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»Natürlich«, sagte Dana lächelnd und stieß sich von der Theke ab.

»Ach ja, Mr. Clemens, Ihr Begleiter hat sich mir noch nicht vorgestellt.«

»Mein Kollege heißt Carpenter«, sagte Twain schnell, bevor Jacob sich vielleicht durch die Nennung seines richtigen Namens verraten konnte. Falls das Red Whale das neue Hauptquartier des Hais war und falls jener Max Quidor der Hai war, konnte die Erwähnung des Namens Jacob Adler nichts Gutes bewirken.

»Freut mich, Mr. Carpenter«, sagte Dana.

»Mich auch, Sir«, erwiderte Jacob knapp.

Dana öffnete die Tür hinter der Theke und trat mit zielsicheren, energischen Schritten in einen halbdunklen Gang.

Jacob und Twain folgten ihm und achteten darauf, daß Danas Rechte dem perlmuttverschalten Revolvergriff an seiner Hüfte nicht zu nahe kam. Feinde konnten ihnen in dem engen Gang, in dem es keine Seitentüren gab, nicht auflauern.

Aber sie achteten weder auf den Fußboden noch auf das, was am anderen Ende der Theke vor sich ging. Dort stand Molly Reynolds und legte - wie schon eine Stunde zuvor im Fall von Franz Pape - einen hinter der Theke verborgenen Hebel um.

Als Jacob und Twain das Knirschen und Ächzen vernahmen, war es schon zu spät. Unter ihren Füßen verschwand der Boden, klappte einfach nach unten weg.

»Vorsi...«, konnte Jacob noch schreien, dann stürzte er auch schon in die dunkle Tiefe.

Vergeblich suchten seine Hände nach einem festen Halt. Und dann war es auch schon vorbei.

Ein harter Aufprall. Schmerzen in seiner Schulter, seinem Arm, dem Bein - der ganzen rechten Seite.

Und völlige Dunkelheit, als die beiden eingeklappten Bodenhälften sich wieder schlossen.

Über sich hörte er Schritte.

War es Claude Dana?

Oder der Hai von Frisco?

Dann ein Fluch ganz nah an seinem Ohr. Der längste und schlimmste Fluch, den Jacob in seinem ganzen Leben gehört hatte. Selbst die Seeleute auf der ALBANY und den anderen Schiffen, auf denen Jacob gewesen war, hatten nicht so geflucht.

»Sind Sie das, Twain?«

»Ja, bei allen Höllenhunden des oberen und unteren Mississippi. Ich bin es und könnte mich vor Wut dorthin beißen, wo anständige Menschen drauf sitzen, aber nicht drüber sprechen!«

»Warum?«

»Warum? Das fragen Sie noch? Wie ein Anfänger bin ich diesem vermaledeiten Dana auf den Leim gegangen. Wie ein Säugling, der noch nichts von der Schlechtigkeit der Welt gehört hat. Die Kaschemmen in Barbary Coast sind für solche Spielereien wie diese Falltüren bekannt. Meistens dienen sie zum shanghaien von Seeleuten. Ich eselsdämlicher Volltrottel falle darauf herein. Verflucht! Verflucht! Verflucht!«

»Solche Vorwürfe bringen uns nicht weiter«, sagte Jacob ruhig. »Wir sollten lieber nach einem Ausweg aus der Falle suchen.«

»Der einzige Weg führt vermutlich direkt in den Rachen des Hais!«

»Dann haben wir immer noch unsere Revolver.«

Twain atmete tief durch und sagte: »Verdammt, Sie haben recht, Adler. Meine Hochachtung vor Ihrer Gelassenheit. Ich werde.«

Eine fremde Stimme - die von Claude Dana - unterbrach den Journalisten und sagte: »Sie werden nur das tun, was ich Ihnen befehle. Gleich wird sich eine Tür einen Spalt öffnen. Sie werden Ihre Revolver durch den Spalt schieben, hübsch langsam. Erst danach werden Sie das Gefängnis verlassen.«

»Warum sollten wir das tun?« fragte Twain.

»Weil Ihr Freund Harte unser Gefangener ist. Wenn Sie sich weigern, stirbt er!«

Twain stieß einen weiteren Fluch aus, diesmal im Flüsterton. Im selben Tonfall fragte er: »Was sollen wir tun, Adler?«

»Gehorchen«, antwortete der Auswanderer ohne Zögern. »Der Hai ist zu allem fähig.«

»Also gut«, seufzte der Journalist. »Geben Sie mir einen Ihrer Schießprügel, aber nur einen!«

Jacob befolgte die Anweisung, nicht ohne sich zu wundern.

»Was ist?« rief Dana ungeduldig.

»Wir sind einverstanden«, antwortete Twain laut.

Ein leichtes Knarren ertönte, und ein Lichtschimmer zeigte den schmalen Spalt an.

»Jetzt die Kanonen«, verlangte Dana. »Aber schön ruhig!«

»All right«, erwiderte Twain und schob nacheinander beide Waffen durch den Spalt. »So, erledigt.«

»Keineswegs, Mr. Clemens«, entgegnete Dana. »Ein Revolver fehlt noch.«

»Wieso?« spielte der Journalist den Unwissenden. »Sie haben doch beide Waffen!«

»Es sind aber drei. Oder glauben Sie, ich hätte nicht bemerkt, daß sich die Taschen des angeblichen Mr. Carpenter an beiden Seiten ausbeulten?«

»So ein ausgekochter Hund!«

In Twains Worten schwang Enttäuschung, aber auch Anerkennung mit.

»Es hat nicht sollen sein«, murmelte Jacob und schob auch seinen zweiten Revolver durch den Türspalt.

Draußen wurden die Waffen aufgehoben. Dann wurde der Lichtspalt breiter.

Jacob und Twain blickten in die Mündungen mehrerer Waffen, darunter ihre eigenen.

Dana, der seinen Revolver auch gezogen hatte, war von vier Männern umgeben, unter ihnen Mulholland und Laverty.

»Willkommen in der Höhle des Hais«, sagte Dana mit falschem Lächeln. »Da wolltet ihr doch hin, oder?«

»Allerdings«, erwiderte Twain. »Wollen Sie uns erzählen, Sie sind der Hai?«

»Ich bin doch nicht anmaßend. Ihr werdet den Hai schon noch kennenlernen.« Dana richtete seinen Blick auf Jacob. »Er hat Sie nämlich bereits erwartet, Herr Adler.«

*

Jacob und Twain folgten Dana durch ein Gewirr von Gängen und Treppen im Bauch des ehemaligen Schiffes.

Ihre bewaffneten und aufmerksamen Wächter ließen ihnen keine Möglichkeit zur Flucht, zumal die Hände der beiden Gefangenen auf den Rücken gefesselt worden waren.

Vor einer unscheinbar wirkenden Tür blieben sie stehen, und Dana sagte: »Mal sehen, ob der Hai euch sprechen will.«

Er wollte. Dana brachte sie herein. Seine vier bewaffneten Männer blieben draußen.

Der Raum war groß und fensterlos, luxuriös eingerichtet, mit Ledermöbeln und einer breiten Bücherwand. Ein Arbeitsraum, der von einem großen Schreibtisch beherrscht wurde. Auffällig waren die Lederschlaufen, die in regelmäßigen Abständen von der Decke hingen. Wie in dem Raum im Golden Crown, das zuvor das Hauptquartier des Hais gewesen war.

Außer Dana und den beiden Gefangenen befanden sich noch zwei Männer im Raum. Beide trugen gute Anzüge, wirkten sonst aber sehr verschieden.

Einer war ein hünenhafter, knochiger, kahlköpfiger Schwarzer. Unbeweglich wie eine Statue stand er neben der Tür. Aber der unbeteiligte Eindruck täuschte, wie die wachsamen, stets hin und her huschenden Augen des Negers verrieten. Buster, der Leibwächter des Hais, war jederzeit zum Eingreifen bereit, sollte seinem Herrn und Meister Gefahr drohen.

Der andere Mann war ein Weißer, der hinter dem Schreibtisch saß und an einem Glas Brandy nippte. Es war ein schlanker Mittdreißiger, etwas mehr als mittelgroß. Dunkles, leicht gewelltes und sorgfältig gescheiteltes Haar und ein herbes, aber gutaussehendes Gesicht ließen ihn fast sympathisch erscheinen.

Doch Jacob wußte nur zu gut, daß sich das Gesicht mit dem auffällig eingekerbten Kinn blitzartig in eine Fratze verwandeln konnte. Eine Fratze, die jene Bösartigkeit ausdrückte, die dem Mann zu eigen war.

»Guten Abend, Herr Adler«, grüßte der Mann hinter dem Schreibtisch auf deutsch. »Sie wirken nicht überrascht, mich hier zu sehen.«

»Das bin ich auch nicht, Quidor. Irene hat Ihre Stimme erkannt, als sie Ihre Gefangene im Golden Crown war. Da war ich allerdings überrascht zu hören, daß Sie noch am Leben sind.«

»Unangenehm überrascht?«

»Sehr unangenehm.«