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Morgens schrieb Julius hinter den verschlossenen Türen seines Arbeitszimmers ausführlich an seine Tochter und versuchte, eine Brücke zu einer Frau zu schlagen, die er eigentlich überhaupt nicht kannte. Er hatte ihr vor zwei Jahren die Erlaubnis erteilt, in seiner Abwesenheit zu heiraten, hatte aber seither nichts mehr von ihr gehört. Ob sie seine Briefe nun las oder nicht, sie waren Balsam für sein Gewissen, und Brutus hatte ihn gedrängt, es zu versuchen.

Es war verlockend, sich ein paar Pferde zu nehmen und in die Stadt zurückzukehren, aber Julius wollte sich vor den Dingen in Acht nehmen, die während seiner Abwesenheit vorgefallen sein mochten. Ohne konsularische Immunität war er dort für jeden seiner Feinde angreifbar. Selbst wenn ihm der Senat den Rang eines Tribuns gelassen hatte, würde ihn das nicht vor der Anklage wegen des Mordes an Ariovist oder wegen Befehlsanmaßung bei der Überschreitung des Rheins schützen. Der Senat schuldete Julius mehr als einen Triumph, aber er bezweifelte, dass Pompeius erfreut darüber sein würde, ihn von den Bürgern bejubelt zu sehen. Die Vermählung mit Julius’ Tochter hatte sein Temperament etwas gezügelt, aber Julius kannte ihn zu gut, um auf seinen guten Willen oder seinen Ehrgeiz zu vertrauen.

Der Winter verging in träger Behaglichkeit. Sie redeten nur selten von den geschlagenen Schlachten, nur wenn Brutus betrunken war, ordnete er die Brotstücke auf dem Tisch an und zeigte Ciro, wie die Helvetier hätten vorgehen müssen.

Die Legionen feierten gemeinsam mit den Städtern die Wintersonnenwende, zündeten auf jedem Haus Lampen an, damit das Versprechen des Frühlings auf allen Straßen zu sehen war. Ariminum glänzte wie ein Juwel in der Dunkelheit, und die Bordelle arbeiteten mit doppelter Besetzung. Von diesem Zeitpunkt an veränderte sich die gesamte Atmosphäre kaum wahrnehmbar. Nachdem die längste Nacht vorüber war, häuften sich auch die Berichte von mutwilliger Zerstörung und Raufereien auf Julius’ Schreibtisch, bis er beinahe versucht war, sie alle auf die Ebene hinauszuschicken, damit sie dort auf freiem Feld kampierten. Nach und nach verbrachte er immer mehr Zeit mit Versorgungs- und Soldangelegenheiten und verfiel wieder in die alten Gewohnheiten, die ihn sein gesamtes Erwachsenenleben über aufrecht gehalten hatten.

Er vermisste Renius und Cabera mehr, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Mit einigem Erstaunen hatte er festgestellt, dass er der Älteste unter den Männern war, die sich Crassus’ Haus mit ihm teilten. Während die anderen zu erwarten schienen, dass er Ordnung in ihr Leben brachte, hatte er niemanden, an den er sich wenden konnte, und die Gewohnheiten des Krieges waren zu stark, als dass er sie hätte einfach so ablegen können. Obwohl er einige der Männer im Haus schon seit Jahren kannte, war er doch ihr Vorgesetzter, und es lag immer eine gewisse Zurückhaltung in ihrem Benehmen, wenn er in der Nähe war. Manchmal kam Julius das geschäftige Haus sonderbar einsam vor, aber das Nahen des Frühlings tat ein Übriges, um seine gute Laune wiederherzustellen. Er gewöhnte sich daran, mit Brutus und Octavian durch die Außenbezirke der Stadt zur reiten, damit sie wieder zu Kräften kamen. Ciro beobachtete ihn aufmerksam, wenn sie zusammen waren, und lächelte, wenn der alte Julius wieder zum Vorschein kam, wie flüchtig es auch sein mochte. Alles, was nicht zu sehen war, heilte die Zeit, und obwohl die Tage noch dunkel waren, spürten die Männer den Frühling bereits im Blut.

Das Bündel Briefe, das an einem strahlenden Morgen eintraf, sah aus wie jedes andere. Julius bezahlte den Boten und sortierte sie in einzelne Stapel. Er erkannte Servilias Handschrift auf einem Brief für ihren Sohn und freute sich, weiter unten in dem Bündel einen zweiten zu finden, der an ihn adressiert war. Voller Vorfreude nahm er seinen Brief mit in den vorderen Raum des Hauses und zündete ein Feuer an. Er zitterte, als er das Siegel brach und den Brief öffnete.

Beim Lesen erhob er sich von seinem Sitz und trat direkt in den Schein der aufgehenden Sonne. Er las den Brief von Servilia dreimal durch, bevor er glauben konnte, was dort stand. Dann ließ er sich wieder auf den Stuhl sinken, der Brief fiel ihm aus den Händen.

Der Fürst der Kaufleute war gefallen.

Crassus und sein Sohn hatten die Angriffe der Parther in Syrien nicht überlebt. Der Großteil der von Julius ausgebildeten Legion hatte sich freikämpfen können, aber Crassus hatte einen wilden Angriff angeführt, als er sah, wie sein Sohn vom Pferd stürzte, und der Feind hatte ihn vom Rest seiner Männer abgeschnitten. Die Legionäre hatten ihre Leichen geborgen, und Pompeius hatte einen Tag der Trauer für den alten Mann verkündet.

Julius saß da und starrte in die Sonne, bis die Helligkeit zu viel für ihn wurde und seine Augen brannten. All die alten Namen waren jetzt dahin, und Crassus war ihm, trotz all seiner Fehler, in den dunkelsten Tagen ein Freund gewesen. Julius las Servilias eigenen Kummer zwischen den säuberlichen Zeilen, mit denen sie die Tragödie schilderte, aber Julius war nicht in der Lage, an sie zu denken. Er stand auf und schritt im Zimmer auf und ab.

Abgesehen von dem persönlichen Verlust war Julius gezwungen zu überlegen, inwiefern der Tod des Crassus das Gleichgewicht der Macht in Rom verändern würde. Die Schlüsse, die er zog, gefielen im ganz und gar nicht. Pompeius würde am wenigsten darunter zu leiden haben. Als Diktator stand er über dem Gesetz und dem Triumvirat und würde lediglich Crassus’ Reichtum vermissen. Julius fragte sich, wer wohl jetzt das Vermögen des alten Mannes erben würde, nachdem Publius mit ihm umgekommen war, aber letztendlich spielte das kaum eine Rolle. Weitaus wichtiger war die Tatsache, dass Pompeius keinen erfolgreichen Heerführer mehr im Feld brauchte. Es konnte durchaus sein, dass er einen solchen Mann als Bedrohung betrachtete.

Je genauer sich Julius die Folgen ausmalte, desto blasser wurde er. Wenn Crassus noch am Leben wäre, hätte man einige neue Kompromisse aushandeln können, aber diese Hoffnung war mit ihm in Parthien gestorben. Schließlich wusste Julius, dass er rasch reinen Tisch gemacht hätte, wäre er an Pompeius’ Stelle gewesen, bevor ihm jemand seine Stellung streitig machen konnte. Politik war, wie ihm Crassus einst gesagt hatte, ein blutiges Geschäft.

Unvermittelt ging Julius mit schnellen Schritten zum Tisch und öffnete die restlichen Briefe, wobei er jeweils nur die ersten Zeilen durchlas, bis er erstarrte und tief Luft holte. Pompeius hatte ihm geschrieben, und Julius spürte, wie beim Lesen seiner aufgeblasenen Befehle Zorn in ihm aufstieg. In den Zeilen wurde Crassus’ Tod nicht einmal erwähnt! Angewidert schleuderte Julius den Brief zu Boden und fing an, erneut auf und ab zu schreiten. Obwohl er wusste, dass er von dem Diktator nicht mehr hätte erwarten dürfen, war es ein Schlag, seine Zukunft in diesen Zeilen zu lesen.

Die Zimmertür wurde aufgerissen, und Brutus kam mit seinem eigenen Stapel Briefen herein.

»Hast du’s schon erfahren?«, fragte er.

Julius nickte. In seinem Kopf nahmen bereits erste Pläne Gestalt an.

»Schicke Männer aus, Brutus, sie sollen die Legionen zusammenrufen. Sie sind über den Winter fett und behäbig geworden, und ich will, dass sie bis morgen Mittag die Stadt verlassen und mit Manövern angefangen haben.«

Brutus sah ihn verdutzt an.

»Gehen wir nach Gallien zurück? Was ist mit Crassus? Ich glaube nicht, dass ...«

»Hast du mich verstanden?«, brüllte Julius ihn an. »Die Hälfte unserer Männer ist so gut wie nutzlos, mit ihren Huren und ihrem Wein. Sag Marcus Antonius, dass wir aufbrechen. Er soll am Hafen anfangen und alle zusammentreiben!«