhle verließen, begann Peyton zu zittern. Sie trat zur Seite.

            »Peyton, hör mir zu. Wenn wir in einen Kampf verwickelt werden, musst du gehen. Kehr nach Hause zurück. Anadey arbeitet an einem stärkeren Schutz für uns, und vielleicht ist sie bereits fertig. Ich denke, im Augenblick sind wir sicher, sobald wir die Grenze überschritten haben, aber ich weiß nicht, wie lange es noch so sein wird.« Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass wir noch nicht aus dem Gröbsten raus waren. Und wer wusste schon genau, was das Gröbste überhaupt war.

            »Ich verstehe. Danke, euch allen.« Sie wischte sich mit der Hand über die Augen, und ich sah Tränen darin glitzern. Dann verwandelte sie sich ohne ein weiteres Wort, und einen Augenblick später stand ein prächtiger sandfarbener Puma vor uns.

            Wir hatten uns gerade wieder in Bewegung gesetzt, als ich innehielt. Die Leichen der Wachen, die wir ausgeschaltet hatten, waren fort.

            »Verdammt. Jemand war hier. Los, legen wir einen Schritt zu.«

            »Wir könnten euch schneller zurückbringen. Ich kann einen von euch durch die Schatten mitnehmen, und Chatter ist verdammt schnell –«, setzte Kaylin an, doch ich schüttelte den Kopf.

            »Hier sind drei, die auf Hilfe angewiesen sind, wodurch einer zurückbleiben müsste, und das will ich nicht. Schnell jetzt.« Ich kämpfte mich durch den frischen Schnee zum Hang und begann den Anstieg. Die anderen folgten mir. Ulean half uns, indem sie uns Böen in den Rücken schickte, die uns anschoben.