Выбрать главу

Der Minotaurus hatte dieses seltsame Wort schon zuvor benutzt. »Wer sind die Abtrünnigen?« fragte Huma.

»Verkommene Hexer. Verrückte Zauberer. Sind alle auf die eine oder andere Art den Orden der Magier entschlüpft. Nicht alle sind böse. Es heißt allerdings, daß einer mit gewaltiger Macht einen Pakt mit der Dunklen Königin persönlich geschlossen hat, und daß sie jetzt so auf den Sieg versessen ist, daß sie ihre eigenen Schwarzen Roben verstoßen hat.«

Magie. Huma wußte mehr darüber als die meisten seiner Gefährten. Er war damit aufgewachsen. Sein bester – und einziger – Freund hatte sich der Hexerei verschrieben. Von Anfang an hatte Magus Huma gesagt, daß er eines Tages ein großer, mächtiger Zauberer sein würde, auch als Huma sich der Ritterschaft zuwandte, die seiner Mutter zufolge sein Geburtsrecht war.

Der Gedanke an Magus ließ Huma an seine Jugend denken, eine Zeit, die ihm zwar in mancher Hinsicht wertvoll war, die ihn jedoch auch verbittert gemacht und verunsichert hatte. Er hatte Magus seit Jahren nicht mehr gesehen, seit dem Tag, an dem sein Freund seine Lehrzeit beendet und den Turm für die Prüfung betreten hatte, die über seine Zukunft entscheiden sollte. Genau an jenem Tag hatte Huma seine eigene Entscheidung gefällt und war losgezogen, um die Ritter von Solamnia aufzusuchen und um einen Platz in ihrer Mitte zu bitten.

Huma schüttelte die Gedanken daran ab.

Sie wanderten weiter. Kaz suchte gelegentlich den Horizont ab, doch das Gelände schien ihm fremd zu sein. Einmal fragte er: »Sind alle Länder der Menschen so wie dieses?«

»Hast du noch keins gesehen?«

»Nur die schlimmsten Gegenden. Wo sonst sollten die Oger uns hinstellen als auf die schlimmsten Posten? In gewisser Weise sind wir für sie entbehrlicher als die Goblins. Sie trauen keiner anderen Rasse über den Weg, aber sie wissen, daß sie die Goblins kontrollieren können.«

Huma nickte verständnisvoll. »Es gibt noch Länder, die vom Krieg verschont geblieben sind, aber es werden jedes Jahr weniger. Wo ich zu Hause war, ist jetzt Ödland wie hier.« Eine Welle bitterer Erinnerungen kam in ihm hoch. Er zwang sich dazu, nach vorne zu blicken. Die Vergangenheit lag hinter ihm.

Der Kopf des Minotaurus fuhr herum. »Wir bekommen Gesellschaft.«

Der Ritter zuckte zusammen. Mehr als drei Dutzend Gestalten, lauter Menschen, hielten auf sie zu. Flüchtlinge aus einem Dorf, stellte er fest. Herumirrende Überlebende augenscheinlich, mit zwei maroden Wagen, die von halbtoten Ochsen gezogen und von Männern geführt wurden, die kaum besser aussahen als ihre Tiere. Es waren auch Frauen dabei und sogar ein paar Kinder. Als sie näher kamen, merkte er plötzlich, daß die meisten seinen Begleiter anstarrten. Was in diesen Blicken zu lesen war, gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Wir müssen uns vorsehen, Kaz.«

»Vor diesem erbärmlichen Haufen? Keine Sorge. Mit denen werde ich allein fertig.« Kaz wollte nach der Axt greifen, die an seinem Rücken hing, doch Huma hielt seinen Arm fest.

»Nein!« warnte er. »Das ist Mord!«

Der normalerweise kurz entschlossene Krieger zögerte. Der Verstand eines Minotaurus arbeitete ganz anders als der eines Menschen. Kaz sah eine Bedrohung; es waren mehr als genug Gegner da, die ihn überrennen konnten, wenn er nicht rechtzeitig handelte. In seiner Welt gab es keine Kompromisse. Man triumphierte oder starb. Huma saß zwischen den Stühlen: Er wollte nicht gegen Kaz kämpfen, doch er konnte dem Minotaurus kaum erlauben, sich auf die Flüchtlinge zu stürzen.

Obwohl Kaz die Hand senkte, war der Schaden bereits angerichtet. Die Dorfbewohner sahen nur ein Monster, das sie bedroht hatte. Sie hatten bereits mitansehen müssen, wie ihre Häuser zerstört und ihre Freunde und Nachbarn getötet wurden. Der Zorn über ihre Hilflosigkeit war größer und größer geworden. Jetzt stand ein einzelner Minotaurus vor ihnen, der alles Böse, all ihr Leiden, verkörperte.

Viele Männer und Frauen drängten vor, ein zerlumpter Mob. Sie waren blaß und verängstigt. Alles, was sie wollten, war die Chance, einmal zurückzuschlagen, bevor sie starben.

Huma war von ihrem Anblick entsetzt. Die Gruppe bewegte sich wie ein Haufen Untoter. Bäuerliche Geräte, Messer, Seile, selbst verschiedene Haushaltsgegenstände wurden als Waffen umklammert. Kaz blieb, wo er war, warf Huma jedoch einen kurzen Blick zu.

»Wenn sie noch näher kommen, schlage ich zu, egal was du sagst. Ich werde nicht dastehen und mich von ihnen umbringen lassen.« Die Augen des Minotaurus glitzerten blutunterlaufen. Er würde bald handeln. Huma sprang mit hoch erhobenem Schwert vor die Menge. »Halt! Er wird euch nichts tun!«

Es war ein lächerlicher Versuch, und das Resultat entsprach seinen Befürchtungen. Die mordlustige Menge kam zum Stehen, jedoch nur, um zu beratschlagen, was mit dem jungen Ritter geschehen sollte, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte.

»Geh zur Seite!« schrie ein angegrauter älterer Mann. Sein eines Auge war mit einem Tuch verbunden, und der rote Fleck darauf zeugte von einer noch frischen Wunde. Seine Haut war rissig, und das spärliche Haar klebte an seinem Kopf. »Wir wollen nur ihn! Er muß dafür bezahlen, was er getan hat.«

»Er hat euch nichts getan!«

Eine Frau, die etwas älter war als Huma und einmal hübsch gewesen sein mußte, spuckte ihn an. »Er gehört zu ihnen! Was macht es schon, ob er es war, der meine Kinder getötet hat? Wenn er es hier nicht war, dann war er es woanders.«

Es war nutzlos gewesen, ihnen die Sache erklären zu wollen. Sie hätten Huma nicht zugehört, und selbst wenn, würde das nicht das Grauen aufwiegen, das sie erlebt hatten. Kaz war ihr Sündenbock.

Voller Verzweiflung zückte Huma sein Schwert. Es gab Gemurmel, und ein paar weniger beherzte Leute traten zurück, doch der offensichtliche Verrat eines Ritters von Solamnia gegen seine eigene Rasse war mehr, als die anderen ertragen konnten. Der Mob kam wieder näher, doch dieses Mal war eindeutig auch Huma das Ziel.

Hinter sich hörte er, wie sein massiger Gefährte die Axt herauszog. »Keine Angst, Huma. Wir werden sie zermalmen.«

Jetzt lag noch mehr Vorfreude in den Worten als beim ersten Mal.

Nicht einmal der Anblick eines wütenden Minotaurus mit einer riesigen Streitaxt in der einen, gigantischen Hand reichte aus, um die Dorfbewohner zurückweichen zu lassen. Dürre, knochige Arme, an denen Kleiderfetzen herunterhingen, erhoben sich. Einige Hände waren leer, andere wollten mit dem zuschlagen, was ihnen zufällig in die Finger gekommen war. Huma trat einige Schritte zurück.

Wollte er wirklich diese Menschen töten, um jemanden zu beschützen, der bis vor wenigen Tagen sein Feind gewesen war? Kein Ritter würde so handeln. Huma wußte das sehr wohl. Aber er konnte ihnen Kaz nicht einfach überlassen.

»Kaz, lauf weg!«

»Sie werden dich umbringen, Huma. Weil du mir geholfen hast. Lieber hierbleiben und kämpfen.«

Das war das letzte, was Huma wollte, doch er schien keine Wahl zu haben. Entweder trat er beiseite und verriet den Minotaurus, oder er blieb stehen und verriet diejenigen, die er zu beschützen gelobt hatte. Sein Schwert zitterte.

Ein starker Wind kam hinter ihnen her.

Der Mob erstarrte, und alle Augen gingen nach oben. Hinter sich hörte Huma, wie Kaz herumfuhr und fluchte.

»Ein Drache!«

Eine Staubwolke wirbelte auf, die Huma die Sicht nahm, als er sich umdrehte. Er konnte große Schwingen schlagen hören, als der Drache zur Landung ansetzte. In seiner Phantasie sah er einen der tödlichen, schwarzen Drachen oder vielleicht einen riesigen roten, der gekommen war, um sie alle zu vernichten. Sein Schwert würde weniger als nutzlos sein.

Noch bevor der Staub sich gelegt hatte, griff Kaz an. Ob Drache der Finsternis oder des Lichts war ihm ziemlich egal. Sein Schicksal war in jedem Fall besiegelt. Er hoffte nur, etwas Schaden anzurichten, bevor das Ungetüm ihn zerquetschte. Der Minotaurus brüllte einen Schlachtruf, als er losrannte und die Axt über seinem Kopf schwang. Huma erhaschte den ersten Blick auf den Drachen, als Kaz zuschlug.