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Cingetos Blondhaar war zu schweren Zöpfen geflochten, die auf seinen Schultern lagen. Sein Vollbart glänzte vor Öl und bedeckte die goldenen Kettenglieder an seinem Hals. Er saß entspannt im Sattel, trug einen verzierten Schild und ein großes Schwert, das auf seinem Schenkel ruhte. Die Legionen warteten schweigend auf den Mann, der ihnen so viel Kummer und Schmerzen bereitet hatte. Etwas in seiner majestätischen Haltung ließ sie stumm verharren und ihm diesen letzten Augenblick der Würde gewähren.

Julius ging mit Brutus und Marcus Antonius auf den König zu. Als er den Anfang der Straße erreichte, reihten sich seine restlichen Heerführer hinter ihnen ein, doch immer noch sagte keiner ein Wort.

Vercingetorix blickte auf den Römer hinab und erschrak über die Veränderung, die seit ihrer ersten Zusammenkunft vor fast zehn Jahren mit ihm vorgegangen war. Seine Jugend war auf den Schlachtfeldern Galliens geblieben, nur die kalten, dunklen Augen schienen noch dieselben zu sein. Mit einem letzten Blick hinauf zu den Festungen von Alesia stieg Vercingetorix aus dem Sattel und legte Schwert und Schild auf die ausgestreckten Unterarme. Dann ließ er beides vor Julius’ Füße fallen, trat zurück und hielt dem Blick des Römers einen langen Augenblick stand.

»Du wirst die anderen verschonen?«, fragte er.

»Ich habe dir mein Wort gegeben«, entgegnete Julius.

Vercingetorix nickte. Seine letzten Befürchtungen verschwanden. Dann kniete er im Schlamm nieder und neigte den Kopf.

»Bringt Ketten«, sagte Julius, und die Stille zerbrach, als die Legionen Schilde und Schwerter aneinander schlugen und einen solchen Lärm machten, dass jedes andere Geräusch darin unterging.

45

Als der Winter abermals nahte, führte Julius seine Legionen über die Alpen, um rings um Ariminum sein Lager aufzuschlagen. Er brachte fünfhundert Truhen Gold auf Karren mit, genug, um damit den Zehnten des Senats hundertfach zu bezahlen. In den Beuteln seiner Männer klimperten Goldmünzen, und sie waren nach gutem Essen und ausreichender Erholung weitgehend wiederhergestellt. In Gallien herrschte endlich Ruhe, neue Straßen erstreckten sich von einer Küste zur anderen durch das fruchtbare Land. Obwohl Vercingetorix tausend römische Höfe hatte niederbrennen lassen, war das Land noch vor Ende des Sommers von neuen Familien übernommen worden, und noch immer strömten sie herbei, angelockt von dem Versprechen auf reiche Ernten und Frieden.

Nur 3000 Soldaten der Zehnten hatten die Kämpfe in Gallien überlebt, und Julius hatte jeden Mann unter seinem Kommando reichlich mit Land und Sklaven entlohnt. Er hatte ihnen Gold und neue Wurzeln gegeben, und er wusste, dass sie ihm treu ergeben waren, so wie es Marius ihm einst erklärt hatte. Sie kämpften weder für Rom noch für den Senat. Sie kämpften für ihren Feldherrn.

Er wollte nichts davon hören, dass auch nur einer von ihnen eine Nacht im Freien verbringen musste, und jedes Haus in Ariminum war plötzlich mit zwei oder drei seiner Soldaten belegt, die Leben und Geld in die Stadt brachten. Beinahe über Nacht stiegen die Preise, und am Ende des ersten Monats ging in der ganzen Hafenstadt der letzte Wein zur Neige.

Brutus war mit der Dritten Gallica gekommen und hatte sich, sobald er aller Verpflichtungen ledig war, daran gemacht, sich bis zu Besinnungslosigkeit zu betrinken. Der Verlust von Renius hatte ihn schwer getroffen, und Julius kam wiederholt zu Ohren, dass sein Freund jeden Abend in eine andere Schlägerei verwickelt sei. Er hörte den Gastwirten zu, die mit ihren Beschwerden zu ihm kamen, und bezahlte Brutus’ Rechnungen ohne Murren. Schließlich schickte er Regulus aus, um Brutus davon abzuhalten, in seinem trunkenen Zorn jemanden zu töten, und erfuhr dann, dass die beiden zusammen durch die Stadt tobten und noch mehr Unheil anrichteten als Brutus alleine.

Zum ersten Mal seit Spanien wusste Julius nicht, was das kommende Jahr für ihn bereithielt. Eine Million Menschen waren in Gallien gestorben, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen, eine weitere Million war in römische Steinbrüche und auf römische Bauernhöfe von Afrika bis nach Griechenland verkauft worden. Er besaß mehr Gold, als er jemals gesehen hatte, und er war über das Meer gefahren und hatte die Britannier besiegt. Er hätte erwartet, Freude über seine Triumphe zu empfinden. Schließlich hatte er es Alexander gleichgetan und eine neue Welt jenseits der bekannten Landkarten entdeckt. Er hatte innerhalb einer Dekade mehr Land erobert, als Rom sonst in einem ganzen Jahrhundert. Als Junge hätte er sich an dem Gedanken ergötzt, Vercingetorix vor sich knien zu sehen, und hätte dabei nur seine Leistung gesehen. Doch damals hätte er nicht gewusst, wie sehr er die Toten und Gefallenen vermissen würde. Er hatte von Statuen geträumt, davon, dass sein Name im Senat genannt werden würde. Nun, da all das Wirklichkeit geworden war, schätzte er es eher gering. Sogar der Sieg schmeckte schal, denn er bedeutete, dass alles Streben und Trachten ein Ende hatte. Es gab zu viel zu bereuen.

Julius hatte Crassus’ Haus im Zentrum der Stadt bezogen, und nachts glaubte er immer noch, Servilias Parfum riechen zu können. Obwohl er einsam war, schickte er nicht nach ihr. Irgendwie war der Gedanke, dass sie ihn aus seiner Niedergeschlagenheit herausreißen würde, zu viel für ihn. Er freute sich an den düsteren Wintertagen, die so gut zu seiner Verfassung zu passen schienen, und er hieß die trüben Gedanken wie alte Freunde willkommen. Er wollte die Zügel seines Lebens nicht aufnehmen und weitermachen. In der Zurückgezogenheit von Crassus’ Haus konnte er die Tage mit Müßiggang vertun, die Nachmittage damit verbringen, in den dunklen Himmel zu starren und seine Bücher zu schreiben.

Die Berichte, die er für seine Heimatstadt verfasst hatte, hatten für ihn an Bedeutung gewonnen. Jede Erinnerung wirkte irgendwie verkrampft und befangen, sobald er sie niedergeschrieben hatte. Die Tinte konnte weder die Angst noch den Schmerz oder die Verzweiflung ausdrücken, und das war gut so. Es verschaffte seinem gequälten Geist Linderung, jeden Teil seiner Jahre in Gallien schriftlich festzuhalten und das Ganze dann von Adàn säuberlich kopieren zu lassen.

Am Ende der ersten Woche gesellte sich Marcus Antonius zu ihm. Er machte sich daran, Staubdecken von den Möbeln zu ziehen und dafür zu sorgen, dass Julius zumindest einmal am Tag eine richtige Mahlzeit zu sich nahm. Julius nahm seine Fürsorge mit einsichtigem Wohlwollen hin. Einige Tage darauf kamen Ciro und Octavian ins Haus, und die Römer setzten sogleich alles daran, es so sauber zu putzen wie eine Legionsküche. Sie beseitigten das Durcheinander aus Papieren in den Wohnräumen und brachten eine Unruhe ins Haus, der sich Julius immer weniger widersetzen mochte. Obwohl er die Einsamkeit zunächst sehr genossen hatte, war er doch daran gewöhnt, seine Offiziere um sich zu haben, und zog nur in gespieltem Verdruss die Augenbrauen hoch, als Domitius sich in einem Zimmer einquartierte und Regulus in der darauf folgenden Nacht mit Brutus über der Schulter erschien. Überall im Haus wurden Lampen angezündet, und als Julius in die Küche hinunterkam, fand er dort drei Frauen aus der Nachbarschaft beim Brotbacken vor. Er akzeptierte ihre Anwesenheit ohne ein Wort.

Die Schiffsladungen mit Wein aus Gallien trafen ein und wurden von den Bewohnern der Stadt durstig in Empfang genommen. Marcus Antonius sicherte sich ein Fass, und an einem Abend, an dem es ihnen gelang, die Rangunterschiede zu vergessen, betranken sie sich bis zur Besinnungslosigkeit, um es in einer einzigen Sitzung zu leeren, und blieben dort liegen, wo sie umfielen. Am Morgen musste Julius zum ersten Mal seit Wochen wieder laut lachen, als seine Freunde herumtorkelten und fluchend gegen die Möbel stießen.

Nun, da die Bergpässe geschlossen waren, war Gallien ebenso weit entfernt wie der Mond und suchte ihn nicht mehr in seinen Träumen heim. Julius’ Gedanken wandten sich wieder Rom zu, und er schrieb Briefe an jeden, den er in der Stadt kannte. Es war seltsam, an die Menschen zu denken, die er seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Servilia würde dort sein, und das neue Senatsgebäude musste auch längst fertig sein. Rom würde ein neues Gesicht haben, um seine Narben zu verdecken.