Выбрать главу

            »Ich bin Cicely Waters, Magiegeborene und vom Volk der Uwilasidhe. Ich weiß, wer ich bin. Und ich weiß, wer du bist.« Es war dumm, sie zu provozieren, aber sie sollte begreifen, dass ich sie für das Ungeheuer hielt, das sie war, für eine fanatische Herrscherin im Blutrausch. »Und ich habe den Karmesin-Hof in meinem Rücken.«

            Sie neigte leicht den Kopf, wandte sich zu Heather um und strich meiner Tante sanft mit dem Handrücken über die Wange. Und dann, völlig unvermittelt, schlug sie sie so fest, dass Heather rückwärts zu Boden ging. Heather lag da und starrte, ohne zu protestieren, von unten hoch. Ich hörte, wie Rhiannon einen Schrei unterdrückte, aber ich drehte mich nicht um, zeigte keinerlei Emotion.

            »Nur als Gedanke«, sagte Myst und wandte sich wieder mir zu, um mich mit schmalen Augen zu mustern. »Wenn ich meine Freunde so behandle, wie mag ich dann wohl meine Feinde behandeln? Überleg dir, auf welcher Seite du stehen willst. Dein geliebter Grieve gehört mir.«

            »Nein!« Ich fuhr zusammen, ohne dass ich es verhindern konnte. »Was soll das heißen?«

            »Ich will ihn für mich allein! Er wird mein Gemahl. Und du, meine Liebe … Weißt du wirklich nicht mehr, wer du einmal warst? Denk nach, denk gründlich nach.« In ihren Augen bildete sich ein Strudel, und ich spürte, wie er mich hineinzog.

            Das Aufflackern eines Bildes … ich, die ich tief im Wald stehe, neben mir Grieve, der nicht Grieve ist, sondern Shy. Und ich … ich bin Cherish, und dieses Mal blicke ich auf meine Hände herab, die eine schwache, bläuliche Färbung haben. Erstaunt hebe ich die Hand und taste nach meinen Zähnen. Rasiermesserscharfe Fänge. Und als ich mich zu Shy umdrehe, lächelt er, der mich liebt, und ich weiß, dass ich eine Verräterin bin, dass ich mich selbst verrate, meine Rasse, meine Mutter …

            »Nein«, flüsterte ich. »Ich war keine von euch. Ich war eine Cambyra-Fee.«

            Myst lachte, ein tiefes, sattes Lachen, und ihre Stimme hallte durch die Nacht. »Jetzt bist du eine Cambyra-Fee, aber … o ja, ich sehe, dass du dich erinnerst. Lebe wohl, Kind, nun gehen wir auseinander, doch nicht für lange. Und wenn wir uns wiedersehen, dann wirst du wieder wissen, wie du dich gegen deine Familie gewandt hast. Grieve ist nicht der Einzige, der dich so viele Jahre gesucht hat. Und merk dir eins: Ich bin ungemein nachtragend.« Und damit drehte sie sich um, und wie Schatten in der Nacht waren sie und ihre Gefährten verschwunden.

            Ich drehte mich zu den anderen um, die schweigend und abwartend dastanden und mich ansahen. Mit dem übelkeiterregenden Gefühl, dass gerade alles noch viel schlimmer geworden war, deutete ich mit dem Kopf aufs Haus. »Im Augenblick sollten wir in Sicherheit sein. Wir müssen uns ausruhen.«

            Also gingen wir hinein und schlossen die Nacht und den Schnee und die Dämonen aus.

            27. Kapitel

            Ich schickte Lannan eine E-Mail, in der ich ein Treffen mit ihm, Regina und Geoffrey am nächsten Abend verlangte. Es gab zu viel zu berichten, als dass ich es tippen wollte. Ich machte außerdem unmissverständlich klar, dass Lainule bei der Zusammenkunft zugegen sein sollte und ich meine Freunde mitbringen würde. Wir steckten alle gemeinsam in der Sache drin.

            Peyton war unten mit ihrer Mutter, und wir ließen sie allein, damit sie ihre Wiedervereinigung auskosten konnten. Wir wussten noch immer nicht, was der Indigo-Hof Peyton angetan hatte, aber sie würde es uns sagen, sobald sie bereit dazu war. Sie schien ganz okay zu sein, und ich hoffte, man hatte sie dort höchstens ein wenig in die Mangel genommen.

            Rhiannon und Leo bereiteten das Abendessen zu. Kaylin arbeitete an irgendeinem Zauberspruch – ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Ein Klopfen ertönte, und ich stieß mich vom Schreibtisch ab und rief: »Herein.«

            Chatter betrat mein Zimmer. Er setzte sich zu mir aufs Bett und schlug ein Bein über das andere. »Danke, dass ich hierbleiben darf.«

            »Du bist jetzt auf unserer Seite, ob du es willst oder nicht. Wenigstens wird dich niemand mehr schlagen. Grieve hat nie … er hat doch nicht …« Ich war mir nicht sicher, ob ich es wirklich wissen wollte, aber er schüttelte den Kopf.

            »Grieve hat niemals die Hand gegen mich erhoben. Ich habe dir schon gesagt, dass er getan hat, was er konnte, um gegen seine Natur anzukämpfen. Aber nun … wer weiß, was nun aus ihm wird? Und wenn Myst ihn wirklich für sich beansprucht, wie lange wird er sich gegen den Schattenjäger in ihm sträuben können?«

            Ich schnitt eine Grimasse. »Sie kriegt ihn nicht. Grieve gehört zu mir. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zu vernichten. Und ihn von ihr zu befreien.« Ein Schluchzen verschloss mir die Kehle, und Chatter zog mich in seine Arme und hielt mich, während ich weinte. Nach ein paar Minuten machte ich mich von ihm los und wischte mir über die Augen. »Heulen hilft mir auch nicht weiter.«

            »Was hat Myst dir vorhin gezeigt? Was hat dich so wütend gemacht?« Sanft hob er mein Kinn an und sah mir in die Augen, die seinen groß und freundlich im weichen Licht der Kerzen, die ich entzündet hatte.

            Ich biss mir auf die Lippe. Wie konnte ich ihm von meinem Verdacht erzählen? Wie konnte ich gestehen, dass ich einst auf Mysts Seite gestanden hatte, so grausam wie sie war? In diesem Leben hatten Grieve und ich die Lager gewechselt, und doch trennte uns eine Kluft, die so breit war wie ein Ozean. Ich wusste nur, dass ich ihn liebte und alles tun würde, um Myst zu töten und den Goldenen Wald zu befreien. Selbst wenn das bedeutete, mit Vampiren zu verhandeln, mich Lainule anzupassen und Kehlen aufzuschneiden – was immer nötig war, ich würde es tun.

            Alles, damit Myst nicht gewann.

            Ich schüttelte den Kopf. »Lass gut sein. Darüber reden wir morgen. Wenn es wieder Tag ist und der Indigo-Hof sich vor Schmerzen windet.«

            Er nickte und erhob sich. Ich sah ihm schweigend nach, als er mein Zimmer verließ.

            Nachdem ich meinen Computer heruntergefahren hatte, betastete ich den Stein um meinen Hals. Das beruhigende Wummern der Magie begann augenblicklich durch meinen Körper zu pulsieren. Neben Vampiren und Feen und Vampirfeen gab es noch das – mein anderes Erbe. Mein Vater war Uwilasidhe, und in meinen Adern floss sein Blut. Und vielleicht würde ich ihm eines Tages sogar begegnen.

            Ich zog mich aus und öffnete das Fenster. Schneeflocken wirbelten aus der weißen Nacht herein. Alles war mit einer weichen glitzernden Decke überzogen und sah so wunderschön aus. Ich blickte hinunter und wünschte mir nichts weiter, als das, was heute geschehen war, loszulassen. Den Fächer am Handgelenk, sprang ich auf das Fensterbrett und hockte mich hin. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als grimmiger Stolz mich durchströmte.

            Mochte Lannan mich leersaugen und der Indigo-Hof meine Familie versklaven. Mochten die Vampire ihren Krieg beginnen. Die heutige Schlacht hatten wir gewonnen. Wir hatten Peyton und Chatter befreit. Und nun war es Zeit zu feiern. Jeder noch so kleine Sieg war es wert.

            Morgen würde ich mich der kalten Wirklichkeit dessen, was geschehen war, stellen müssen, doch heute Nacht … heute Nacht noch wollte ich ihr entkommen.

            Und nichts, was man mir antat, konnte ändern, wer ich war oder was ich über mich selbst herausgefunden hatte. Ich blickte hinauf in den stürmischen Himmel. Mit Myst hatte der Winter Einzug gehalten, ein grausamer Winter, der uns alle in die Kälte des Indigo-Hofs hüllen wollte, aber noch waren wir nicht erledigt. Wir hatten bis heute überlebt, und wir würden uns noch ein Weilchen länger wehren.