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Von der Zentrale begab sich Melnikow ins Observatorium.

Es nahm den ganzen Bug des Raumschiffes ein. Im Gegensatz zu den anderen Räumen, die keine Außenfenster besaßen, waren hier große Bullaugen eingebaut. Plasteschilde verschlossen sie von außen. Zahlreiche astronomische Instrumente, Rechenmaschinen neuester Konstruktion und ein fotochemisches Labor ließen wenig freien Raum.

Paitschadse und Wtorow arbeiteten am Spektroskop, Orlow blickte, das rechte Auge dicht am Okular, durch einen Refraktor. Belopolski war nicht im Raum.

„Wo ist Konstantin Jewgenjewitsch?“ fragte Melnikow.

„Er kommt gleich“, antwortete Paitschadse, ohne sich umzudrehen.

Im Observatorium herrschte die Atmosphäre angestrengter Arbeit. Um die Astronomen nicht zu stören, trat Melnikow an die Wand und schob durch Druck auf einen Knopf den Schild beiseite, der das eine Bullauge verdeckte.

Vor ihm breitete sich das vertraute Bild der Sternenwelt, das er viele Male gesehen hatte. Wie reglose kleine Punkte leuchteten die ewigen Lichte des Weltalls. Der Nebelschleier der Milchstraße zeichnete sich undeutlich „unmittelbar am Horizont“ ab.

Nah vor sich erblickte Melnikow die gleißende Kugel der Sonne, die zottig und von den Flammenzungen der Protuberanzen bekränzt im Raum stand. Das Raumschiff kehrte ihr die rechte Bordwand zu.

Von allen Schauspielen, mit denen das All die Sternfahrer reich beschenkte, war der Anblick der im Nichts hängenden Sonne das eindrucksvollste. Der Mensch ist gewohnt, sie als Scheibe zu seinen Häupten oder vor sich am Horizont zu erblicken. Von Bord des Schiffes aus bot sie aber ein ganz anderes Bild. Es sah aus, als schiene die Sonne von unten her. Obwohl man im Raumschiff kein genaues Gefühl für oben und unten besitzt, konnten die Kosmonauten sich nicht von dem Gefühl frei machen, daß das Schiff höher als die Sonne flöge. Warum das so war, vermochte keiner von ihnen zu begreifen, aber einer wie der andere erlag dieser sonderbaren Sinnestäuschung.

Melnikow blickte nach hinten und versuchte die Erde zu erkennen. Es dauerte nicht lange, und er hatte sie gefunden. Der mächtige hellblaue Stern sandte ein ruhiges Licht aus. Neben ihm war mit seinem gelben Schein der Mond zu erkennen. Sehr schön sah dieses Sternpaar aus.

Dort auf diesem schimmernden Punkt, der sich in den Weiten des Alls verlor, war alles, was für die Besatzung von „SSSR-KS 3“ den Sinn des Lebens bedeutete. Und dort war Olga …

Melnikow wandte sich vom Fenster ab. Er wollte nicht an Olga denken, aber es gelang ihm nicht recht. Immer wieder kehrten die Gedanken zu seiner Frau zurück. Ihr Bild stand ihm die ganze Zeit vor Augen. Während der drei vorhergehenden Fahrten hatte er selten an die Erde gedacht, er hatte ihr den Rücken gekehrt, diesmal aber ging sie ihm nicht aus dem Sinn.

Zehn Tage waren erst vergangen, aber er verspürte schon Sehnsucht und litt unter der Trennung. Vor ihm lagen schier endlose lange drei Monate. Aber nicht ein einziges Mal bereute er seinen Entschluß. Könnte man die Zeit zurückdrehen — er würde sich wieder bereit erklären, zu fliegen. Ein Leben ohne Raumflüge schien ihm undenkbar. Ihn beseelte der Wunsch, auf die Erde zurückzukehren, aber zugleich trieb es ihn vorwärts. Vorwärts zum Ziel! Über dieses zwiespältige Gefühl konnte und wollte er sich keine Rechenschaft ablegen. Der Drang zur Erde und der Drang zur Venus beeinträchtigten einander merkwürdigerweise nicht.

Die Arsena

Am 2. Juli 19 … näherte sich „SSSR-KS 3“ der Stelle, an der es mit dem Asteroiden zusammentreffen sollte. Paitschadse war es am Abend zuvor gelungen, die Arsena ausfindig zu machen und ihre Bewegung zu beobachten. Die elektronischen Rechenmaschinen berechneten innerhalb von Minuten die höchst komplizierte Flugbahn des kleinen Planeten und informierten, daß die Begegnung am 2. Juli gegen zwölf Uhr Moskauer Zeit stattfinden würde. Ohne diese Maschinen hätte eine derartige Berechnung die monatelange Arbeit eines guten Dutzends Mathematiker verlangt.

Schon seit dem frühen Morgen wachten Belopolski und Melnikow am Steuerpult und bereiteten alles für das höchst schwierige Manöver vor. Bislang war noch nie ein Raumschiff auf einem Asteroiden gelandet.

Um zehn war die ganze Besatzung auf ihren Plätzen. Saizew, Toporkow und Knjasew bereiteten unter Professor Balandins Leitung alles vor, um im gegebenen Augenblick die elektromagnetischen Anker auf der Arsena auszuwerfen. Paitschadse, Orlow und Wtorow beobachteten den Planeten im Observatorium und meldeten seinen Standort an die Zentrale. Die übrigen versammelten sich in der Reservezentrale, um die „Landung“ am Bildschirm zu verfolgen.

„SSSR-KS 3“ war noch 156 000 Kilometer von dem vorgesehenen Punkt des Zusammentreffens entfernt, als die Abbremsaggregate, die eine negative Beschleunigung von fünf Metern bewirkten, eingeschaltet wurden. Eine Stunde und vierzig Minuten später würde sich die Fluggeschwindigkeit auf zehn Kilometer in der Sekunde verringert haben und dadurch um ein weniges geringer sein als die der Arsena. So lautete der Plan der Landung, der noch auf der Erde ausgearbeitet worden war. Sobald der Planet das Raumschiff einholte, würde dieses die Geschwindigkeit erhöhen, mit ihm Schritt zu halten versuchen und dann auf ihm landen.

Unhörbar für die Besatzung arbeiteten die mächtigen Triebwerke und verringerten ganz allmählich die kosmische Geschwindigkeit. Nur die Zeiget der Geräte und das auftauchende Gefühl der Schwerkraft zeigten an, daß die Fluggeschwindigkeit sank. In den Räumen, in denen sich die Menschen aufhielten, fiel kein Wort. Alle schwiegen zutiefst erregt. Es war keine Angst, die Besatzung vertraute auf das Wissen und die Erfahrung des Schiffskommandanten. Es war ein anderes, stärkeres Gefühl — die edle Erregung des Forschers. Noch nie hatte der Fuß eines Menschen einen Asteroiden betreten, mit dem das Geheimnis des „fünften Planeten“ und seines Untergangs verbunden war. Sie konnten den Schleier lüften.

Langsam vergingen die Minuten in erwartungsvollem Schweigen. Das Raumschiff, das unablässig die Geschwindigkeit verlangsamte, näherte sich seinem Ziel.

Ihm entgegen flog mit gleichmäßiger, jahrhundertelang unveränderter Geschwindigkeit ein gewaltiger Brocken aus Stein und Eisen, der einstmals Teil eines ebensolchen Planeten wie die Erde oder der Mars gewesen war. Wer weiß — vielleicht hatte es auf diesem Planeten auch Leben gegeben, Pflanzen und Tiere oder gar verständige Wesen? Vielleicht waren sie durch eine entsetzliche kosmische Katastrophe, deren Ursache ewig unbekannt bleiben mochte, vernichtet worden?

Vor Belopolskis und Melnikows Augen breitete sich auf dem Bildschirm am Schaltpult die dunkle Unendlichkeit mit den zahllosen starr leuchtenden Sternen. Irgendwo zwischen ihnen befand sich, hell von der Sonne beschienen, die Arsena, die mit bloßem Auge noch nicht zu erkennen war. Alle drei Minuten wurde vom Observatorium die Entfernung bis zum Asteroiden gemeldet. Vorläufig verlief alles normal. Das Raumschiff und der Asteroid kamen einander wie vorgesehen näher.

Da streckte Belopolski die Hand aus und wies auf ein winziges Sternchen, das auf dem Bildschirm erschien. Melnikow beobachtete es minutenlang und überzeugte sich, daß sein Leuchten stärker wurde. Es war die Arsena. Sie glitt allmählich zum Rand des Bildschirms. Um sie weiter verfolgen zu können, mußte der Seitenschirm eingeschaltet werden. Aber bald verschwand der Asteroid auch von hier.

Das Raumschiff flog nun vor der Arsena. Durch eine Drehung der Gasruder hatte Belopolski allmählich die Flugrichtung geändert, und „SSSR-KS 3“ war in die Bahn des kleinen Planeten eingebogen. Die Triebwerke verstummten, und dem Trägheitsmoment gehorchend, flog das Schiff mit einer Geschwindigkeit von zehn Sekundenkilometern. Die Sonne tauchte unmittelbar vor dem Bug auf, der mittlere Bildschirm mußte ausgeschaltet werden.

Nun würde die Arsena das Schiff allmählich einholen und in drei Minuten ganz in seiner Nähe sein. Der entscheidende Augenblick war gekommen.